Stellungnahme der BAGFW zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung

Die Stellungnahme BAGFW bezieht sich genau auf folgende Sachverhalte: Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG) vom 23.04.2012/ Drucksache 17/9369 und zu den Änderungsanträgen 2 und 3 der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversiche-rung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG) BT-Ausschussdrucksache 17(14)0269

Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW)zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG) vom 23.04.2012/ Drucksache 17/9369 und zu den Änderungsanträgen 2 und 3 der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversiche-rung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG) BT-Ausschussdrucksache 17(14)0269

Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff
Seit der Einführung der Pflegeversicherung stehen der im Gesetz hinterlegte Pflegebedürftigkeitsbegriff und das darauf basierende Begutachtungsverfahren in der Kritik. Mit der engen, verrichtungsbezogenen und einseitig somatischen Definition der Pflegebedürftigkeit im SGB XI würden zentrale Lebensbereiche und Aktivitäten, die Bedürfnisse und Bedarfe nach Zuwendung, Beaufsichtigung, Kommunikation und sozialer Teilhabe ausgeblendet werden. Auch wären Menschen mit kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen, hier insbesondere demenziell erkrankte Menschen, von den Leistungen der Pflegeversicherung ausgeschlossen bzw. würden nur eine nied-rige Pflegestufe zuerkannt bekommen, auch wenn die Notwendigkeit einer umfänglichen Beaufsichtigung und Betreuung dieser Menschen offensichtlich sei. Des Weiteren fallen pflegebedürftige Kinder oder Menschen mit Behinderung – sofern sie nicht körperlich, sondern „nur“ geistig beeinträchtigt sind – durchs Raster und erhalten mitunter überhaupt keine Leistungen aus der Pflegeversicherung.

Vor diesem Hintergrund wurde von der letzten Bundesregierung im Koalitionsvertrag vom 11.11.2005  festgelegt, dass mittelfristig eine Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbe-griffs vorbereitet werden soll. Im November 2006 wurde vom Bundesministerium für Ge-sundheit (BMG) der Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs einberufen. Aufgabe des Beirates war es, einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff zu formulieren, welcher auf einem neuen, bundesweit einheitlichen und reliablen Begutachtungsinstrument zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI aufbaut. Mit dem im Januar 2009 dem BMG überreichten Abschlussbericht legte der Beirat konzeptionelle Überlegungen zur Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines neuen, bundesweit einheitlichen und reliablen Begutachtungsinstruments zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vor. Der erarbeitete Vorschlag für einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren zeigte der Politik aus Sicht des Beirates Handlungsoptionen für die Weiterentwicklung der Pflege auf, in deren Mittelpunkt mehr Selbständigkeit und Teilhabe steht. In dem im Mai 2009 vorgelegten Umsetzungsbericht des Beirates zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs unterbreitete der Beirat in Beantwortung weiterführender Fragestellungen des BMG mögliche Strategien und konkrete Umsetzungsschritte zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsverfahrens in das SGB XI. In dem Bericht wurden mögliche Alternativen bewertet, um auf dieser Grundlage entsprechende Empfehlungen für weitere Instrumente und Verfahren zur Umsetzung der Vorschläge des Beirates aus dem Bericht des Beirates zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs formulieren zu können bzw. die Politik in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen. Für die Strukturen und Instrumente zur Implementierung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsverfahrens wurden mehrere Szenarien mit mehreren Einzelberechnungen vorgelegt. Seitdem gibt es einen breiten gesellschaftlichen Konsens, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff in der Sozialen Pflegeversicherung einzuführen. Offen sind weniger die technischen Fragen der Einführung als vielmehr die politischen Weichenstellungen zur Umsetzung.

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vom 26.10.2009 die Diskussion um den Pflegebedürftigkeitsbegriff aufgegriffen und dargelegt, dass sie eine neue, differenziertere Definition der Pflegebedürftigkeit und damit mehr Leistungsgerechtigkeit in der Pflegeversicherung schaffen wolle. Vor diesem Hintergrund ist der nun vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG) enttäuschend. Die verbesserten Pflegeleistungen für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (§ 123 PNG) sowie die Regelungen zur häuslichen Betreuung (§ 124 PNG) sind als Übergangsregelungen bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes, das die Leistungsgewährung aufgrund eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines entsprechenden Begutachtungsverfahrens regelt, konzipiert. Einen Ansatz zu den offenen politischen Fragestellungen zur Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs bleibt der Gesetzentwurf schuldig. Die konkreten Aufgaben des in der Begründung beschriebenen und zwischenzeitlich zum 01.03.2012 eingesetzten Expertenbeirats bleiben unklar, ebenso wie eine zeitliche Agenda einer möglichen Umsetzung.

Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) kooperierenden Verbände fordern daher die Bundesregierung auf, die dringenden politischen Weichenstellungen für die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs anzugehen und einen verbindlichen politischen und zeitlichen Rahmen für die Umsetzung zu schaffen.
 

Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste (§ 53a Satz 1 Nr. 4 SGB XI-Reg-E)

Gesetzentwurf
Mit der Einfügung der Wörter „zur Qualitätssicherung der Qualitätsprüfungen“ wird der Spitzenverband Bund der Pflegekassen ermächtigt, auch hierzu Richtlinien zu erlassen.

Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) weist seit Jahren auf die Unzulänglichkeiten der Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes über die Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114 SGB XI (Qualitätsprüfungs-Richtlinien – QPR), insbesondere die fehlende Qualitätssicherung der Prüfungen der Medizinischen Dienste in den Pflegeeinrichtungen, hin. Diese sind auch wissenschaftlich belegt. Die bestehenden und fortwährenden Mängel haben dazu geführt, dass die Qualitätsprüfberichte und seit 2009 auch die veröffentlichten Ergebnisse der MDK-Prüfungen nach § 115 Abs.1a SGB XI viele subjektive Wertungen enthalten. Sowohl die Vergleichbarkeit der MDK-Prüfungen untereinander als auch die Vergleichbarkeit der gemäß § 115 Abs. 1a Satz 1 SGB XI zu veröffentlichenden Prüfergebnisse ist somit nicht gewährleistet. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege fordern darum seit langem die Einführung einer Qualitätssicherung der Qualitätsprüfungen der Medizinischen Dienste, welche dem allgemeinen Stand im Qualitäts- und Prüfwesen entspricht und wie sie auch von den geprüften Einrichtungen erwartet wird. Mit der nun vorgeschlagenen Ergänzung wird eine Rechtsgrundlage für die Verabschiedung von Richtlinien zur Qualitätssicherung der Qualitätsprüfungen nach den §§ 114 ff. SGB XI durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen geschaffen. Diese Klarstellung wird von der BAGFW begrüßt.

Neben der Richtlinienkompetenz sollte auch ein Beteiligungsrecht für die in § 114a  Abs. 7 SGB XI zu beteiligenden Organisationen und Verbände implementiert werden.

Änderungsvorschlag
In § 53a ist nach Satz 1 folgender Satz 2 einzufügen:

„Er hat die Bundesverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die Bundesverbände privater Alten- und Pflegeheime, die Verbände der privaten ambulanten Dienste, die Bundesver-bände der Pflegeberufe, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, den Verband der priva-ten Krankenversicherung e. V., die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene sowie die maßgebli-chen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen zu beteiligen.“

Refinanzierung von Investitionskosten in Pflegeeinrichtungen (§ 82 Abs.3 SGB XI)
- Konsequenzen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vom 08.09.2011


Die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.09.2011 (Aktenzeichen B 3 P 4/10 R; B 3 P 2/11 R; B 3 P 3/11 R; B 3 P 6/10 R) erfordern eine Reform des § 82 SGB XI, um eine gerechte Lastenverteilung unter den Pflegebedürftigen, einen fairen Wettbewerb unter den Pflegeeinrichtungen und die Versorgungssicherheit in der Pflege zu wahren.


Ausgangslage
Nach der vorbezeichneten Rechtsprechung verstößt die derzeitige Finanzierungspraxis bezüglich der Investitionskosten geförderter Pflegeeinrichtungen gegen die Vorgaben des § 82 Abs. 3 SGB XI. Derzeit legen die Pflegeeinrichtungen ihre betriebsnotwendigen Investitionskosten pauschaliert auf die jeweils versorgten Pflegebedürftigen (Bewoh-ner/innen) um. Berechnungsgrundlagen sind hierbei nach dem jeweiligen Landesrecht regelmäßig die Abschreibungen und der prospektiv berechnete Aufwand für die künftige Instandsetzung, Instandhaltung und Wiederbeschaffung von Anlagegütern für eine be-stimmte Laufzeit (in der Regel 25 bzw. 50 Jahre). Hierbei werden die anerkennungsfähi-gen Baukosten, einschließlich der Kapitalkosten (Fremdkapital- und kalkulatorische Eigenkapitalzinsen) berücksichtigt und die öffentliche Förderung abgezogen. § 82 Abs. 3 SGB XI verbietet jedoch – so das BSG – nach Wortlaut („Aufwendungen“, „gesondert be-rechnen“), Systematik und Historie bereits im Grundsatz jegliche prospektive und pau-schalierte Berechnung. Zulässig sei die Umlage von Investitionskosten nur rückwirkend in der bereits tatsächlich angefallenen Höhe. Die grundsätzlich schutzwürdige kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung könne und müsse in der Vergütung nach § 82 Abs. 1 SGB XI erfolgen. Hingegen sei aber die Finanzierung von Rücklagen für künftige Instandsetzung, Instandhaltung und Wiederbeschaffung wegen des § 82 Abs. 2 SGB XI ausgeschlossen. (Entsprechendes könnte möglicherweise auch für nicht geförderte Pflegeeinrichtungen gelten.) Zudem meint das BSG, dass bei geförderten Pflegeeinrichtungen die Zustimmung der zuständigen Landesbehörde zur Berechnung des Umlagebetrages in aller Regel jährlich erfolgen muss. Alle entgegenstehenden landesrechtlichen und vertraglichen Grundlagen müssen bis Ende 2012 angepasst werden.

Bewertung
Die neue Rechtsprechung des BSG führt zu einer für die Pflegebedürftigen, Einrichtungen und Landesbehörden kaum tragbaren Änderung der Finanzierungspraxis. Sie gefährdet den Erhalt der Pflegeinfrastruktur und verursacht zahlreiche Wertungswidersprüche in der Entgeltsystematik des Sozialgesetzbuches, was die Handhabung und Transparenz für alle Betroffenen beeinträchtigt.

Bei der vom BSG geforderten jährlichen Spitzabrechnung ist die bisher relativ gleichmäßige Verteilung der Investitionskosten über die gesamte Abschreibungsdauer einer Einrichtung auf alle Bewohner/innen bzw. deren Kostenträger nicht mehr möglich. Vielmehr werden diejenigen Bewohner/innen mit überproportional hohen Umlagen überzogen, die gerade zu dem Zeitpunkt in der Einrichtung leben, in der größere Instandsetzungen und Instandhaltungen durchgeführt werden. Diese Kostenbelastung für die Bewohner/innen ist im Voraus nicht kalkulierbar. Einrichtungen werden bei hochschnellenden Umlagebeträgen wegen durchgeführter Instandhaltungen und Instandsetzungen Schwierigkeiten haben, freie Plätze wieder zu belegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Sozialhilfeträger bei der Entscheidung über die Belegung Kostenargumente einwenden kann. Überdies müssten sie jährlich Entgelterhöhungen gegenüber den Bewohner/innen unter Beachtung des Verfahrens nach § 9 WBVG durchführen. Das bedingt Wettbewerbsnachteile investierender Einrichtungen.

Das Verbot der Rücklagenbildung verteuert und erschwert Investitionen. Einrichtungen werden hierdurch gezwungen, das volle Risiko der Vorfinanzierung für Instandhaltungen und Instandsetzungen zu tragen. Insoweit anfallende Fremdkapitalkosten erhöhen die Umlage für die Pflegebedürftigen.

Die BSG-Rechtsprechung hat zwei mögliche Konsequenzen. Entweder werden die not-wendigen Investitionen nicht mehr durchgeführt, was die Erhaltung der notwendigen Pflegeinfrastruktur gefährden würde. Dies gilt umso mehr, als die Länder ihrer in § 9 SGB XI enthaltenen Strukturverantwortung kaum nachkommen. Oder die Eigen-tumseinrichtungen werden in Investoren-Betreiber-Modelle umgewandelt. Mieten können hier umfassend umgelegt werden. Dabei dürfen alle betriebswirtschaftlich relevanten Kosten des Vermieters in der Miete enthalten sein, auch eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals und kalkulatorische Kosten zur Rücklagenbildung. Wenn Eigentumseinrichtungen zu Investor-Betreiber-Modellen übergehen, ist langfristig zu Lasten der Pflegebedürftigen mit einem Anstieg der Investitionskosten zu rechnen, da hier neben der Deckung der Investitionskosten zusätzlich die Renditeerwartungen der Investoren erfüllt werden müssen.

Des Weiteren würde mit einer Änderung der Finanzierungspraxis unter anderem folgender Wertungswiderspruch einhergehen: Wenn Eigenkapitalzinsen von Eigentumseinrichtungen von nun an nach § 82 Abs. 1 SGB XI verhandelt werden, Eigenkapitalzinsen des Vermieters bei Mietmodellen jedoch weiterhin über die Miete nach § 82 Abs. 3 SGB XI umgelegt werden, entstehen Verschiebungen in der Verteilung der Kosten auf die Positionen Unterkunft und Investitionskosten zwischen den verschiedenen Einrichtungsmodellen. Intransparenz für die Verbraucher ist die Folge.

Schließlich sei im Zusammenhang mit dem immensen bürokratischen Aufwand, der mit den jährlichen Zustimmungsverfahren und der Änderung aller landesrechtlichen Grundlagen verbunden wäre, darauf hingewiesen, dass auch die einzelnen Vergütungsvereinbarungen von allen betroffenen Einrichtungen (gegebenenfalls in Ein-zelverhandlungen) mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern neu zu verhandeln wären, wenn die Eigenkapitalzinsen nun Teil der Vergütung nach § 82 Abs. 1 SGB XI sein sollen. Einen finanziellen Nutzen für die Pflegebedürftigen hätte das freilich nicht, da wegen der Deckelung der Pflegesätze die Eigenkapitalzinsen auch weiterhin den Pflegebedürftigen bzw. deren Sozialhilfeträgern zur Last fallen würden.

Wir halten deshalb eine Änderung des § 82 SGB XI dahingehend für geboten, dass fol-gende Ziele auf Landesebene erreicht werden können:

  • Sicherstellung der prospektiven bzw. pauschalen Berechnung von Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten sowie von Investitionsaufwendungen im Allgemeinen in auskömmlicher Höhe, also unter Berücksichtigung aller aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendigen Kostenbestandteile, einschließlich von Eigenkapitalzinse
  • Zustimmungsbescheide mit Laufzeiten von über einem Jahr
  • Gleichbehandlung von Eigentums-, Miet- und Pachtmodellen sowie von SGB XI- und SGB XII-Einrichtungen


Änderungsvorschlag
Diese Zielsetzung könnte durch folgende Änderung des § 82 Abs. 3 und 4 SGB XI – in Anlehnung an den bewährten § 76 Abs. 2 SGB XII – erreicht werden:

Absatz 3 soll künftig lauten: „Pflegeeinrichtungen, die gemäß § 9 oder durch Darlehen
oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse des Landes gefördert werden, können einen Be-trag für die betriebsnotwendigen Investitionen nach Absatz 2 Nummer 1, für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder für sonstige abschreibungsfähige Anla-gegüter nach Absatz 2 Nummer 3 und Eigenkapitalzinsen auf die Pflegebedürftigen umlegen (Investitionsbetrag). Die Förderungen sind anzurechnen. Die Umlage des Investitionsbetrages bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde; das Nähere hierzu, insbesondere auch zu Art, Höhe und Laufzeit wird durch Landesrecht bestimmt. Im Rahmen der Berechnung des Investitionsbetrages können kalkulatorische Beträge und Wagniszuschläge pauschal berücksichtigt werden. Der Auslastungsgrad kann pauschal bestimmt werden.“

Absatz 4 soll lauten: „Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, können einen Betrag für ihre betriebsnotwendigen Investitionen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde auf die Pflegebedürftigen umlegen. Die Umlage des Investitionsbetrages ist der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen.“

Der vorstehende Änderungsvorschlag wird auch eine redaktionelle Anpassung des § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII nach sich ziehen.
 

Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität (§ 113 Abs. 1 Satz 2 SGB XI-Reg-E)

Gesetzentwurf
In § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB XI-Reg-E wird eine Klarstellung zum Inkrafttreten im Zusam-menhang mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger durch die Einfügung des Halbsatzes „und gelten vom ersten Tag des auf die Veröffentlichung folgenden Monats.“ vorgenommen. Des Weiteren wird ein dauerhafter Konfliktlösungsmechanismus bei der Weiterentwicklung der Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität nach § 113 SGB XI etabliert. Das Datum des 31. März 2009 wird durch die Wörter „innerhalb von sechs Monaten, nachdem eine Vertragspartei schriftlich zu Verhandlungen aufgefordert hat“ entsprechend ersetzt.

Bewertung
Die durch die Ergänzung erfolgte Klarstellung zum Inkrafttreten der Grundsätze und Maßstäbe im Zusammenhang mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger wird von der BAGFW begrüßt. Die geplante Neuregelung entspricht dem Vorschlag der Stellungnah-me der BAGFW zum Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Krankenhaushygiene und zur Änderung weiterer Gesetze“.
 

Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität (§ 113 Abs. 1 SGB XI) - Änderungsantrag 2 der Koalitionsparteien - BT-Ausschuss-drucksache 17(14)0269

Antrag
Die im Änderungsantrag 2 in § 113 Abs. 1 Ziff. 4 vorgesehene Ergänzung erweitert die Regelungsinhalte, die durch die Partner der Selbstverwaltung in den Maßstäben und Grundsätzen für die Qualität und die Qualitätssicherung in der stationären Pflege zu ver-einbaren sind. Die Vertragspartner werden verpflichtet, in den Maßstäben und Grundsät-zen für die Qualität und die Qualitätssicherung Anforderungen an ein indikatorengestütztes Verfahren zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität zu vereinbaren.

Bewertung
Eine gesetzliche Regelung zur Umsetzung der Ergebnisse des Forschungsprojekts „Ent-wicklung und Erprobung von Instrumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe“ wird begrüßt. Die Umsetzung der Forschungsergebnisse trägt zu einer besseren Verbraucherinformation bei. Mit der Fokussierung auf Lebens- und Ergebnisqualität gelingt es, die für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen relevanten Informationen vergleichbar darzustellen. Wenn das neue Verfahren die jetzigen in der Pflege-Transparenzvereinbarung stationär vereinbarten Regelungen zur Transparenzberichterstattung ablöst, reduziert ein indikatorengestütztes Verfahren zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität den bürokratischen Auf-wand für die Einrichtungen.
Festzustellen ist, dass zwar in der Begründung zum Antragstext auf die Qualitätsberichterstattung des § 115 Abs. 1a SGB XI verwiesen, sich aber keine explizite Verknüpfung zwischen dem indikatorengestützten Verfahren zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität und der in § 115 Abs. 1a SGB XI geregelten Transparenzberichterstattung findet. Als Adressaten der Ergebnisse werden in der Antragsbegründung des indikatorengestützten Verfahrens die Qualitätsberichterstat-tung und die Qualitätsprüfungs-Richtlinien gemäß § 114a Absatz 7 SGB XI genannt, ohne dies näher zu präzisieren.

Änderungsvorschlag
Zu Klarstellung hält es die BAGFW für erforderlich, das indikatorengestützte Verfahren zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität in § 115 Abs. 1a SGB XI und § 114a  Abs. 7 SGB XI zu integrieren.

In § 115 Abs. 1a SGB XI sind die Vertragspartner zur Vereinbarung eines indikatorenge-stützten Verfahrens zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität als Grundlage der Pflege-Transparenzberichterstattung für stationäre Einrichtungen zu verpflichten. Um eine zusätzliche Bürokratisierung zu vermeiden, sollte die neue Vereinbarung an die Stelle der gegenwärtigen Pflege-Transparenzvereinbarung stationär treten.
In § 114a  Abs. 7 SGB XI ist zu regeln, dass die Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) die Ergebnisse des indikatorengestützten Verfahrens zur vergleichenden Messung und Dar-stellung von Ergebnisqualität berücksichtigen sollen und Prüfungen des gleichen Sachverhalts zu vermeiden sind.

Qualitätsprüfungen – Abstimmung Pflegekassen und Heimaufsicht (§ 114 Abs. 3 SGB XI-Reg-E)

Gesetzentwurf
In der Neufassung von § 114 Abs. 3 SGB XI werden die Landesverbände der Pflegekas-sen verpflichtet, im Rahmen der Zusammenarbeit mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden (§ 117 SGB XI) vor einer Regelprüfung insbesondere zu erfragen, ob Qualitätsanforderungen nach dem SGB XI und den auf seiner Grundlage abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarungen in einer Prüfung der nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörde oder in einem nach Landesrecht durchgeführten Prüfverfahren berücksichtigt worden sind. Um Doppelprüfungen zu vermeiden, haben die Landesverbände der Pflegekassen den Prüfumfang der Regelprüfung in angemessener Weise zu verringern, wenn die Prüfungen nicht länger als neun Monate zurückliegen, die Prüfergebnisse nach pfle-gefachlichen Kriterien den Ergebnissen einer Regelprüfung gleichwertig sind und die Veröffentlichung der von den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, gemäß § 115 Absatz 1a SGB XI gewährleistet ist. Die Pflegeeinrichtung kann verlangen, dass von einer Verringerung der Prüfpflicht abgesehen wird.

Bewertung
Die Neufassung des Abs. 3 im § 114 SGB XI soll laut Gesetzesbegründung der Entlas-tung der Prüfverfahren dienen. Die Konkretisierung der Regelung trage dazu bei, Synergieeffekte in operativer wie inhaltlicher Hinsicht stärker zu nutzen und die Pflegeeinrichtungen wirksamer vor nicht erforderlichen, belastenden Doppelprüfungen zu schützen. Aus Sicht der BAGFW wird mit der Neufassung des § 114 Abs. 3 SGB XI die grundsätzliche Problematik der Vermischung von Prüfinhalten nach dem Leistungsrecht der Pflegeversicherung und der heimrechtlichen Vorschriften in den Ländern nicht gerecht. Es ist festzustellen, dass sich weder die Prüfungen durch die Medizinischen Dienste noch durch die nach den heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden vermeiden lassen, da beide eine jeweils unterschiedliche Rechtsgrundlage, nämlich zum einen das Leistungsrecht und zum anderen das Ordnungsrecht, prüfen. Insofern ist bei der Vermeidung von Doppelprüfungen darauf abzustellen, dass von den unterschiedlichen Behörden nicht identische Inhalte geprüft werden und die jeweiligen Prüfungen ggf. an einem Tag gemeinsam erfolgen. Dies ist aus Sicht der BAGFW allerdings in § 117 SGB XI anstatt in § 114 SGB XI zu regeln.

Änderungsvorschlag
Die Änderungen in § 114 Abs. 3 SGB XI werden gestrichen.

Kosten der Wiederholungsprüfungen (§ 114 Abs. 5 Satz 4 SGB XI-Reg-E)

Gesetzentwurf
Mit der Ergänzung zu den Wiederholungsprüfungen soll klargestellt werden, dass nach
§ 114 Absatz 5 Satz 2 oder 3 lediglich tatsächlich angefallene Kosten der Wiederholungs-prüfung abgerechnet werden dürfen. Nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt ist die Gel-tendmachung von Pauschalen oder Durchschnittswerten oder von Verwaltungs- und Vorhaltekosten.

Bewertung
Seit der Einführung kostenpflichtiger Wiederholungsprüfungen im Pflege-Weiterent-wicklungsgesetz haben sich in der Praxis viele Probleme bzgl. der Kosten und Abrech-nung ergeben. Aufgrund fehlender gesetzlicher oder anderweitiger Konkretisierungen kam es zu großen länderspezifischen Variationen sowohl betreffend Erstattungsver-fahren als auch die Kosten der Wiederholungsprüfungen, die in einer Bandbreite zwischen ca. 500,00 € und 5.000,00 € je Wiederholungsprüfung schwankten. Der Medizinische Dienst des Spitzenverband Bund e. V. (MDS) hat die Kosten einer durchschnittlichen Qualitätsprüfung selbst mit 4.500,00 € beziffert. Dieser Kostensatz sowie dessen Berechnungsgrundlage kann jedoch angezweifelt werden. In einem Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24.01.2012 (AZ.: S 18 P 25/10) wurde bereits die Rechnung einer Wiederholungsprüfung in einem ambulanten Pflegedienst in Höhe von 1.258,80 € als zu hoch eingestuft.

Die BAGFW vertritt die Auffassung, dass die Kosten von durch die Pflegekassen beauf-tragten Wiederholungsprüfungen durch die Pflegekassen selbst zu tragen sind. Für alle anderen Wiederholungsprüfungen gilt das Nachfolgende: Der Versuch des Gesetzgebers, bisherige Lücken im Gesetz zu schließen und die daraus entstehenden Probleme in der Praxis zu lösen, wird von der BAGFW begrüßt. Es kann jedoch bezweifelt werden, dass allein das Verbot von Pauschalen und Durchschnittswerten sowie der Berechnung von Verwaltungs- und Vorhaltekosten ausreicht. Darüber hinaus wäre auch dringend ein generelles Verfahren zur Kostenerhebung sowie eine Berechnungsgrundlage oder Bezugsgröße für die Höhe der tatsächlich anfallenden Aufwendungen im Gesetz zu verankern. Die Forderung von Kosten gemäß § 114 Abs. 5 SGB XI ist ein Verwaltungsakt. Allerdings fehlt dem Verwaltungsakt die Ermächtigungsgrundlage, denn in § 114 Abs. 5 SGB XI sind die Landesverbände der Pflegekassen weder hinreichend zur Kostenerhebung ermächtigt, noch wurde eine Regelung zur Höhe der erstattungsfähigen Kosten geschaffen. Regelungstechnisch üblich und sinnvoll wäre ein neuer Satz 5.

Änderungsvorschlag
In § 114 Abs.5 ist Satz 5 wie folgt zu ergänzen:
„Die Kosten der Wiederholungsprüfung setzen die Landesverbände der Pflegekassen durch Bescheid fest. Die Höhe regelt eine Verordnung, welche die zuständige Aufsichts-behörde erlässt. Ist die Aufsichtsbehörde eine Behörde des Bundes, gilt im Übrigen das Verwaltungskostengesetz des Bundes, ist es eine Landesbehörde, gilt das jeweilige Lan-desverwaltungskostengesetz.“

Durchführung der Qualitätsprüfung - Verschiedene Informationsquellen (§ 114a Ab-satz 3 Satz 2 SGB XI) - Änderungsantrag 3 der Koalitionsparteien - BT-Ausschuss-drucksache 17(14)0269

Antrag
In § 114a Absatz 3 wird ein neuer Satz 2 eingefügt. Danach sind bei der Beurteilung der Pflegequalität die Pflegedokumentation, die Inaugenscheinnahme der Pflegebedürftigen und Befragungen der Beschäftigten der Pflegeeinrichtungen sowie der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und der vertretungsberechtigten Personen angemessen zu berücksichtigen. Dieses Vorgehen soll in der Weiterentwicklung und Anwendung der Qualitätsprüfungsrichtlinien nach § 114a sowie bei den Vereinbarungen nach § 115 Absatz 1a Berücksichtigung finden.

Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt diesen Änderungs-antrag. Durch dieses Vorgehen der sogenannten Daten-Triangulation werden die aus den Inaugenscheinnahmen des pflegebedürftigen Menschen, der Pflegedokumentationen und den Befragungen der Mitarbeiter/innen der Einrichtungen und Dienste, der Heimbewohner/innen beziehungsweise der zu Hause versorgten Pflegebedürftigen sowie der vertretungsberechtigten Personen gewonnenen Informationen in einem situationsgerechten angemessenen Verhältnis zueinander gesetzt und beachtet. Die durch dieses Vorgehen erreichte systematische Klärung von Diskrepanzen und Übereinstimmungen zwischen der Pflegedokumentation und der Inaugenscheinnahme des gesundheitlichen und pflegerischen Zustands der pflegebedürftigen Menschen ist besonders bei der Prüfung von Qualitätskriterien mit Personenbezug unerlässlich.

Durch die sogenannte Methode der Daten-Triangulation kann vermieden werden, dass eine einzelne Informationsquelle, wie etwa die Pflegedokumentation, einseitig das Ergebnis der Qualitätsprüfung determiniert, da die Vorteile der jeweiligen Informationsquellen genutzt werden können.

Ebenfalls positiv zu bewerten ist, dass dieses Verfahren sowohl in der Weiterentwicklung und Anwendung der Qualitätsprüfungsrichtlinien nach § 114a SGB XI sowie bei den Ver-einbarungen nach § 115 Absatz 1a SGB XI Berücksichtigung finden soll.

 

Beteiligung der Verbände der BAGFW an der QPR (§ 114a Abs. 7 SGB XI)


Gesetzentwurf (Sachverhalt nicht im Gesetzentwurf vorgesehen)
Nach § 114a  Abs. 7 SGB XI sind Beteiligungsrechte bei den Richtlinien über die Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach
§ 114 SGB XI vorgesehen. Das Beteiligungsrecht wird der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. gewährt, aber nicht den einzelnen Bundesverbänden der Freien Wohlfahrtspflege.

Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. ist weder Träger von Einrichtungen und Diensten noch hat sie von den Trägern der Einrichtungen und Dienste der Freien Wohlfahrtspflege das Mandat, grundlegende Aussagen zu diesen Themenfeldern zu machen. Daher sollten die Verbände der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege den Bundesverbänden der privaten Anbieter gleichgestellt werden und einzeln als an den Richtlinien nach § 114 SGB XI zu beteiligende Verbände aufgezählt werden. Obwohl bereits im Zusammenhang mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz eingefordert und mit der Stellungnahme zum Infektionsschutzgesetz erneuert, blieb es auch im Gesetzentwurf im Absatz 7 des § 114 a SGB XI bei der Gleichstellung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. mit den einzelnen Bundesverbänden der privaten Anbieter.

Die Bundesverbände der Freien Wohlfahrtspflege fordern den Gesetzgeber auf, § 114a Abs. 7 SGB XI der Wirklichkeit anzupassen und statt von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege von den Bundesverbänden der Freien Wohlfahrtspflege zu sprechen.

Änderungsvorschlag
§ 114 a Abs.7 Satz 2 SGB XI ist wie folgt zu fassen:
„Er hat die Bundesverbände Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, die Bundesverbände privater Alten- und Pflegeheime, die Verbände der privaten ambulanten Dienste, die Bundesverbände der Pflegeberufe, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, den Verband der privaten Krankenversicherung e. V., die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene sowie die maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen zu beteiligen.“

Zusammenarbeit mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichts-behörden - Verbesserung der Koordination der Prüfinstitutionen (§ 117 Abs. 1 SGB XI–Reg-E)

Gesetzentwurf
Die bisherigen Verpflichtungen zur Zusammenarbeit von Pflegekassen, Medizinischen Diensten und dem Prüfdienst der Privaten Krankenversicherung e. V. mit den Institutionen der Heimaufsicht sollen durch regelmäßige gegenseitige Informationen und dem Abschluss von Vereinbarungen zur Abstimmung der Prüfungen konkretisiert und weiterentwickelt werden.

Bewertung
Die Konkretisierung und Klarstellung in § 117 Absatz 1 Nr. 1, wonach die unterschiedlichen Prüfinstitutionen durch nun regelmäßige Information und Beratung ihre Aufgaben und entsprechende Vereinbarungen wirksam aufeinander abstimmen sollen, wird begrüßt, da die Praxis zeigt, dass es ein hohes Verbesserungspotenzial bei der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Prüfinstanzen gibt. Gerade im Hinblick auf die Vermeidung von Mehrfachprüfungen ist dies dringend angeraten. Dies gilt insbesondere für die Prüfungen der Heimaufsichten und der Medizinischen Dienste, aber auch für die Felder Hygiene, Brandschutz, Arbeitsschutz, Gewerbeaufsicht und Sicherheitstechnik sowie Trinkwasser. Insofern ist bei der Vermeidung von Doppelprüfungen insbesondere darauf abzustellen, dass von den unterschiedlichen Behörden nicht gleiche Inhalte geprüft werden und die jeweiligen Prüfungen ggf. an einem Tag gemeinsam erfolgen.

Zusammenarbeit mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden - Modellvorhaben (§ 117 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XI-Reg-E)

Gesetzentwurf
§ 117 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XI-Reg-E eröffnen den Pflegekassen, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Kran-kenversicherung e. V. die Option, gemeinsam mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden Modellvorhaben zu vereinbaren, die darauf abzielen, eine abgestimmte Vorgehensweise bei der Prüfung der Qualität von Pflegeeinrichtungen nach diesem Buch und nach heimrechtlichen Vorschriften zu erarbeiten. Hierbei kann von den Qualitätsprüfungs-Richtlinien und den Pflege-Transparenzvereinbarungen abgewichen werden.

Bewertung
Die BAGFW begrüßt diese Regelung zu den Modellvorhaben und die Möglichkeit der Abweichung von den Richtlinien nach § 114 a Abs. 7 und nach § 115 Absatz 1a. Dies weist darauf hin, dass es für diese Grundlagen auch um neue Erkenntniswerte gehen kann, die in späteren Verhandlungen Gegenstand werden können. Die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen sind bei derartigen Modellvorhaben zu beteiligen.

Änderungsvorschlag
§ 117 Abs. 2 Satz 1 SGB XI-Reg-E sollte wie folgt gefasst werden:

„Die Landesverbände der Pflegekassen sowie der Medizinische Dienst und der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. können mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden unter Beteiligung der Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen im Land ein Modellvorhaben vereinbaren, das darauf zielt, eine abgestimmte Vorgehensweise bei der Prüfung der Qualität von Pflegeeinrichtungen nach diesem Buch und nach heimrechtlichen Vorschriften zu erarbeiten. Von den Richtlinien nach § 114a Absatz 7 und den nach § 115 Absatz 1a Satz 6 bundesweit getroffenen Vereinbarungen kann dabei für die Zwecke und die Dauer des Modellvorhabens abgewichen werden.“

 

Beteiligung von Interessensvertretungen (§ 118 SGB XI–Reg-E)


Gesetzentwurf
Die Beteiligung von Betroffenenorganisationen war bisher im SGB XI uneinheitlich gere-gelt. In Anlehnung an entsprechende Regelungen im SGB V sollen nun die Interessenvertretungen von Betroffenen durch eine stärkere und qualifiziertere Beteiligung besser eingebunden werden.

Bewertung
Die Beteiligung und die Beteiligungsform von Interessensvertretungen waren bisher im SGB XI uneinheitlich und gingen über ein so genanntes qualifiziertes Beteiligungsverfahren nicht hinaus. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) begrüßt das Ziel des Gesetzes, die Betroffenenperspektive in den Bereichen der Begutachtung und der Qualität durch eine Ausweitung der Beteiligungsrechte der entsprechenden Organisationen zu stärken.

Diese stärkere Einbeziehung wirft allerdings noch zu klärende Fragen der konkreten Um-setzung sowie der Ausgestaltung der Selbstverwaltung in der Pflegeversicherung auf.

 
Regelungen zur ärztlichen, fachärztlichen und zahnärztlichen Versorgung sowie zur Arzneimittelversorgung (§§ 114 Abs. 1 und 115 Abs. 1a SGB XI sowie § 119b Abs. 2 SGB V)


Gesetzentwurf
Mit der Änderung der §§ 114 Abs.1 und 115 Abs. 1a SGB XI sowie §§ 87 und 119b SGB V verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die ärztliche, fachärztliche und zahnärztliche Versor-gung sowie die Arzneimittelversorgung von Bewohner/innen stationärer Pflegeeinrichtungen zu verbessern. Pflegeeinrichtungen sollen künftig nach § 114 Abs. 1 SGB XI die Landesverbände der Pflegekassen nach einer Regelprüfung informieren, wie die ärztliche, fachärztliche und zahnärztliche Versorgung sowie die Arzneimittelversorgung in ihrer Einrichtung sichergestellt ist. Gemäß § 115 Abs. 1b neu SGB XI sollen diese Informationen künftig sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

Bewertung
Die medizinische Versorgung stellt ein generelles Problem für pflegebedürftige Menschen dar, die aufgrund eingeschränkter Mobilität auf Hausbesuche von Ärzten angewiesen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob sie in ihrer eigenen Wohnung oder in einer stationären Pflegeeinrichtung leben. Da vielerorts die Bereitschaft der Ärzte zu Hausbesuchen sinkt, verschlechtert sich entsprechend die medizinische Versorgung der Pflegebedürftigen in stationären Pflegeeinrichtungen, aber auch in der eigenen Häuslichkeit.

Um diesem strukturellen Problem medizinischer Unterversorgung entgegenzuwirken, haben stationäre Pflegeeinrichtungen vielfältige Anstrengungen unternommen, um die ärztliche Versorgung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner sicherzustellen. Dies hat dazu geführt, dass die medizinische Versorgung bei einigen Arztgruppen (z. B. Allgemeinmedi-ziner, Neurologen und Psychiater) in Pflegeheimen inzwischen besser ist als bei Pflege-bedürftigen, die zu Hause leben (u. a. GEK Pflegereport 2008). Seit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz und dem Inkrafttreten der Pflege-Transparenzvereinbarungen haben stationäre Pflegeeinrichtungen bereits gegenwärtig die Möglichkeit, ihre diesbezüglichen freiwilligen Aktivitäten in den Veröffentlichungen nach § 115 Abs. 1a SGB XI darzustellen (s. PTVS, Anlage 4, Muster 3: Kooperationen mit medizinischen Einrichtungen). Nicht zuletzt scheitern aber viele der Anstrengungen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von Pflegebedürftigen seitens der Pflegeeinrichtungen an der mangelnden Kooperationsbereitschaft einzelner Ärzte. Da die Pflegeein-richtungen in solchen Fällen keine Durchsetzungsmacht besitzen, Ärzte zur Kooperation zu verpflichten, werden diesbezügliche Verpflichtungen der Pflegeeinrichtungen, wie im Gesetzentwurf in den Regelungen nach den §§ 114 und § 115 SGB XI sowie § 119b SGB V vorgeschlagen, das Ziel einer Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung pflegebedürftiger Heimbewohner nicht erfüllen können.

Die BAGFW fordert den Gesetzgeber auf, die Ursachen für die gesundheitliche Unterver-sorgung pflegebedürftiger Menschen anzugehen: Die Erfüllung des vertragsärztlichen Sicherstellungsauftrags ist in § 75 SGB V geregelt. Die Einhaltung dieses Sicherstellungs-auftrags auch bei pflegebedürftigen Menschen liegt bei den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen (Bundes-) Vereinigungen und ist verbindlich und ggf. sanktionsbewährt einzufordern.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist die Neuregelung in § 119b Abs. 1 Satz 2 SGB V, nach welchem die Kassenärztlichen Vereinigungen bei Vorliegen eines Antrags einer stationären Pflegeeinrichtung nicht mehr nur den Abschluss eines Kooperationsvertrages anstreben sollen, sondern diesen nun vermitteln müssen. Allerdings geht damit keine Verpflichtung für niedergelassene Ärzte einher, so dass auch diese Regelung aufgrund der Erfahrung mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vermutlich wirkungslos bleibt. Sollten die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen ihrem Sicherstellungsauftrag nicht nachkommen, müssen die im SGB V angelegten Sanktionsmechanismen angewendet werden. Hier sind insbesondere die Krankenkassen aufgefordert, bei Verstößen gegen den Sicherstellungsauftrag der betreffenden Kassenärztlichen Vereinigung Vergütungen aus den Gesamtverträgen nach § 85 oder 87a SGB V zurückzubehalten oder zu kürzen und die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen aufzufordern, Sanktionen gegenüber den verursachenden Vertragsärzten anzuordnen. Über dieses Sanktionsinstrumentarium verfügen die Krankenkassen bereits heute gemäß § 75 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Insofern besteht kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf, sondern nur das Erfordernis der Umsetzung dieser Regelung in der Praxis. Des Weiteren könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet werden, die Qualität der ärztlichen Versorgung in einem festen Turnus zu überprüfen, eine Berichtspflicht zu statuieren (ohne namentliche Nennung der Ärzte und Pflegeeinrichtungen) sowie bei Bedarf selbst den Sicherstellungsauftrag zu übernehmen, z. B. durch Einrichtung von Eigeneinrichtungen gemäß § 140 SGB V.

Als problematisch erachtet die BAGFW die Neuregelungen in den §§ 114 Abs. 1 und 115 Abs. 1b neu SGB XI, weil der Pflegeeinrichtung auferlegt wird, zu berichten, dass sie ei-nen Kooperationsvertrag nach § 119b SGB V schließen konnte oder auch nicht bzw. in ein Ärztenetz eingebunden ist oder aber nicht. Im Ergebnis wird somit eine mangelhafte ärztliche Versorgung mittels negativer Qualitätsberichterstattung der Einrichtung zugeschrieben, ohne dass sie dies zu verantworten hat. Da der Abschluss von Kooperations-verträgen bzw. die Einbindung in Ärztenetze zum Qualitätskriterium erhoben wird, hätten im Ergebnis Einrichtungen, denen der Abschluss von entsprechenden Verträgen gelingt, Wettbewerbsvorteile gegenüber Einrichtungen, denen dies nicht gelingt, etwa weil die Ärzte in der betreffenden Region nicht kooperationswillig sind. Sinnvoll wäre es, anstelle einer Berichtspflicht der Pflegeeinrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigung die Berichtspflicht darüber aufzugeben, welche niedergelassenen Ärzte oder Ärztenetze mit welchen Pflegeeinrichtungen in einer Region einen Kooperationsvertrag geschlossen haben oder in welcher Häufigkeit von welchen Ärzten Sprechstunden und Hausbesuche in einer Einrichtung durchgeführt werden.

Zudem halten die Verbände der BAGFW die Regelungen in den §§ 114 und 115 SGB XI für verfassungsrechtlich bedenklich. Sie greifen in die Berufsausübungsfreiheit der Träger der Einrichtungen ein, ohne die dafür erforderlichen klaren Vorgaben für Inhalt und Umfang der Informationspflichten zu regeln. Zumindest sollte der in der Gesetzesbegründung auf S. 91 angeführte Kriterienkatalog (Häufigkeit von Visiten und fallübergreifenden Fallbesprechungen, Regelung der ärztlichen Rufbereitschaft und Versorgung nach 22 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen) abschließend formuliert werden und Bestandteil des Gesetzestextes werden.

Für ungeeignet erachten wir die Informationspflicht über die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach § 12a ApoG sind Verträge zwischen Apotheken und Pflegeheimen verpflichtend vorgeschrieben, wenn eine Apotheke ein Heim mit Arzneimitteln versorgen will. Im Übrigen besteht Wahlfreiheit des Bewohners, seine Medikamente in der Apotheke seiner Wahl zu beziehen. Die Versorgung mit Arzneimitteln ist somit gewährleistet. In diesem Bereich bestehen keine Probleme der Unterversorgung, die durch Qualitätsprüfungen und -berichterstattung verbessert werden könnten.

Zusammenfassend werden die Neuregelungen in § 114 Abs. 1 und § 115 Abs. 1b SGB XI als ungeeignet zur Erreichung des Ziels einer Verbesserung der medizinischen Versor-gung pflegebedürftiger Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen angesehen. Es wird vorgeschlagen, dass der Gesetzgeber anstelle der Regelungen im SGB XI - wie oben vorgeschlagen - entsprechende Regelungen zur Gewährleistung des Sicherstellungsauftrags durch die Kassenärztlichen Vereinigungen im SGB V erlässt.

Änderungsvorschlag
Die Neuregelungen in § 114 Abs. 1 SGB XI sowie § 115 Abs. 1b SGB XI werden gestrichen.

Berlin, 14.05.2012