Stellungnahme der BAGFW zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 18/3551) zur Öffentlichen Anhörung am 20.05.2015

„Pflege-TÜV hat versagt – Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen“

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) bedankt sich für die Möglichkeit zum Antrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Stellung zu nehmen.

 

Grundsätzliche Anmerkungen

 

In § 115 Abs. 1a SGB XI fordert der Gesetzgeber die Veröffentlichung von Prüfergebnissen der Medizinischen Dienste hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität. In den Qualitätsprüfungen der Medizinischen Dienste nach den §§ 114 und 114a SGB XI wird aber die Einhaltung normativer Vorgaben des Pflegeversicherungsgesetzes sowie der Maßstäbe und Grundsätze nach § 113 und nicht die Lebens- und Ergebnisqualität geprüft. Somit ist diese Gesetzesvorgabe in dieser Kombination kaum umsetzbar und auch das derzeitige System der Pflege-Transparenzvereinbarungen (PTVen) setzt die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere Ergebnis- und Lebensqualität darzustellen, nicht um. Darüber hinaus sind die PTVen wegen grundsätzlicher methodischer Mängel in der Kritik.

 

Die Probleme sind von Beginn an bekannt und die in der BAGFW kooperierenden Verbände haben in Wahrnehmung ihrer Aufgaben als maßgebliche Verbände gem.
§ 113 SGB XI immer auf ein wissenschaftlich fundiertes System der öffentlichen Qualitätsberichterstattung in der Pflege hingewirkt, welches das bestehende System in der Zukunft ablöst und gleichzeitig die interne Qualitätsentwicklung mit der externen Qualitätsprüfung sinnvoll verzahnt.

 

Dieses andere System der Qualitätsberichterstattung wurde bereits 2007 durch die BAGFW angeregt und schließlich durch die beiden Bundesministerien für Gesundheit und Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgegriffen. Bereits seit 2011 liegt dazu der Abschlussbericht eines Modellprojekts vor und wartet auf die Realisierung. Die Umsetzung wurde jedoch von den Pflegekassen längste Zeit verweigert. So kann nun auf der Basis der Ergebnisse des Projektes „Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe“ (sog. „Wingenfeld-Projekt“) begonnen werden, eine Qualitätsberichterstattung nach wissenschaftlich anerkannten Indikatoren zu entwickeln und zu implementieren.

Nach Auffassung der BAGFW muss bis dahin eine geeignete Übergangslösung herbeigeführt werden, die nach der sofortigen bzw. kurzfristigen Abschaffung der Pflegenoten auf der Ebene der Bereichs- und Gesamtnote bis zur erfolgreichen Implementierung der neuen Qualitätsberichterstattung für die Betroffenen ein akzeptables Maß an Transparenz der Qualität bietet.

 

Die BAGFW unterstützt daher den Antrag der Bundestagsfraktion B90/DIE GRÜNEN in diesem Punkt und nimmt zu den Punkten 1) bis 3) im Einzelnen wie folgt Stellung: 

 

Zu 1)     Aussetzung der Veröffentlichung der „Pflege-Noten“ nach der Pflege-              Transparenzvereinbarung mit sofortiger Wirkung

 

Zur immer wieder aufflammenden Kritik, dass wichtige Prüfkriterien mit weniger wichtigen Bereichen „ausgebügelt“ werden können, haben die in der BAGFW kooperierenden Verbände schon vor langer Zeit die  passende Lösung vorgelegt: Abschaffung der Gesamtnote.

Aus Sicht der BAGFW sollen in das bestehende System keine weiteren personellen und finanziellen Ressourcen investiert werden. Eine mögliche Übergangslösung muss also vor allem zwei Kriterien erfüllen: Sie muss zeitnah bzw. sofort umsetzbar sein und darf keinen zusätzlichen Aufwand erfordern. Diesbezüglich hat die BAGFW bereits in der Vergangenheit folgende Vorschläge unterbreitet:

 

Vorschlag 1: Aussetzen der Gesamtnote

 

Das Bestreben, die Pflegequalität in ihrer Gänze in einer Gesamtnote abzubilden, ist gescheitert. Verbraucher werden hierbei in die Irre geführt, da das Verrechnen einzelner Qualitätsbereiche zu einer Gesamtnote zwangsläufig dazu führt, dass mögliche Qualitätsdefizite durch gute Leistungen in anderen Qualitätsbereichen ausge-glichen werden und damit keine Beachtung finden. Durch das Aussetzen der Gesamtnote wäre dies nicht mehr möglich; Interessierte sähen sich außerdem gezwungen, die einzelnen Qualitätsbereiche zu betrachten, zu analysieren und anhand der individuellen Präferenzen zu bewerten.

 

Vorschlag 2: Aussetzen der Gesamtnote sowie der Bereichsnoten; Bewertung anhand der einzelnen Kriterien „x von y“

 

Im Rahmen der Überarbeitung der PTVS wurde festgelegt, dass die einzelnen Indikatoren anhand der erfüllten Fälle bewertet werden. Dies bedeutet, dass der Verbraucher erfährt, bei wie vielen der geprüften Personen das Kriterium wie gewünscht erbracht wurde, z. B. „bei 4 von 5 Personen erfüllt“. Diese Form der Darstellung ist für den Verbraucher verständlich und lässt eine individuelle Bewertung und Gewichtung zu. Sollten neben der Gesamtnote ebenfalls die Bereichsnoten aufgegeben werden, müssten Interessierte die einzelnen Kriterien analysieren und anhand ihrer persönlichen Präferenzen bewerten.

 

Den Vorschlag von Staatssekretär Laumann, den GKV-Spitzenverband zu beauftragen übergangsweise Regelungen für eine Kurzzusammenfassung der MDK-Prüfberichte zu erarbeiten und zu veröffentlichen, sieht die BAGFW eher skeptisch.

 

 

 

Bereits in der Anfangsphase der Gesetzgebung stand die Idee, ein Auszug aus der MDK-Prüfung als Darstellung der Qualität zu nutzen. Dies ist jedoch nicht möglich, weil Prüfberichte nicht standardisierbar und damit vergleichbar sind.

 

Eine Veröffentlichung von Mängelprotokollen im Internet wird rechtlich wenig haltbar sein, wenn die erteilten Auflagen in der vorgesehenen Zeit von der Einrichtung abgearbeitet wurden, diese jedoch bis zur nächsten Prüfung öffentlich blieben.

 

Darüber hinaus zeigt die Erfahrung der Vergangenheit, dass die Erarbeitung von Übergangslösungen mindestens ebenso viel Zeit benötigt, wie die Erarbeitung einer dauerhaften Lösung. Da geht es nicht nur um die Gestaltung von Qualitätsfragen und –bereichen, der Erarbeitung von Bewertungssystematiken, sondern insbesondere auch um eine statistisch einwandfreie Erhebungs- und Darstellungsmethode.

 

Die Versicherten möchten wissen, welche Pflegeeinrichtung gute Arbeit leistet, die Pflegeeinrichtungen möchten gerecht beurteilt werden. Beide werden sich gegen Fehlurteile öffentlich wehren. Auf den Vorschlag sollte daher verzichtet werden.

 

Zu 2)     Reformierung der Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität, Entwicklung eines indikatorengestützten Qualitätssicherungssystems

 

Wir erinnern daran, dass der Gesetzgeber den eingeschlagenen Weg (sog. „Wingenfeld-Projekt“) mit der Pflegeversicherungsreform 2012 noch einmal ausdrücklich bestätigt hat und erste gesetzliche Ansätze dafür geschaffen wurden. Nach der Umsetzung der Änderungen in § 113 Abs. 1 Ziff. 4 SGB XI durch die Vertragspartner, ist demnach in einem weiteren Schritt die Nutzung der Qualitätsindikatoren für die Pflege-Qualitätsberichterstattung im Sinne des § 115 Abs. 1a SGB XI anzugehen. Dabei wird es sowohl um die Veröffentlichung gehen als auch insgesamt um eine sinnvolle Verzahnung des internen Qualitätsmanagements mit der externen Qualitätssicherung. Hierzu bedarf es weiterer entsprechender gesetzlicher Änderungen in den Regelungen zur Qualitätsberichterstattung und zur Qualitätsprüfung (§§ 114, 114a und 115 SGB XI). Ein gemeinsames Modellprojekt der Vertragsparteien, das zum 1. Juni 2015 starten soll, soll hierzu noch konkretere Umsetzungserkenntnisse liefern.

 

Zu 3)     Errichtung eines Institut für Qualität in der Pflege

 

Um die Aufgaben der Selbstverwaltung künftig reibungsloser, zeitnaher und qualitätsorientiert erfüllen zu können, müssen die derzeitigen grundlegenden Defizite und Probleme der Selbstverwaltung identifiziert und gelöst werden. Hierzu ist es notwendig, dass der Gesetzgeber nicht nur die Selbstverwaltungspartner benennt, sondern auch die Grundlagen einer formalen Struktur der Selbstverwaltung schafft, in der die Vertragspartner künftig gleichberechtigt sind. Eine Beibehaltung der derzeitigen Situation ist innovations- und qualitätshemmend, unwirtschaftlich und mit negativen Folgewirkungen für die Versorgung pflegebedürftiger Menschen verbunden. Die BAGFW hat hierzu einen Strukturvorschlag entwickelt, der auf einer neutralen Geschäftsstelle der Selbstverwaltungspartner mit einem unparteiischen Vorsitzenden beruht.

 

Innerhalb dieser Struktur ist die Einbeziehung von wissenschaftlicher Expertise vorzusehen. Dies geschieht vorzugsweise über die gemeinsame Vergabe von gemeinsamen Aufträgen, auch um die noch junge und ausbaufähige Wissenschaftslandschaft in der Pflege weiter zu fördern. Langfristig könnte auch über die Gründung eines Instituts nachgedacht werden, das die Ausführung dieser Aufträge übernimmt. Zentral ist dabei sicherzustellen, dass dieses Institut dann in die Selbstverwaltungsstrukturen mit eindeutiger Aufgabenzuschreibung eingebunden wird.