Stellungnahmeder Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Stand 30.07.2019)
Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zusammenarbeitenden Spitzenverbände nehmen zu dem obigen Entwurf wie folgt Stellung:
- § 3 Nr. 49 EStG (Art. 1, Änderung des EStG)
Wir begrüßen die Befreiung von der Einkommensbesteuerung von Sachleistungen des Wohnraumnehmers und des Wohnraumgebers zur Förderung alternativer Wohnformen, da sie die gegenseitige Unterstützung von Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen und somit das soziale Engagement der Beteiligten fördert.
- § 4 Nr. 18 UStG (Art. 9, Weitere Änderung des UStG)
Grundsätzlich begrüßt wird weiterhin die Intention, die Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen im Bereich der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit (§ 4 Nr. 18 UStG) neu zu fassen und an das Recht der Europäischen Union und die Rechtsprechung anzupassen. In der Umsetzung dieses Vorhabens weichen unsere Vorstellungen jedoch von denen des vorliegenden Gesetzentwurfs ab. Wir verweisen insoweit auf unsere Stellungnahmen zu den Gesetzentwürfen aus den Jahren 2013 und 2014, die ebenfalls eine Abänderung des § 4 Nr. 18 UStG vorsahen. In der Stellungnahme aus dem Jahr 2014 hatten wir auch explizit einen Vorschlag zur Neuformulierung der in Rede stehenden Regelung unterbreitet.
Nach dem bisherigen Wortlaut des § 4 Nr. 18 UStG waren die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der Freien Wohlfahrtspflege unter dort weiter genannten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit. Die hiergegen durchgeführten Klagen von Wohlfahrtsverbänden und anderen Leistungserbringern waren insofern erfolgreich, als nach der Rechtsprechung sowohl der Kreis der Leistenden als auch das in § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchstabe c UStG geregelte Abstandsgebot als europarechtswidrig angesehen wurden, so dass die jeweiligen Berufungen der Kläger auf die „günstigere“ Regelung gem. Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g MwStSystRL erfolgreich waren.
In Anlehnung an Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b) MwStSystRL umfasst die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 18 künftig die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen erbracht werden, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Etwaige Gewinne müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden.
Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege bedauern ausdrücklich, dass nach dem Gesetzentwurf die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als begünstigte Einrichtungen aus dem UStG gestrichen werden sollen. Auch wenn die zugrunde liegende MwStSystRL diese Formulierung nicht explizit vorsieht, ist sie dennoch nicht ausgeschlossen. Nach der EU-Richtlinie ist lediglich eine Umsatzsteuerbefreiung nach einer spezifischen Verbandszugehörigkeit unzulässig, nicht jedoch die Nennung der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als erläuternder Hinweis bei der Definition der Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben.
Aus dem Streichen der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in § 4 Nr. 18 UStG folgt, dass § 23 UStDV entfällt, der die als amtlich anerkannten Verbände der Freien Wohlfahrtspflege definiert, so dass mit einer langen, aus unserer Sicht bewährten Tradition, gebrochen wird. Wir bedauern das ausdrücklich.
Es wurde, wie in dem Gesetzentwurf ausgeführt wird, auf die unionsrechtswidrige Regelung gem. § 4 Nr. 18 c UStG und den eingeschränkten Anwendungsbereich der Leistungsanbieter hingewiesen. Die genannten Einwände wären durch geringfügige Anpassungen des § 4 Nr. 18 UStG lösbar. Stattdessen stellt die nach dem Entwurf vorgesehene Formulierung auf Voraussetzungen für die Steuerbefreiung ab, die nach unserem Verständnis unklar und daher äußerst streitanfällig sind. Es wird mehrere Jahre dauern, bis im Detail und letztendlich durch die Rechtsprechung (wieder) geklärt ist, welche Leistungen nach der neuen Regelung noch umsatzsteuerbefreit sind. Für die Dienste und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege bedeutet dies eine Zunahme steuerlicher Risiken, da die bisherigen Leistungen als Sachverhalt bereits verwirklicht sind, so dass eine eindeutige Klärung im Rahmen einer Verbindlichen Auskunft nach § 89 AO ausscheidet.
In der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 18 UStG wird u.a. darauf hingewiesen, dass Betreuungs- und Pflegeleistungen an körperlich, geistig und seelisch hilfsbedürftigen Personen nicht mehr unter die Befreiung nach § 4 Nr. 18 UStG, sondern ausschließlich unter § 4 Nr. 16 UStG fallen. Dieser Hinweis zeigt schon, welche Diskussionen mit der Finanzverwaltung hinsichtlich der Einordnung von Leistungen zu § 4 Nr. 18 UStG künftig erfolgen werden.
Ferner gibt es vielfältige Angebote zur Freizeitgestaltung wie Gymnastik-, Tanz-, Mal- oder Handarbeitsgruppen sowie Ausflüge oder Reisen für Menschen mit Behinderung. Diese Leistungen unterliegen bisher der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG. Nach § 88 SGB XI handelt es sich bei Zusatzleistungen nicht um notwendige Leistungen. Hieraus könnte mit Blick auf die Umsatzsteuer der Schluss gezogen werden, dass es sich um Leistungen handelt, die für die Sozialfürsorge nicht unerlässlich sind (Artikel 134 MwStSystRL). Diese Schlussfolgerung ist nach unserem Verständnis unzutreffend, denn auch diese Leistungen sind eng mit der Sozialfürsorge verbunden, da die Angebote der Bereicherung des Alltags, der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie dem Erhalt und der Förderung der persönlichen Fähigkeiten und Kompetenzen dienen. Zur Klarstellung sollten diese Angebote in der Gesetzesbegründung und im UStAE ausdrücklich als eng mit der Sozialfürsorge verbundene Leistungen genannt werden.
Außerdem wird in der Gesetzesbegründung darauf verwiesen, dass nach dem BFH-Urteil vom 1.12.2010 (XI R 46/08) die Leistungen eines Mahlzeitendienstes, auch wenn sie an den Kreis der Bedürftigen erbracht werden, nicht nach § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreit sind. Aus unserer Sicht handelt es sich um ein Fehlurteil, da hier u.a. nicht berücksichtigt wurde, dass das von den Wohlfahrtsverbänden angebotene „Essen auf Rädern" eine Form der hauswirtschaftlichen Versorgung ist und deshalb auch in § 68 Ziffer 1 Buchstabe a AO als Mahlzeitendienst in den Katalog der Zweckbetriebe aufgenommen wurde. Ferner wird bestritten, dass es sich bei dem Menüservice um eine eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Leistung handelt. Begründet wird dies damit, dass unabhängig vom jeweiligen Gesundheitszustand oder vom Alter alle Menschen essen würden. Die Richter verkennen dabei, dass bei einer Leistung wie „Essen auf Rädern“ nicht allein der Aspekt des Essens im Vordergrund steht, sondern die lebensnotwendige und flächendeckende Versorgung insbesondere alter und gebrechlicher Menschen. Aus unserer Sicht sind alle Leistungen auch dann als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden anzusehen, wenn diese Leistungen einem nach einem Sozialgesetzbuch begünstigten Zweck dienen. So regelt beispielsweise § 71 SGB XII, dass die Altenhilfe dazu beitragen soll, „Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern…“. Mahlzeitendienste sind ein wichtiger Baustein, um insbesondere alten und gebrechlichen Menschen den Verbleib in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass Dienste und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege oft eben nicht nur Essen anliefern, sondern die Mahlzeiten in ein Portfolio altersgerechter Dienste einbinden (können), so dass insgesamt eine altersgerechte Versorgung im häuslichen Umfeld sichergestellt wird. Daher hat entsprechend unserer Auffassung die OFD Münster mit Datum vom 04.09.2012 verfügt, dass es sich bei dem Mahlzeitendienst durch Wohlfahrtsverbände um eine nach § 4 Nr. 18 UStG befreite Leistung handelt, sofern die Leistungen gegenüber dem begünstigten Personenkreis erbracht werden.
Eine Abschaffung der Umsatzsteuerbefreiung für Mahlzeitendienste würde bei vielen gemeinnützigen Trägern – auch bei einer Besteuerung zum ermäßigten Steuersatz und dem dann möglichen Vorsteuerabzug – zu einer Verteuerung der Leistung führen. Das würde insbesondere bei Seniorinnen und Senioren mit geringen Renten zu einer erheblichen finanziellen Zusatzbelastung führen.
Die gleiche Problematik stellt sich aktuell nicht nur bei „Essen auf Rädern“, sondern nach Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) auch bei Verpflegungsleistungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe.
Für die bisher nach § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreite kurzfristige Vermietung an Studierende (unter 6 Monate) sollte in der Gesetzesbegründung und/oder im UStAE klargestellt werden, dass es sich hierbei auch zukünftig um Leistungen handelt, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind. Die kurzzeitige Vermietung betrifft vor allem Studierende aus dem Ausland, die im Rahmen der Internationalisierungsstrategie des Bundes und der Länder an deutschen Hochschulen nur kurzzeitig studieren und aufgrund ihrer schlechten finanziellen Situation auf preiswerte Unterkünfte in den Studentenwohnheimen angewiesen sind.
Gleiches gilt für Bewegungstherapien (wie Funktions- und Bewegungstrainings für Menschen mit rheumatischen Erkrankungen) sowie für Informations- und Schulungsangebote für Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen, wie sie beispielsweise von Verbänden der Selbsthilfe angeboten werden. Diese nicht auf der Basis einer ärztlichen Verordnung durchgeführten Maßnahmen und Angebote sind derzeit nur nach § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreit. Um die Steuerbefreiung auch zukünftig zu gewährleisten, sollten auch sie in der Gesetzesbegründung sowie im Umsatzsteuer-Anwendungserlass ausdrücklich als Leistungen der Sozialfürsorge genannt werden.
Ein weiterer erheblicher Diskussionspunkt wird durch die Ergänzung um die systematische Gewinnerzielung entstehen. Es stellt sich nämlich die Frage, wann eine systematische Gewinnerzielung vorliegt. Ist diese zu bejahen, wenn über eine bestimmte Anzahl von Jahren jährlich ein Gewinn anfällt, darf dieser bestimmte prozentuale oder absolute Grenzen überschreiten etc.? Wir dürfen hierzu auf die Diskussion um die Änderung des AEAO, Ziff. 2 zu § 66 AO verweisen. Die Änderung dieser Ziffer, die ebenfalls die Gewinnerzielung thematisiert, war ebenfalls unnötig, sie hat die Wohlfahrtsverbände erheblich verunsichert und ihre Interpretation wird uns sicherlich noch viele Jahre beschäftigen. Aus unserer Sicht wäre es sinnvoller, auf die Gemeinnützigkeit i.S.v. §§ 51 ff. AO der leistungserbringenden Einrichtungen abzustellen. Dies wäre ein deutlich einfacherer Weg sicherzustellen, dass möglicherweise erzielte Gewinne in der Einrichtung verbleiben und zweckentsprechend verwendet werden.
Zusammenfassend empfehlen wir daher, den bisherigen Text des § 4 Nr. 18 UStG zu belassen und Anpassungen nur insoweit vorzunehmen, wie die Rechtsprechung diese gefordert hat, um einen Einklang mit der MwStSystRL zu erreichen. Alternativ sollte der Umfang der steuerbefreiten Leistungen möglichst klar und praktikabel definiert und der Kreis der leistungserbringenden Einrichtungen auf juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie gemeinnützige Einrichtungen i.S.v. §§ 51 ff. AO beschränkt werden, so dass sich die Diskussion über die systematische Gewinnerzielung und Gewinnverwendung erübrigt.
Eine mögliche, unsere Belange berücksichtigende angepasste Formulierung (Ergänzung kursiv) schlagen wir vor wie folgt:
„18. Eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen, wenn diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, erbracht werden. Etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht entnommen, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden. Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben im Sinne dieser Vorschrift, sind auch steuerbegünstigte Körperschaften im Sinne der §§ 51 ff. AO, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. Für die in anderen Nummern dieses Paragrafen bezeichnete Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht.“
Einen vergleichbaren Vorschlag zur Ergänzung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Neuformulierung der Vorschrift haben in der Rechtsliteratur auch die Professoren Hüttemann und Schauhoff unterbreitet (DStR 2019, Ziffer 4.4, S. 1606).
- § 4 Nr. 21 Buchstabe a UStG (Art. 10, Weitere Änderung des UStG)
Der § 4 Nr. 21 UStG setzt nach der Gesetzesbegründung die Terminologie des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i und j MwStSystRL unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung um. Der § 4 Nr. 22 Buchstabe a UStG entfällt künftig, da die Vorschrift nach der Gesetzesbegründung in der Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG aufgehen soll.
Zunächst dürfen wir darauf aufmerksam machen, dass nach der Rechtsliteratur eine richtlinienwidrige Umsetzung dieser Vorschrift in nationales Recht nicht erkennbar ist (Schwarz/Widmann/Radeisen, Kommentar zum UStG, TZ 7 zu § 4 Nr. 22a UStG). Daher besteht kein Erfordernis, § 4 Nr. 22a UStG zu streichen und ihn in § 4 Nr. 21 UStG aufgehen zu lassen. Aus unserer Sicht gibt es dagegen gewichtige Argumente, die bisherige Regelung beizubehalten.
Die amtlich anerkannten Verbände der Freien Wohlfahrtspflege führen u.a. satzungsgemäß Fortbildungsmaßnahmen durch, die in einem großen Umfang bislang gem. § 4 Nr. 22 a UStG von der Umsatzsteuer befreit sind. Wir haben die große Sorge, dass nach dem neuen Gesetzeswortlaut künftig ein großer Teil der Leistungen nicht mehr von der Umsatzsteuer befreit sein wird, so dass auf die Teilnehmer Kostenerhöhungen zukommen werden. Daher empfehlen wir, den richtlinienkonformen § 4 Nr. 22 a UStG in seinem Wortlaut zu erhalten.
Unsere Bedenken hinsichtlich einer deutlichen Einschränkung der bisher geltenden Steuerbefreiung begründen wir wie folgt: Die Wohlfahrtsverbände haben ein sehr vielfältiges Bildungsangebot, das u.a. die Berufsausbildung (z.B. Ausbildung zum Notfallsanitäter), die ehrenamtliche Tätigkeit (z.B. Ausbildung Ehrenamtlicher zur qualifizierten Begleitung kranker und alter Menschen), die Durchführung von Seminaren im Rahmen der Inlandsfreiwilligendienste (FSJ, BFD) oder den Erwerb von Kenntnissen „lebensrettender Sofortmaßnahmen“ zum Erwerb eines Pkw-Führerscheins zum Gegenstand hat. Zudem führen die Wohlfahrtsverbände ihre Bildungsangebote in einer Vielzahl verschiedener Einrichtungen durch, die nicht zwingend in ihrer Gesamtheit auf die Aus- und Fortbildung ausgerichtet sind, da sie auch andere Leistungen, wie z.B. den häuslichen Pflegdienst, den Rettungsdienst oder den Hausnotrufdienst erbringen.
Nach dem neuen Gesetzeswortlaut bestehen u.E. große Zweifel, ob z.B. das Bildungsangebot für Ehrenamtliche, sofern hierfür keine mehrtätigen Seminare erforderlich sind, z.B. in Form eintägiger Workshops, oder die Ausbildung im Rahmen der „lebensrettenden Sofortmaßnahmen am Unfallort“ zum Erwerb eines Pkw-Führerscheins, unter die Befreiungsvorschrift nach dem neuen § 4 Nr. 21 Buchstabe a UStG fallen. Bislang fielen die genannten Angebote unzweifelhaft unter den Begriff der Veranstaltungen belehrender Art gem. § 4 Nr. 22 Buchstabe a UStG, so dass diese steuerbefreit waren. Nach dem bisherigen § 4 Nr. 22 Buchstabe a UStG waren als Vortrag belehrender Art viele weitere Angebote an die Klient/innen der Freien Wohlfahrtspflege umsatzsteuerbefreit, beispielsweise niedrigschwellige Vortragsreihen und Schulungsmaßnahmen in Krankenhäusern (z.B. zur Diabetes-Behandlung) sowie Vorträge und Bildungsmaßnahmen in Seniorenbegegnungsstätten und Alten- und Pflegeeinrichtungen (z.B. Malkurse). Eine auf eine Berufsausübung gerichtete Aus- und Weiterbildung ist hiermit nicht verbunden, die Angebote dienen vielmehr der Information, der Freizeitgestaltung und sozialen Teilhabe hilfebedürftiger Menschen. Unsere Bedenken betreffen weitere Seminarangebote, wie die Durchführung von Seminaren der Inlandsfreiwilligendienste, die ihre Teilnehmer nicht zwingend auf einen Beruf vorbereiten, sondern der Selbstreflektion der Teilnehmer und der Vorbereitung auf die Tätigkeit in den Einrichtungen dienen sollen. Nach Streichung des § 4 Nr. 22a UStG würden diese Angebote zukünftig der Umsatzsteuer unterliegen, was diese sinnvollen Angebote zusätzlich verteuern würde.
Ferner bestehen u. E. erhebliche Bedenken, ob die bisherigen Träger der beruflichen Fortbildung auch weiterhin von der Umsatzsteuer befreit sind, da private Einrichtungen nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a, Satz 3 UStG „in ihrer Gesamtheit darauf ausgerichtet“ sein müssen, „Kenntnisse oder Fähigkeiten zu vermitteln, die geeignet sind, einen Schul- oder Hochschulabschluss oder einen Berufsabschluss zu erwerben oder berufliche Kenntnisse durch Fortbildung zu erhalten oder zu erweitern.“ Sie engen mit dem zitierten Satz 3 den Kreis der privaten Einrichtungen über den Gesetzestext von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL hinaus so weit ein, dass nach unserer Auffassung streitig sein dürfte, ob viele Einrichtungen, die bislang nach § 4 Nr. 22 Buchstabe a UStG befreit waren, auch künftig befreit sein werden. Dies dürfte z.B. für gemeinnützige Einrichtungen gelten, die u.a. bislang umsatzsteuerfreie Kurse für Sofortmaßnahmen am Unfallort anbieten, daneben aber auch z.B. ein Altenheim und/oder einen Rettungsdienst betreiben, da diese nicht in ihrer Gesamtheit Bildungsleistungen anbieten, sondern dies nur ein Teilbereich von mehreren ist. Insbesondere im Hochschulbereich werden z.B. Tutoren- und Betreuungsprogramme für ausländische Studierende oder Studierende mit Behinderung oder zur Steigerung der Studienkompetenz von sonstigen Trägern, wie z.B. den Studentenwerken in Abstimmung mit den Hochschulen realisiert. Mit der vorliegenden Regelung würden juristische Personen des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts, die zwar keine Bildungseinrichtung im engeren Sinne sind, aber die soziale Unterstützung der Lernenden übernommen haben und für ein erfolgreiches Studium oder einen erfolgreichen Schulabschluss unerlässlich sind, steuerlich benachteiligt werden. Es wird somit nicht berücksichtigt, dass bildungsunterstützende Angebote häufig gerade nicht von einer Bildungseinrichtung im engeren Sinne erbracht werden.
Wir interpretieren die Rechtsprechung des EuGH nicht in der Schärfe, wie sie von Ihnen in Satz 3 zum Ausdruck gebracht wird. Zwar können nach der EuGH-Rechtsprechung nicht sämtliche Bildungsleistungen einer privaten Einrichtung, unabhängig von ihrer Zielsetzung, von der Umsatzsteuer befreit werden. Gemäß dem EuGH-Urteil vom 28.11.2013, C-319/12, TZ 37, haben die Mitgliedstaaten aber einen Ermessenspielraum in der Anerkennung der Bildungseinrichtungen als von der Umsatzsteuer befreite Leistungserbringer. Wir empfehlen daher, diesen Spielraum zugunsten der Bildungsanbieter zu nutzen, z.B. durch das Beibehalten eines Bescheinigungsverfahrens in der bisherigen Form. Dies führt zwar zu einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand, gibt aber Rechtssicherheit und vermeidet viele Auseinandersetzungen darüber, ob die von Ihnen definierten Kriterien erfüllt werden. Die Alternative, die Bildungsleistungen in eigens dafür errichtete Gesellschaften auszugliedern, dürfte für viele Anbieter aus Kostengründen nicht in Betracht kommen, so dass nur der Weg einer Kostenerhöhung für die TeilnehmerInnen bleibt.
Eine Beibehaltung des bisherigen Bescheinigungsverfahrens würde auch die bisher nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG zulässige Umsatzsteuerbefreiung für selbständige DozentInnen erleichtern. Nach unserem Verständnis der Gesetzesbegründung sollen die selbständigen Dozent*innen unserer Fortbildungseinrichtungen weiterhin ihre Rechnungen umsatzsteuerfrei ausstellen können. Bisher lag hier eine Bescheinigung der zuständigen Behörden vor, dass die Einrichtung der beruflichen Fortbildung dient. Auch wenn die Bescheinigung nicht den Charakter eines Grundlagenbescheids hatte, haben sich die Finanzverwaltungen in der Regel sowohl bei der Veranlagung der Fortbildungseinrichtung als auch bei den selbständigen DozentInnen an dieser Bescheinigung orientiert. Entfällt diese zukünftig, dann befürchten wir hier zunehmende Anfragen – insbesondere bei DozentInnen aus anderen Bundesländern - und zusätzliche steuerliche Risiken.
Ergänzend weisen wir darauf hin, dass bislang gem. § 4 Nr. 23 UStG die Kosten für die Beherbergung und Beköstigung etc., die im Rahmen von Erziehungs-, Ausbildungs- oder Erziehungszwecken von Jugendlichen anfielen, von der Umsatzsteuer befreit waren. Nach der Gesetzesbegründung zur Neuformulierung von § 4 Nr. 23 UStG wird darauf verwiesen, dass die Befreiung der Aus- und Fortbildung etc. von Jugendlichen nunmehr von § 4 Nr. 21 UStG erfasst wird. Sofern die Bildungsleistungen der Träger nicht mehr von der Umsatzsteuer befreit werden, entfällt auch die Befreiung der Beköstigung etc. als eng verbundener Umsatz. Sofern die Bildungseinrichtungen die Umsatzsteuerbefreiung verlieren, führt die Neuformulierung des § 4 Nr. 23 UStG zu einer weiteren erheblichen Kostenbelastung in den Bildungseinrichtungen, die Jugendliche beköstigen und beherbergen bzw. zu einer Kostenerhöhung für die TeilnehmerInnen.
Hinsichtlich der Voraussetzungen gem. § 4 Nr. 21 Buchstabe a, Satz 7 UStG (systematische Gewinnerzielung und Gewinnverwendung), verweisen wir auf unsere Ausführungen zu § 4 Nr. 18 UStG.
Eine Steuerbefreiung für Vorträge belehrender Art nach § 4 Nr. 18 UStG scheint uns nach der neuen Formulierung dieser Vorschrift schwierig, zur Begründung verweisen wir auf die hierzu erfolgten Ausführungen. Hinzu kommt, dass eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand mit sich bringen würde, da hier für die TeilnehmerInnen nachgewiesen werden müsste, dass die Teilnahme an der Veranstaltung auch im Einzelfall eng mit der Sozialfürsorge verbunden ist. Bei der bisherigen Qualifizierung als Vortrag belehrender Art, war dieser Aufwand nicht erforderlich.
Im Ergebnis empfehlen wir daher, den bisherigen § 4 Nr. 22 Buchstabe a UStG beizubehalten, um eine drohende Verteuerung unserer Leistungen für die Teilnehmenden zu vermeiden. Alternativ schlagen wir vor, die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung von Bildungseinrichtungen deutlich zu entschärfen, indem z.B. wieder der Begriff der Veranstaltung belehrender Art verwendet wird, und Auffangtatbestände wie das genannte Bescheinigungsverfahren in den Gesetzestext aufzunehmen.
4. § 4 Nr. 23 UStG (Art. 9, Weitere Änderung des UStG)
Wir verweisen hier auf die Ausführungen zu § 4 Nr. 21 Buchstabe a UStG.
Die geplante Regelung des § 4 Nr. 23 Buchst. c UStG wird ausdrücklich begrüßt. Die Sicherstellung einer ausgewogenen, gesunden Verpflegung von Kindern und jungen Erwachsenen im Rahmen der Schul- und Hochschulausbildung ist unerlässlich und fördert den Bildungserfolg. Es wird angeregt, in die Begründung klarstellend aufzunehmen, dass auch die Verpflegung in Hochschulen privater oder kirchlicher Träger, die in den Landeshochschulgesetzen staatlich anerkannt sind, von der Umsatzsteuerbefreiung erfasst werden.
Hinsichtlich unserer Bedenken gegen die Voraussetzungen gem. § 4 Nr. 23 Buchstabe a UStG (systematische Gewinnerzielung und Gewinnverwendung) verweisen wir auf unsere Ausführungen zu § 4 Nr. 18 UStG und empfehlen, auf die Gemeinnützigkeit der Anbieter i.S.v. §§ 51 ff. AO zu verweisen.
- § 4 Nr. 25 UStG (Art. 9, Weitere Änderung des UStG)
Der Gesetzesentwurf sieht vor, in § 4 Nr. 25, Satz 2, Buchstabe a UStG die Wörter „sowie die amtlich anerkannten Verbände der Freien Wohlfahrtspflege“ zu streichen. In der Gesetzesbegründung wird dies als „Folgeänderung auf Grund der Aufhebung des § 23 UStDV“ bezeichnet.
Unter unseren Ausführungen zu § 4 Nr. 18 UStG haben wir dazu aufgefordert, die amtlich anerkannten Verbände der Freien Wohlfahrtspflege unverändert als begünstigte Einrichtungen aufzuführen. Sollten Sie unserer Anregung nicht folgen, schlagen wir vor, § 23 UStDV zu belassen und in der Überschrift zu § 23 UStDV die Nr. 18 durch die Nr. 25 zu ersetzen.
Die Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendbetreuung von steuerbegünstigten Körperschaften sind so vielfältig und allesamt förderungswürdig, dass nicht jedem steuerbegünstigten Träger der Freien Wohlfahrtspflege der Status eines Trägers der freien Jugendhilfe zuerkannt wird bzw. werden kann.
- § 4 Nr. 29 UStG (Art. 9, Weitere Änderung des UStG)
Die Neuformulierung des § 4 Nr. 29 UStG entspricht einer seit vielen Jahren von der Freien Wohlfahrtspflege vorgetragenen Forderung nach der Umsetzung der Steuerbefreiung gem. Art. 132 Abs. 1 Buchstabe f MwStSystRL in nationales Recht und wird deshalb von uns sehr begrüßt.
In der Gesetzesbegründung wird darauf verwiesen, dass ein pauschaler Kostenaufschlag schädlich ist. Gemeint ist nach unserem Verständnis ein Gewinnaufschlag, da sämtliche Kosten, incl. der anteiligen Verwaltungskosten, zu den Selbstkosten gehören. Dies sollte in der Gesetzesbegründung klargestellt werden.
Nach der Gesetzesbegründung sollen Tätigkeiten, die lediglich mittelbar der Ausführung von nicht steuerbaren oder steuerfreien Umsätzen der Mitglieder dienen oder von den Mitgliedern für solche bezogen werden (z.B. allgemeine Verwaltungsdienstleistungen) nicht unter die neue Befreiungsnorm fallen. Diese Einschränkung darf nicht zu eng gefasst werden. So fordert beispielsweise die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft eine Neuausrichtung der Beratungsangebote der Freien Wohlfahrtspflege. In einer zunehmend mobilen Gesellschaft verändern sich auch die Anforderungen an die soziale Infrastruktur. Mit bestehenden dezentralen Beratungsangeboten werden nicht mehr alle Hilfesuchenden erreicht. Es müssen deshalb zunehmend digitale Beratungsformate angeboten werden, um die Hilfesuchenden auch tatsächlich in ihrer Lebenswelt mit ihren Medien zu erreichen und ihnen eine nutzerfreundliche, qualitäts- und datensichere Unterstützung anzubieten. Die hierfür erforderliche Infrastruktur kann nicht von einzelnen Trägern allein bereitgestellt werden, vielmehr sind größere Verbünde und Zusammenschlüsse notwendig. Die hierbei umgelegten Kosten sind jedoch nicht dem Bereich der allgemeinen Verwaltung zuzurechnen, sondern die bereitgestellte Infrastruktur dient unmittelbar der Ausführung der nichtsteuerbaren oder steuerbefreiten Umsätze. Auch hier wäre eine entsprechende Klarstellung in der Gesetzesbegründung sowie im Umsatzsteuer-Anwendungserlass hilfreich.
Zu dem Kreis der Mitglieder gehören nach unserem Verständnis ferner auch sogenannte korporative Mitglieder, d.h. Mitglieder, die kein Stimmrecht haben. Dies wurde verschiedentlich von der Finanzverwaltung bestätigt. Daher bitten wir Sie, dies klarstellend in der Gesetzesbegründung oder im UStAE zu erwähnen.
Berlin, 19.09.2019
undesarbeitsgemeinschaft
der Freien Wohlfahrtspflege e. V.
Dr. Gerhard Timm
Geschäftsführer
Kontakt:
Annette Schneider (schneida@drk.de)