In der BAGFW arbeiten die sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in
Deutschland zusammen und nehmen die Belange von Menschen in sozialen Not-
langen ebenso wie die Interessen der Freien Träger von Sozialleistungen wahr. Im
Rahmen dieser Arbeit haben die unseren Mitgliedsverbänden angeschlossenen
Freien Träger insbesondere im Zusammenhang mit der Erbringung von Arbeitsmarktdienstleistungen
nach dem 3. Buch des Sozialgesetzbuches Erfahrungen mit
Vergabeverfahren und deren Auswirkungen auf die Leistungsberechtigten gesammelt.
Aufgrund dieser Erfahrungen hat sich die BAGFW 2011 bereits an der
Konsultation über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des
öffentlichen Auftragswesens beteiligt. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Erbringung
sozialer Dienstleistungen nimmt die BAGFW zu einigen Aspekten der nunmehr
vorgelegten Richtlinien-Entwürfen wie folgt Stellung:
I. Allgemein
Beide Richtlinienvorschläge beinhalten Regelungen, die soziale und andere besondere
Dienstleistungen von den allgemeinen Regelungen für Konzessionen
bzw. Dienstleistungen ausnehmen. Welchen Dienstleistungen bzw. Vorgängen
diese Ausnahmen zu Gute kommen sollen, definieren insoweit übereinstimmend
Anhang X zur RL KOM (2011)897 und Anhang XVI zur RL KOM (2011)896/2.
Hierzu gehören Dienstleistungen im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen, administrative
Dienstleistungen im Bildungs-, Gesundheits- und kulturellen Bereich,
Dienstleistungen der gesetzlichen Sozialversicherungen, Beihilfen, Unterstützungsleistungen
und Zuwendungen, sonstige öffentliche und persönliche Zuwendungen,
Dienstleistungen von religiösen und von Arbeitnehmervereinigungen.
Die BAGFW begrüßt diese Ausnahmeregelungen und die deutliche Anerkennung
der Besonderheiten, die das Umfeld für soziale Dienstleistungen prägen. Die notwendige
Personenbezogenheit von sozialen Dienstleistungen schafft in der Tat
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Rahmenbedingungen, denen das klassische Vergaberecht mit seiner Ausrichtung
auf die Bedarfsdeckung des Auftraggebers nicht hinreichend gerecht wird.
Allerdings sehen wir Klärungsbedarf hinsichtlich der deutschen Übersetzung der
Richtlinien-Entwürfe: beide Anhänge verwenden in der deutschen Übersetzung für
den Begriff „social benefits“ die Begriffe "Beihilfen, Unterstützungsleistungen und
Zuwendungen". Da diese Begriffe im Deutschen in mehreren rechtlichen Zusammenhängen
verwendet werden und zum Teil stark wettbewerbsrechtlich konnotiert
sind, regen wir insofern eine etwas eindeutigere Übersetzung (z. B. als „persönliche
Unterstützungsleistungen“) an.
II.
Vorschlag für Richtlinien des Europäischen Parlamentes und des Rates
über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endgültig)
Der Richtlinienentwurf enthält in Art. 17 eine Sonderregelung für Konzessionen zur
Erbringung sozialer Dienstleistungen. Demnach sollen in diesem Bereich vor allem
Bekanntmachungspflichten gelten und die Anwendung des primärrechtlichen
Transparenzgrundsatzes sicherstellen.
Zentrales Merkmal von „Dienstleistungskonzessionen“ ist nach der Begriffsbestimmung
in Art. 2 Abs. 1 Nr. 7, dass die Gegenleistung des Auftraggebers, im
Gegensatz zum „öffentlichen Auftrag“, im „Recht zur Nutzung der vertragsgegenständlichen
Dienstleistung“ besteht. Aus Art. 1 Abs. 2 ergibt sich, die Notwendigkeit
einer Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers (Buchstabe a)
oder der Vergabestelle (Buchstabe b). Damit liegt jeder Konzessionserteilung ein
gewisses Ausschließlichkeitsmoment zu Grunde, da in aller Regel nur einer oder
mehrere, jedenfalls aber nicht alle Bewerber zum Zuge kommen können. Nicht als
Konzessionen sollen dagegen nach Erwägungsgrund Nr. 6 der Richtlinie „staatliche
Handlungen, wie die Erteilung von Genehmigungen oder Lizenzen, in denen
der Staat oder eine Behörde die Bedingungen für die Ausübung der Wirtschaftstätigkeiten
bestimmt“ gelten. Erwägungsgrund Nr. 22 präzisiert dies für soziale
Dienstleistungen, indem klargestellt wird, dass es den Mitgliedstaaten frei stehe,
„diese Dienstleistungen selbst zu erbringen oder soziale Dienstleistungen in einer
Weise zu organisieren, die nicht mit der Vergabe von Konzessionen verbunden ist,
beispielsweise […] durch Erteilung von Lizenzen oder Genehmigungen – ohne
Beschränkungen oder Festsetzung von Quoten – für alle Wirtschaftsteilnehmer,
die die […] vorab festgelegten Kriterien erfüllen“.
In Deutschland werden soziale Dienstleistungen regelmäßig im Anwendungsbereich
des sogenannten sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses erbracht. Dort stehen
sich die staatlichen Leistungsträger, nichtstaatliche Leistungserbringer
(Dienstleister) und Leistungsberechtigte (Nutzer der Dienstleistung) in unterschiedlichen
Rechtsverhältnissen gegenüber. Besonders deutlich tritt dieses bei
der Leistungserbringung im Rahmen der Sozialhilfe nach dem 12. Buch des Sozialgesetzbuches
(SGB XII) hervor. Vergleichbare Konstellationen treten im Rahmen
der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII), der Pflegeversicherung (SGB XI) und
bei der Inanspruchnahme von Krankenpflegeleistungen (SGB V) auf. Im Kern angelegt
ist diese auch für die Grundsicherung für Langzeitarbeitslose (SGB II).
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Das sozialrechtliche Wettbewerbsgeschehen in Deutschland weist dabei zwei
markante Unterschiede zum Wettbewerb im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung
bzw. Konzessionserteilung auf: Zum einen bestimmen die Leistungserbringer,
ob und wann sie die Initiative für eine Zulassung zur Leistungserbringung
ergreifen. Zum anderen markiert im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis der Abschluss
der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen zwischen den Leistungserbringern
und dem Sozialhilfeträger den Anfang und nicht den erfolgreichen
Abschluss des Wettbewerbs. Da die Vereinbarungen keinen exklusiven Charakter
haben, sondern vielmehr eine Anbietervielfalt besteht, treffen die Leistungsberechtigten
unter den zugelassenen Konkurrenten ihre Auswahl und bestimmen damit
den Wettbewerb. Verglichen mit der öffentlichen Auftragsvergabe bzw. der Konzessionserteilung
stellt dieses Verfahren die freiheitlichere und flexiblere Form der
Ausgestaltung des Wettbewerbs bei der Erbringung sozialer Dienste dar. Während
öffentliche Auftragsverfahren regelmäßig zu einer Dominanz des Preiswettbewerbs
führen, herrscht im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis ein Leistungswettbewerb
der Einrichtungen und Dienste um die Leistungsberechtigten.
Aus unserer Sicht sollte folglich die Richtlinie im Zusammenhang mit den verbindlichen
Begriffsbestimmungen (Art. 2 Abs. 7) ausdrücklich klarstellen, dass Zulassungsverfahren
die, wie im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis, allen potentiellen
Dienstleistungserbringern einen allgemeinen Zulassungsanspruch zur Dienstleistungserbringung
gewähren, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
Mangels exklusiven Charakters der Zulassung, fehlt es im Geltungsbereich des
sozialrechtlichen Dreiecks an der für die Konzessionsvergabe typischen Auswahl-
und Steuerungsfunktion des Auftraggebers. Vielmehr muss dieser alle Dienstleistungserbringer,
die die vorab gesetzlich festgelegten Anforderungen zu erfüllen in
der Lage sind, unabhängig von ihrer Rechtsform zur Leistungserbringung zulassen.
Den primärrechtlichen Anforderungen an Transparenz, Gleichbehandlung
und Nichtdiskriminierung trägt das deutsche Sozialrecht Rechnung.
Die BAGFW schlägt deshalb vor, Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 um folgenden Satz zu ergänzen:
„Mitgliedstaatliche Verfahren, die darauf beruhen, dass alle Dienstleistungserbringer,
die in der Lage sind, die vorab gesetzlich festgelegten
Bedingungen zu erfüllen, unabhängig von ihrer Rechtsform zur Leistungserbringung
zugelassen werden, gelten nicht als Dienstleistungskonzessionen,
soweit dabei den allgemeinen Grundsätzen der
Gleichbehandlung, der Transparenz und der Nichtdiskriminierung
Rechnung getragen wird.“
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III.
Vorschlag für Richtlinien des Europäischen Parlamentes und des Rates
über die öffentliche Auftragsvergabe (KOM (2011) 896/2)
1. Vereinfachung des Vergabeverfahrens für die Ausschreibung von
sozialen Dienstleistungen – Titel III Kapitel 1 Soziale und andere besondere
Dienstleistungen
Der Entwurf enthält in seinem Titel III besondere Beschaffungsregelungen für
soziale und andere besondere Dienstleistungen (Kapitel 1). Welche Dienstleistungen
und Sachverhalte dies im Einzelnen betrifft, bestimmt Anhang XVI abschließend
(Art. 74, s. dazu unter I), der die bisherige Unterscheidung in A-
und B-Leistungen ablöst. Für diese Dienstleistungen sieht Art. 75 besondere
Bekanntmachungspflichten vor, die gegenüber den allgemeinen Regelungen
zu einer vereinfachten Ankündigung verpflichten, die in jedem Fall aber im Vorfeld
der Auftragsvergabe zu erfolgen hat. Insbesondere enthält allerdings Art.
76 einen ausführlichen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber. Soweit dieser
die Erbringung sozialer Dienstleistungen durch freie Träger von einem öffentlichen
Auftrag abhängig macht, muss das dabei zu beachtende Verfahrensrecht
einen Ausgleich zwischen den primärrechtlichen Wettbewerbsgrundsätzen und
den Anforderungen des Sozialrechtes schaffen.
Hierzu ist Folgendes anzumerken:
Zu Art. 74 in Verbindung mit Anhang XVI:
Anhang XVI differenziert zwar nach wie vor zwischen Dienstleistungen des
Gesundheits- und Sozialwesens, nennt aber nicht mehr die Arbeits- und die
Arbeitskräftevermittlung. Ausgehend davon, dass diese besonderen Dienstleistungen
in den Arbeitsbereich der weitgehend über Ausschreibungen operierenden
Bundesagentur für Arbeit fallen und zudem – parallel zu den bisher
bereits erlassenen Regelungen zum Beihilferecht – vom weiten Begriff des
„Sozialwesens“ mit abgedeckt sind, dürfte diese Änderung unproblematisch
sein.
Fraglich ist hingegen, ob dies auch für Rettungsdienstleistungen gelten kann,
die ihrer Natur nach ebenfalls in den Anwendungsbereich der Art. 74 ff fallen
sollten. Eine weitere Ergänzung halten wir insofern für sinnvoll, als der Handlungsbereich
der Gesetzlichen Krankenkassen nicht allein Dienstleistungen,
sondern auch die für die Versorgung der Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln
erforderlichen Anschaffungen umfasst. Bei dieser Versorgung zeigt sich, dass
sich insbesondere Hilfsmittel keineswegs stets standardisieren lassen. Teilweise
sind sie individuell anzupassen (Prothesen), teilweise benötigen die Versicherten
bei ihrem Gebrauch eine Unterstützung, die sehr persönlicher Natur ist
(Inkontinenzhilfsmittel). Aus diesem Grund sollten auch für die Anschaffung
solcher Sachgüter die für die Dienstleistungen vorgesehenen Ausnahmen zum
Zuge kommen.
Die BAGFW schlägt deshalb vor, Anhang XVI wie folgt zu ergänzen:
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.
Warenlieferungen und Dienstleistungen der gesetzlichen Sozialversicherung.
.
Rettungsdienste
Zu Art. 76
Ausdrücklich begrüßt die BAGFW die Sonderregelung des Art. 76 und die damit
einhergehende Anerkennung der Besonderheiten, die soziale Dienstleistungen
prägen. Art. 76 erteilt den Mitgliedstaaten den Auftrag, die
unverzichtbaren primärrechtlichen Garantien der Transparenz und Chancengleichheit
in einer Weise zu verwirklichen, bei der die auszuschreibenden
Dienstleistungen ihren Sinn erfüllen und in einer für die eigentlichen Begünstigten
förderlichen Weise erbracht werden können. Insofern bringt dieser Regelungsvorschlag
eine ausdrückliche Absage an ein falsch verstandenes Primat
des Verfahrensrechtes über materiell-rechtlich wohl begründete Verfahrenssicherungen
zum Ausdruck und weist den Mitgliedstaaten die Verantwortung für
die sozialrechtskonforme Ausgestaltung des Vergaberechts in diesem Bereich
zu.
Allerdings regen wir vor diesem Hintergrund eine Änderung des Abs. 2 an:
Dessen Satz 2 stellt es in das Ermessen der Mitgliedstaaten, „die Auswahl der
Dienstleister nicht allein auf der Grundlage des Preises für die Erbringung der
Dienstleistungen“ zu treffen.
Das eingeräumte Ermessen lässt im Umkehrschluss nach wie vor Regelungen
zu, bei denen der Preis die alleinige Grundlage des Dienstleisters bildet. Eine
solche Regelung ließe sämtliche Vorkehrungen für eine sozialgerechte Auftragsvergabe
leerlaufen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Qualitätssicherung
bei der Auftragsvergabe maßgeblich von einer Bieter-Auswahl
aufgrund einer Preis-Leistungs-Analyse abhängt, wie sie das bestehende
deutsche Vergaberecht als alleiniges Kriterium vorschreibt. Da sich in der Praxis
aber auch diese Einschränkung umgehen lässt, haben zahlreiche Anbieter
von sozialen Dienstleistungen mehrfach Erfahrungen mit reinen Preiswettbewerben
sammeln müssen. All diesen Erfahrungen ist die nahezu völlige Vernachlässigung
der mit der ausgeschriebenen Leistung einhergehenden
Qualitätsaspekte gemeinsam.
Die Vergaberechtsreform kann ihren Anspruch, Vergabeverfahren strategisch
einzusetzen und bei der Ausschreibung von sozialen Dienstleistungen deren
Qualität sicherzustellen, nur einlösen, wenn die Preisvorstellungen eines Bieters
allein in Relation zu der angebotenen Leistung zum Tragen kommen.
Damit die wichtige Sonderregelung für soziale Dienstleistungen in sich folgerichtig
und vor Umgehungen geschützt bleibt, bittet die BAGFW um folgende
Formulierung des Art. 76 Abs. 2 Satz 2:
„Sie schließen aus, dass die Auswahl der Dienstleister allein auf der
Grundlage des Preises für die Erbringung der Dienstleistungen getroffen
wird.“
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2. Strategische Vergabe
Der Entwurf der Vergaberechtsmodernisierungs-Richtlinie verbindet diese Reform
mit der Erwartung, dass Vergabeverfahren gezielt als Gestaltungsmittel
bei der Verwirklichung von politischen Zielen der EU zum Tragen kommen.
Unmittelbar verbindet sich damit die Ausrichtung auf die Strategie Europa 2020.
Grundsätzlich beschreibt diese Erwartung aber eine Realität, die sich unabhängig
von der jeweiligen Zielsetzung beobachten lässt: Mit Beschaffungsentscheidungen
kann die öffentliche Hand Zeichen setzen bzw. bestimmte
Leistungskonzepte unterstützen. Von daher dient es der Transparenz, wenn der
Entwurf diese Realität nicht nur abbildet, sondern ihn mit expliziten Regelungen
wie Art. 17 (vorbehaltene Aufträge zugunsten von Werkstätten für Menschen
mit Behinderung oder Beschäftigungsbetriebe) auch nachvollziehbar macht.
Die BAGFW begrüßt, dass der Richtlinienentwurf die bisherigen Bestimmungen
zur Zulassung von vergabefremden Kriterien bestätigt (Art. 70) und die Einhaltung
sozial- und arbeitsrechtlicher Verpflichtungen durchgängig zur Voraussetzung
für den Zuschlag macht (Art. 54 Abs. 2 und 55 Abs. 2 und 3, Art. 69 Abs.
4). Insofern unterstreicht sie zu Recht, dass sich die soziale Verantwortlichkeit
eines Bieters gerade auch in der Einhaltung seiner sozial- und arbeitsrechtlichen
Verpflichtung als Arbeitgeber zum Ausdruck kommt und sich ein Verstoß
in dieser Beziehung auch nicht durch anderweitige Konzepte „kompensieren“
lässt.
Vor diesem Hintergrund erscheint es allerdings nicht nachvollziehbar, dass Art.
66 Abs. 1 das Zuschlagskriterium der günstigsten Kosten (Buchst. b) gleichberechtigt
neben dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebotes (Buchst.
a) zulässt. Eine Vergabeentscheidung, die allein die Kosten zu Grunde legt anstatt
auf ein ausgewogenes wirtschaftliches Verhältnis von angebotener Leistung
zu den voraussichtlichen Kosten abzustellen, läuft zwingend auf einen
reinen Preiswettbewerb zu. Denn ohne ein ergänzendes Kriterium für die Beurteilung,
was in diesem Sinne „günstig“ ist, kommt es im Rahmen des Buchst. b
allein auf die Höhe des Preises an.
Solange die Richtlinie es in das Ermessen der Auftraggeber stellt, den Zuschlag
allein von den Kosten abhängig zu machen, stellt sie auch ihre Vorkehrungen
zur sozialen Verantwortlichkeit des Beschaffungswesens in das Belieben der
Auftraggeber. Es ist dann aber zu befürchten, dass Erwägungen zu einem sozial-
und umweltgerechten Beschaffungswesen hinter kurzfristigen Budgeterwägungen
zurückgestellt werden. Insbesondere ist dann auch der Anspruch des
Richtlinienvorschlages hinfällig, die Beachtung dieser Gesichtspunkte gerade in
Zeiten finanzieller Schwierigkeiten zu stärken.
Aus diesem Grund fordert die BAGFW nachdrücklich, auf das in Buchst. b genannte
Zuschlagskriterium zu verzichten und allein auf das wirtschaftlich günstigste
Angebot (Buchst. a) abzustellen.
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Wenn dies gewährleistet ist, erscheint es durchaus ausreichend, dass der
Richtlinienentwurf, die Öffnung der Zuschlagsentscheidung und besondere Anforderungen
an die Auftragsausführung eng an den konkreten Auftrag bindet
und von der Einbeziehung der gesamten Lieferkette in die Anforderungen absieht.
Da diese inhaltlichen Erweiterungen stets im Ermessen der Auftraggeber
stehen, müssen sie für die Beteiligten beherrschbar sein. Zu weitgehende Anforderungen
würden falsche Zeichen und Anreize setzen. Zum einen würde
dies die nach wie vor bestehenden Vorbehalte gegen diese inhaltliche Ausrichtung
bestärken. Zum anderen würden unverhältnismäßige Anforderungen an
den Nachweis einer insgesamt unbedenklichen Beschaffungskette namentlich
kleine und mittlere Bieter überfordern.
Die BAGFW schlägt deshalb folgenden Wortlaut für Art. 66 Abs. 1 vor:
„Unbeschadet der für die Vergütung bestimmter Dienstleistungen geltenden
einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erhält
das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag. Der öffentliche
Auftraggeber kann das zu ermittelnde Preis-Leistungsverhältnis aufgrund
eines Lebenszyklus-Kostenansatzes gemäß der Bedingungen
von Artikel 67 ermitteln.“