Stellungnahme der BAGFW zu den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien – BRi)

Zum 01.01.2016 ist das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) in Kraft getreten, mit dem ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff zum 01.01.2017 eingeführt wird.

Zum 01.01.2016 ist das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) in Kraft getreten, mit dem ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff zum 01.01.2017 eingeführt wird. Bereits mit dem am 25.07.2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetz wurde in Form einer Vorziehregelung die Änderung der Richtlinien zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Begutachtungs-Richtlinien) auf Grundlage des Neuen Begutachtungsassessments (NBA) durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen in die Wege geleitet, um auch in zeitlicher Hinsicht die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sicherzustellen. Stichtag für die Abgabe einer Beschlussfassung an das Bundesministerium für Gesundheit ist der 25.04.2016.

 

Zwischenzeitlich liegt ein Entwurf dieser überarbeiteten Richtlinie mit Stand vom 17.12.2015 vor und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ist gem. § 17a Abs. 1 zu beteiligen. Die in der BAGFW kooperierenden Verbände nehmen im Folgenden zu der überarbeiteten Begutachtungs-Richtlinie Stellung.

 

Positiv ist festzustellen, dass

·         das Stellungnahmeverfahren sehr früh eingeleitet wurde.

·         die Begutachtung von Kindern unter Berücksichtigung spezifischer Besonderheiten und mit getrennten Formulargutachten erfolgt.   

 

Kritisch ist festzustellen, dass

·         grundsätzlich eine Widerspruchsgutachten nicht per Aktenlage erfolgen sollte und in der Häuslichkeit durchzuführen ist.

·         die Kategorie „überwiegend Selbstständig“ aus Sicht der BAGFW fachlich nicht hinreichend substantiiert vergeben wird. Bei vielen Items besteht ein hoher Aufwand und eine starke Abhängigkeit von personeller Hilfe, welche die Zuordnung zur Kategorie „überwiegend Selbstständig“ nicht rechtfertigen. So wäre bei der Anwesenheit der Pflegeperson aus nachvollziehbaren Sicherheitsgründen beim Baden mit dem vorliegenden Entwurf eine Person immer noch „überwiegend Selbstständig“, wo hingegen aus unserer Sicht ein „überwiegend Unselbstständig“ zu klassifizieren ist. 

  • die Definition zu den Merkmalsausprägungen im Vergleich zu dem entwickelten Manual teilweise abweicht. Inwiefern dies zu anderen Bewertungsergebnissen als in der Erprobung des Instruments führt, lässt sich nicht einschätzen.

 

Zu einzelnen Bestandteilen des Entwurfs führen wir im Folgenden aus.

 

 

 

 

2.         Aufgaben des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung

 

2.1      Verantwortung des MDK für eine qualifizierte Begutachtung

Zu diesem Punkt wird ausgeführt, dass der MDK auch externe Kräfte zur Begutachtung beauftragen kann, sofern sichergestellt ist, dass keine Interessenskonflikte entstehen. Als Gründe für die Beauftragung von externen Gutachtern werden die Bewältigung von Antragsspitzen oder das Vorliegen spezieller gutachterlicher Fragestellungen genannt. MDK-Gutachter erfassen den Hilfe- und Pflegebedarf und legen damit die Grundlage für die Entscheidung über die Schwere der Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einem Pflegegrad. Ihnen kommt somit eine hohe Verantwortung zu. Sofern externe Gutachter beauftragt werden, ist der Gutachtenauftrag an die beauftragte Pflegekasse zurückzugeben, damit diese einen erneuten Auftrag an geeignete externe Gutachter vergeben kann. Durch Kriterien ist eindeutig zu bestimmen, dass nur solche Gutachter zum Einsatz kommen, durch die keine Interessenskonflikte entstehen. Diese Kriterien sind zu veröffentlichen.

 

2.2      Verantwortung der Pflegekassen für eine qualifizierte Begutachtung durch unabhängige Gutachter nach § 18 Abs. 3a SGB XI

Die BAGFW begrüßt, dass die Anforderungen an die Qualifikation und Unabhängigkeit der unabhängigen Gutachter in den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Zusammenarbeit der Pflegekassen mit anderen unabhängigen Gutachtern (UGu-RiLi) geregelt werden. Nach Auffassung der BAGFW sollten auch die Anforderungen bezüglich Qualifikation und Unabhängigkeit an die in Punkt 2.1. genannten externen Gutachter in dieser Richtlinie geregelt werden.

 

 

3.         Verfahren zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit

 

3.1      Pflegekasse

Bei erneuter Beauftragung gibt die Pflegekasse außerdem Hinweise auf vorhergehende Begutachtungen, zum Pflegegrad sowie zu den Ergebnissen der Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI.

 

Die Weiterleitung von Hinweisen aus Beratungseinsätzen darf nur mit Zustimmung des Versicherten erfolgen. Eine Weiterleitung der Ergebnisse des Beratungseinsatzes erfordert somit die Einwilligung des Versicherten. Daher sind die Worte „sowie zu den Ergebnissen der Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI“ zu streichen.

 

Die Pflegekasse klärt den Antragsteller bzw. den Bevollmächtigten oder Betreuer über die Mitwirkungspflichten sowie die Folgen fehlender Mitwirkung auf und fordert ihn auf, dem zuständigen MDK eine Einwilligung zur Einholung von Auskünften – soweit diese für die Begutachtung erforderlich sind – bei den behandelnden Ärzten, den pflegenden Angehörigen und der betreuenden Pflegeeinrichtung einzuholen (vgl. § 18 Absatz 4 SGB XI).

 

Aus Sicht der BAGFW ist zwischen den ärztlichen Auskünften und Unterlagen der Hausärzte und weiterer an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligter Ärzte einerseits und Informationen und Auskünften, die durch Befragung der pflegenden Angehörigen oder der betreuenden Pflegeeinrichtungen andererseits erfasst werden, zu unterscheiden.

 

In den Begutachtungsrichtlinien sollten die Formulierungen aus § 18 Absatz 4 SGB XI übernommen werden.

 

3.2.1   Vorbereitung der Begutachtung

Der MDK sichtet in Vorbereitung auf die Begutachtung die vorliegenden Auskünfte und Unterlagen. Auf Seite 15 liegt ein redaktioneller Fehler vor, wenn es heißt, dass es hierbei auch um Informationen zu „Art, Umfang und Dauer der Pflege“ geht. Oftmals wurde noch keine Pflegeleistung in Anspruch genommen. Laut § 18 Absatz 4 beziehen sich die einzuholenden Auskünfte auf „Art, Umfang und Dauer der Hilfebedürftigkeit“. Dies ist entsprechend nachzubessern.

 

3.2.2   Festlegung der den Besuch durchführenden Person/en

Die Begutachtung von Kindern setzt nach Auffassung der BAGFW besondere Qualifikationen und Erfahrungen voraus. Dies gilt umso mehr für Kinder mit einer Behinderung. Die Begutachtungsrichtlinien sollten aufgrund der Komplexität des Hilfsbedarfs eine Verpflichtung zur interdisziplinären Begutachtung vorsehen und das Gutachterprofil für weitere Berufsqualifikationen wie z.B. Heilerziehungspfleger/innen öffnen.

 

3.2.2.1            Ankündigung des Besuchs

In der gegenwärtig geltenden Fassung der Begutachtungsrichtlinien steht, dass ungeachtet der Tatsache, dass die Begutachtung in der Amtssprache durchgeführt wird, das Recht des Antragstellers auf barrierefreie Kommunikation zu gewährleisten ist. Dieser Satz ist im vorliegenden Entwurf der Richtlinien entfallen. Da Barrieren in der Kommunikation nicht nur durch eine andere Muttersprache entstehen können, sondern beispielsweise durch eine Hörbehinderung, besteht beispielsweise ein Recht auf Beiziehung eines Gebärdendolmetschers. Der allgemeine Satz aus der zu geltenden Richtlinie, dass das Recht des Antragstellers auf barrierefreie Kommunikation gewährleisten sei, umfasst alle Verständigungsbarrieren. Er ist daher wieder in die Richtlinie aufzunehmen.

 

In der gegenwärtig geltenden Fassung der Begutachtungsrichtlinien wurde auch darauf verwiesen, dass in stationären Einrichtungen die Pflegefachkraft, die am besten mit der Pflegesituation des Antragstellers vertraut ist, bei der Begutachtung hinzuziehen. Dies ist sinnvoll, da die Informationen der Pflegepersonen auch im stationären Bereich wertvolle Hinweise für die Begutachtung darstellen können. Auch dieser Aspekt wurde im vorliegenden Entwurf gestrichen. Er ist wieder aufzunehmen.

 

3.2.6.  Verfahren bei bereits vorliegenden MDK-Gutachten zur Pflegebedürftigkeit

Revidieren die Begutachter ihre Entscheidung nicht, ist das Widerspruchsgutachten von einem bei der Vorbegutachtung nicht beteiligten Gutachter zu erstellen. Die Widerspruchsbegutachtung hat ebenfalls in häuslicher Umgebung bzw. in der vollstationären Pflegeeinrichtung stattzufinden. Eine Begutachtung nach Aktenlage kommt dann in Betracht, wenn in dem Vorgutachten die Pflegesituation ausreichend dargestellt wurde und durch eine erneute persönliche Begutachtung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

 

Die Praxis hat gezeigt, dass gerade Widersprüche zur Begutachtung durch den MDK häufig mit der Darstellung der Pflegesituation durch den Gutachter begründet werden, in welcher die Angaben des Antragstellers oder der Pflegepersonen nach deren Auffassung nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Eine Begutachtung nach Aktenlage, in welcher auf die Darstellung der Pflegesituation im Vorgutachten zurückgegriffen wird, ist daher kontraindiziert. Bei Widerspruchsgutachten ist aus Sicht der BAGFW grundsätzlich eine erneute Begutachtung in der häuslichen Umgebung vorzunehmen.

 

3.3      Bearbeitungs- und Begutachtungsfristen

Im Regelfall sind dem Antragsteller spätestens 25 Arbeitstage nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse die Entscheidung der Pflegekasse schriftlich mitzuteilen. Dadurch sollen pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen eine schnelle Entscheidung über die von ihnen beantragten Leistungen erhalten, um die Pflege zeitnah organisieren zu können. Dies stellt hohe Anforderungen an die Zusammenarbeit zwischen Pflegekasse und den MDK dar und erfordert die Mitwirkung des Antragstellers. Die Frist ist vom 1. November 2016 bis zum 1. Dezember 2017 unbeachtlich.

 

Aus Sicht der BAGFW ist die Frist von 25 Arbeitstagen sachgerecht und stellt keinesfalls „hohe“ Anforderungen an die Zusammenarbeit zwischen Pflegekasse und MDK dar. Die Formulierung „und erfordert die Mitwirkung des Antragstellers“ bildet zwar sachgerecht ab, dass ohne Mitwirkung der Betroffenen die Fristen nicht einzuhalten sind, kann aber andererseits dazu benutzt werden, die Verantwortung oder zumindest eine Teilverantwortung für die Fristeinhaltung in die Sphäre der Antragsteller zu verschieben. Der Verweis auf die Mitwirkungspflicht der Antragsteller ist an dieser Stelle entbehrlich, weist doch § 18 Absatz 3b Satz 2 darauf hin, dass die Frist von 25 Arbeitstagen nicht gilt, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Dieser Teilsatz ist daher ersatzlos zu streichen.

 

Zudem ist klarzustellen, dass die 25-Tage-Frist dem Grundsatz nach für alle Formen von Begutachtungen gilt, mithin auch für Wiederholungsgutachten (mit Ausnahme der Aussetzung der Fristen nach § 18 den Absätzen 2a SGB XI), für Gutachten aufgrund von Änderungsanträgen (Höherstufung, Rückstufung) sowie für Widerspruchsgutachten. In den gegenwärtig geltenden Begutachtungsrichtlinien gibt es dezidierte Verfahrenshinweise für diese drei Begutachtungsarten. Diese sind mit dem vorliegenden Entwurf ersatzlos entfallen. Sie sind unter Berücksichtigung der Aussetzungsfristen für die Wiederholungsbegutachtungen nach § 18 Absatz 2a wieder in den Entwurf aufzunehmen.

 

 

4.         Erläuterungen zum Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI

 

4.3      Definitionen

Pflegekräfte/Pflegefachkräfte sind Personen, die erwerbsmäßig pflegen.

 

Es reicht nicht aus, Pflegefachkräfte als Personen, die in der Pflege erwerbsmäßig tätig sind, zu definieren. Es ist in der Definition mindestens klarzustellen, dass Pflegefachkräfte  über eine entsprechende Ausbildung verfügen, die sie zu dieser Erwerbstätigkeit berechtigt. Daher ist zu ergänzen: „Pflegefachkräfte sind Personen, die aufgrund einer entsprechenden Ausbildung erwerbsmäßig pflegen. Grundsätzlich dürfen auch weiterhin nur Pflegefachkräfte, nicht jedoch Pflege(hilfs)kräfte als Gutachter tätig werden. Daher ist in der Definition das Wort „Pflegekräfte“ zu streichen.

 

4.4.     Angaben im Gutachten zum Antragsteller, zur Untersuchung und zur beantragten Leistung

Es sind der Untersuchungstag, der Untersuchungsort sowie die Uhrzeit anzugeben.

Bei der Uhrzeit ist nicht nur der Beginn der Beguachtung einzutragen, sondern auch die genaue Dauer. Die Angabe der Dauer des Hausbesuchs könnte den Pflegekassen zudem helfen, im weiteren Verfahren mit Blick auf die Dauer des erfolgten Hausbesuchs, eine ausführliche Befunderhebung nachvollziehbar zu begründen.

 

4.5.1   F 1.1   Fremdbefunde

Im dritten Spiegelstrich wird auf Fremdbefunde z.B. von Werkstätten für Menschen mit Behinderung verwiesen. Bei dieser Aufzählung sollten auch Fördertagesstätten sowie stationäre Einrichtungen oder ambulante Dienste für Menschen mit Behinderungen sowie Familienunterstützende Dienste mit genannt werden. Ferner sollten die Berichte in den o.g. Werkstätten um Berichte anderer in der Rehabilitation  tätiger Fachkräfte, z.B. von Rehabilitationsfachkräften für Blinde, erweitert werden.  

 

4.5.3   F 1.3   Hilfsmittel

Die BAGFW begrüßt, dass der MDK alle Hilfs- und Pflegehilfsmittel des Antragstellers, ungeachtet der Kostenträgerschaft und einschließlich der Verbrauchsgüter, erfassen muss. Es sollte in diesem Abschnitt bereits darauf hingewiesen werden, dass der MDK verpflichtet ist, den Antragsteller darauf hinzuweisen, dass die konkreten Empfehlungen zu Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln bereits als Antrag auf Leistungsgewährung gelten und dass die Pflegekasse den Antragsteller unverzüglich über die Entscheidung über die empfohlenen Hilfs- und Pflegehilfsmittel informiert.

 

4.5.4   F 1.4   Pflegerelevante Aspekte der Versorgungs-  und Wohnsituation

Bei der Dokumentation der Wohnsituation ist nicht nur auf die Zugänglichkeit zum Bad und den Waschmöglichkeiten, sondern auch auf die Zugänglichkeit zu anderen Räumen, die für die Versorgungssituation relevant sind, wie z.B. Schlafraum und Küche, hinzuweisen. In den gegenwärtig geltenden Begutachtungsrichtlinien wurde auch die Erreichbarkeit des Telefons erfasst. Da ältere und hochbetagte pflegebedürftige Menschen in vielen Fällen das Festnetz und noch nicht mobile Telefone benutzen, ist dieser Punkt für die Begutachtung ebenfalls relevant und soll aus Sicht der BAGFW wieder in die Begutachtungsrichtlinie aufgenommen werden.

 

4.6      F 2      Gutachterlicher Befund

Hilfreich ist es, den Antragsteller den Tagesablauf schildern zu lassen, mit ihm die Wohnung zu begehen und sich ggf. einzelne Aktivitäten exemplarisch demonstrieren zu lassen.

 

Nicht in jedem Fall wird der Antragsteller so mobil sein, dass er in der Lage ist, zusammen mit dem Gutachter die Wohnung zu begehen. Daher sollte bei der Ankündigung des Besuchs darauf hingewiesen werden, dass eine Wohnungsbegehung durchgeführt wird und bei fehlender Mobilität ggf. eine Person anwesend ist, welche bei der Wohnungsbegehung begleiten kann.

 

 

 

Nicht in jedem Fall wird der Antragsteller so mobil sein, dass er in der Lage ist, zusammen mit dem Gutachter die Wohnung zu begehen. Daher sollte bei der Ankündigung des Besuchs darauf hingewiesen werden, dass eine Wohnungsbegehung durchgeführt wird und bei fehlender Mobilität ggf. eine Person anwesend ist, welche bei der Wohnungsbegehung begleiten kann.

4.8      Pflegebedürftigkeit

 

4.8.1   Grundsätze bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit

Es ist bei der Begutachtung zu berücksichtigen, dass nicht die Schwere der Erkran-kung oder Behinderung, sondern allein die gesundheitliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten als Grundlage der Bestimmung der Pfle-gebedürftigkeit dient. Daher begründen z. B. Blindheit oder eine Lähmung der un-teren Extremitäten allein noch nicht die Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI. Entscheidungen in einem anderen Sozialleistungsbereich über das Vorliegen einer Behinderung oder die Gewährung einer Rente ist kein Maßstab für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit. So sagen die Minderung der Erwerbsfähigkeit oder der Grad der Behinderung nichts darüber aus, ob die Voraussetzungen der Pflege-bedürftigkeit nach dem SGB XI gegeben sind.

 

Da Pflegebedürftigkeit eine Folge von Blindheit sein kann, schlägt die BAGFW vor, „Blindheit“ aus der im zweiten Satz vorgenommenen Aufzählung zu streichen. Ferner sollte es im Folgesatz lauten: „Entscheidungen in einem anderen Sozialleistungsbereich über das Vorliegen einer Behinderung, z.B. Blindheit, oder die Gewährung einer Rente ist kein Maßstab für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit.

 

4.8.3   Beurteilung von Selbständigkeit

1 = überwiegend selbständig

 

-       Aufforderung bedeutet, dass die Pflegeperson (ggf. auch mehrfach) einen Anstoß geben muss, damit der Betroffene die jeweilige Tätigkeit allein durchführt. Auch wenn nur einzelne Handreichungen erforderlich sind, ist die Person als überwiegend selbständig zu beurteilen (punktueller Hilfebedarf, der lediglich an einzelnen Stellen des Handlungsablaufs auftritt). Einzelne Hinweise zur Abfolge der Einzelschritte meinen, dass zwischenzeitlich immer wieder ein Anstoß gegeben werden muss, dann aber Teilverrichtungen selbst ausgeführt werden können.

 

-       Anwesenheit aus Sicherheitsgründen: Wenn eine Person eine Aktivität selbständig ausführen kann, aber aus nachvollziehbaren Sicherheitsgründen (z.B. Sturzgefahr, Krampfanfälle) die Anwesenheit einer anderen Person benötigt, trifft die Bewertung „überwiegend selbständig“ zu.

 

Aus Sicht der BAGFW sind die zwei der insgesamt sechs angeführten Items zur Erfassung der Kategorie „überwiegend selbständig“ problematisch. Wenn eine Person für die Ausführung einer Handlung immer wieder einzelne Hinweise zur Abfolge der einzelnen Schritte erhalten muss, ist die permanente Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich und die Qualifizierung des Antragstellers als „überwiegend selbständig“ ist dann entsprechend nicht zutreffend. Die Person ist als „überwiegend unselbständig“ zu qualifizieren.

 

Das Gleiche gilt für die Notwendigkeit der Anwesenheit einer Pflegeperson aus Sicherheitsgründen, denn auch hier ist die permanente Anwesenheit während der Ausführung der Aktivität erforderlich. Das Item „Anwesenheit aus Sicherheitsgründen“, das zur Qualifizierung als „überwiegend selbständig“ führt, ist zudem nicht trennscharf vom Item „ständige Beaufsichtigung und Kontrolle“, das zur Qualifizierung als „überwiegend unselbständig“ führt. In beiden Fällen ist die permanente Anwesenheit der Pflegeperson, welche auch unmittelbar eingreifen muss, erforderlich. Die Person ist als „überwiegend unselbständig“ zu qualifizieren.

 

 

4.9.1   F.4.1   Modul 1: Mobilität

 

F 4.1.1           Positionswechsel im Bett

Als überwiegend selbständig gilt eine Person, wenn sie beim Positionswechsel „nur wenig mithelfen“ kann. Als unselbständig gilt eine Person, die beim Positionswechsel sich nicht oder „nur minimal beteiligen“ kann.

 

Die Kategorien „überwiegend selbständig“ und „unselbständig“ sind nicht trennscharf, da unklar ist, wie sich die Tatsache, dass jemand beim Positionswechsel nur minimal mithelfen kann sich von der Tatsache unterscheidet, dass er sich beim Positionswechsel nur minimal beteiligen kann.

 

F 4.1.2           Halten einer stabilen Sitzposition

Selbständig ist eine Person auch dann, wenn sie beim freien Sitzen gelegentlich ihre Sitzposition korrigieren muss oder sich nur in einem Sessel mit Armlehnen aufrecht halten muss. Eine Person ist unselbständig, wenn sie bei fehlender Rumpf- und Kopfkontrolle nur im Bett oder im Lagerungsstuhl liegend gelagert werden kann.

 

Eine Person ist aus Sicht der BAGFW nicht selbständig, wenn sie sich nur mit Armlehnen aufrechterhalten kann. Nach dem Manual von 2009 war eine Person auch dann selbständig, wenn sie sich zum Halten einer stabilen Sitzposition mit den Händen abstützen muss. Dies halten wir für sachgerecht.

 

Aus Sicht der BAGFW müssen die Wörter „Rumpf- und Kopfkontrolle“ durch „Rumpf- oder Kopfkontrolle“ ersetzt werden, denn es genügt eine fehlende Rumpfkontrolle oder aber auch eine fehlende Kopfkontrolle, damit eine Person nur im Bett oder im Lagerungsstuhl gelagert werden kann.

 

F 4.1.4.          Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs

Eine Person gilt als überwiegend selbständig, wenn personelle Hilfe erforderlich ist im Sinne von Bereitstellung von Hilfsmitteln, Beobachtung aus Sicherheitsgründen oder gelegentlichem Stützen oder Unterhaken.

 

Aus Sicht der BAGFW ist eine Person nicht als überwiegend selbständig einzuschätzen, wenn sie „aus Sicherheitsgründen“ beim Fortbewegen im Wohnbereich beobachtet werden muss.

 

 

4.9.2.  F 4.2   Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

 

F 4.2   Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld

Vorbemerkung: Hier ist generell anzumerken, dass für das Modul 2 auch die Aussagen der Pflegepersonen von großer Bedeutung sind, da die Fähigkeit, eine Person nach längerer Zeit zu erkennen oder nur selten zu erkennen, bei kognitiv stark eingeschränkten Personen wahrscheinlich nur schwer eingeschätzt werden kann. Der Gutachter ist bei der Einschätzung des Fähigkeitspotenzials wesentlich auf die Aussagen der Pflegepersonen oder anderer Angehöriger oder Nahestehender angewiesen.

 

Die Fähigkeit gilt als größtenteils vorhanden, wenn eine Person bekannte Personen beispielsweise erst nach einer längeren Zeit des Kontakts in einem Gespräch erkennt oder sie Schwierigkeiten hat, wenngleich auch nicht täglich, jedoch in regelmäßigen Abständen, vertraute Personen zu erkennen.

 

Wenn eine Person Schwierigkeiten hat, in regelmäßigen Abständen vertraute Personen zu erkennen, kann sie aus Sicht der BAGFW nicht der Kategorie „Fähigkeiten größtenteils vorhanden“ zugeordnet werden.

 

F 4.2.5           Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen

Die Fähigkeit ist größtenteils vorhanden, wenn eine Person bei Handlungen manchmal den Faden verliert, aber bei Erinnerungshilfe die Handlung selbständig fortsetzen kann. Die Fähigkeit ist in geringem Maße vorhanden, wenn die Person regelmäßig die Reihenfolge der einzelnen Handlungsschritte verwechselt oder einzelne notwendige Handlungsschritte vergisst.

 

Aus Sicht der BAGFW sind die Kategorien „größtenteils vorhanden“ und „in geringem Maß vorhanden“ nicht trennscharf, da es bei der Ausführung mehrschrittiger Alltagshandlungen in beiden Fällen der Intervention Dritter bedarf, um die Handlung fortführen zu können.

 

F 4.2.7           Verstehen von Sachverhalten und Informationen

Die Fähigkeit gilt als größtenteils vorhanden, wenn eine Person einfache Sachverhalte und Informationen nachvollziehen kann, bei komplizierteren jedoch Schwierigkeiten hat.

 

Es ist unklar, was unter einem einfachen Sachverhalt im Unterschied zu einem komplizierten Sachverhalt zu verstehen ist. Hier sollten Beispiele aufgezählt werden, um die Gefahr der Subjektivität der Einschätzung des Gutachters zu verringern.

 

Die Fähigkeit gilt als in geringem Maße vorhanden, wenn das Verständnis auch von einfachen Informationen und Sachverhalten stark von der Tagesform abhängt.

 

Da der Gutachter die Tagesform nicht kennt, kann er das Item nicht objektiv einschätzen. Daher sind an dieser Stelle unbedingt die Aussagen der Pflegepersonen oder von Angehörigen oder vertrauten Personen des Umfelds einzubeziehen.

 

F 4.2.8           Fähigkeit, Risiken und Gefahren zu erkennen

Die Fähigkeit gilt als größtenteils vorhanden, wenn die Person auch beispielsweise Schwierigkeiten hat, Risiken im Straßenverkehr angemessen einzuschätzen oder Gefährdungen in ungewohnter Umgebung zu erkennen.

 

Wenn eine Person normale Risiken im Straßenverkehr, etwa beim Überqueren einer Straße, nicht angemessen einschätzen kann, ist sie nicht der Kategorie der größtenteils vorhandenen Fähigkeiten zuzuordnen.

 

 

F 4.2.10         Verstehen von Aufforderungen

Die Fähigkeit gilt als größtenteils vorhanden, wenn die Person einfache Bitten und Aufforderungen versteht. Aufforderungen in nicht alltäglichen Situationen müssen jedoch erklärt werden. Ggf. sind besonders deutliche Ansprache, Wiederholungen, Zeichensprache, Gebärdensprache oder Schrift erforderlich, um Aufforderungen verständlich zu machen.

 

Wenn nur einfache Bitten oder Aufforderungen in alltäglichen Situationen wie z.B. „Setze Dich bitte an den Tisch“ verstanden werden, jedoch einfache Aufforderungen in nicht alltäglichen Situationen nicht verstanden werden, ist die Fähigkeit zum Verstehen von Aufforderungen deutlich eingeschränkt. Wenn einfache Bitten in nicht alltäglichen Situationen nicht verstanden werden, ist die Person der Kategorie „Fähigkeit in geringem Maße vorhanden“ zuzuordnen. Die Verwendung von Gebärdensprache, Zeichensprache oder die deutliche Ansprache hat ihre Ursache vielfach in einer somatisch bedingten Einschränkung der Hörfähigkeit, nicht jedoch in einer kognitiven Einschränkung. Dieser Aspekt sollte bei der Beurteilung dieser Fähigkeit nicht herangezogen werden.

 

F 4.2.11         Beteiligen an einem Gespräch

Die Fähigkeit gilt als größtenteils vorhanden, wenn eine Person zwar in Gesprächen mit Einzelpersonen gut zurecht kommt, in Gruppen jedoch den Faden verliert und Wortfindungsstörungen dabei ggf. regelmäßig auftreten.

 

Wortfindungsstörungen sind nicht auf die Situation von Gesprächen mit Einzelpersonen vs. Gesprächen in einer Gruppensituation zurückzuführen. Dieser Aspekt ist zu streichen.

 

 

4.9.3   F 4.3   Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

 

Vorbemerkung

Wir begrüßen, dass  gegenüber bekannten Manuals, welche bei den Erprobungen des NBA eine gleichmäßige Bewertung sichergestellt haben, die Bereiche der Unterstützung ausgeführt werden. Die Definition der Merkmalsausprägungen wird nicht beanstandet. Für die Gesamtbewertung werden die Module 2 und 3 zusammen betrachtet. Für das Modul 2 und das Modul 3 muss im einleitenden Teil vermerkt werden, dass die Aussagen der Pflegeperson hier von besonderer Bedeutung sind. Zum Beispiel ist der Gutachter auf die Angaben angewiesen, ob sich jemand in der außerhäuslichen Umgebung orientieren kann, in der Begutachtungssituation kann dies nicht erhoben werden,

 

F 4.3.4           Beschädigen von Gegenständen

Gemeint sind hier aggressive, auf Gegenstände gerichtete Handlungen wie Gegenstände wegstoßen oder wegschieben, gegen Gegenstände schlagen, das Zerstören von Dingen sowie das Treten nach Gegenständen.

 

Wir regen an, in die Aufzählung des Kriteriums das funktionsbeeinträchtigende Einwirken auf zu- oder ableitende Zugänge, Wundverbände, Stomae, Katheterbeutel etc. aufzunehmen.

 

F 4.3.5           Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen

Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen kann z. B. darin bestehen, nach Personen zu schlagen oder zu treten, andere mit Zähnen oder Fingernägeln zu verletzen, andere zu stoßen oder wegzudrängen oder in Verletzungsversuchen gegenüber anderen Personen mit Gegenständen.

 

F 4.3.8 Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen

Hier ist die Abwehr von Unterstützung, z. B. bei der Körperpflege, die Verweigerung der Nahrungsaufnahme, der Medikamenteneinnahme oder anderer notwendiger Verrichtungen sowie die Manipulation an Vorrichtungen wie z. B. Katheter, Infusion, Sondenernährung gemeint. Dazu gehört nicht die willentliche (selbstbestimmte) Ablehnung bestimmter Maßnahmen.

 

Die Abgrenzung zu einer willentlichen bzw. selbstbestimmten Ablehnung bestimmter Maßnahmen ist nicht trennscharf vornehmbar. 

 

F 4.3.11 Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage

Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage zeigt sich z. B. daran, dass die Person kaum Interesse an der Umgebung hat, kaum Eigeninitiative aufbringt und Motivierung durch andere benötigt, um etwas zu tun. Sie wirkt traurig oder apathisch, möchte am liebsten das Bett nicht verlassen. Hier ist nicht gemeint, dass Menschen mit rein kognitiven Beeinträchtigungen, z. B. bei Demenz Impulse benötigen, um eine Handlung zu beginnen oder fortzuführen.

 

Antriebslosigkeit tritt nicht nur bei depressiver Stimmungslage, sondern auch als Begleiterscheinung demenzieller Erkrankungen auf. Entsprechend ist die Überschrift wie folgt zu fassen: „Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage oder bei demenziellen Erkrankungen“.

 

 

4.9.4   F4.4    Modul 4: Selbstversorgung

 

F 4.4.1           Waschen des vorderen Oberkörpers

Sich die Hände, das Gesicht, den Hals, die Arme, die Achselhöhlen und den vorderen Brustbereich waschen und abtrocknen.

 

 

Überwiegend selbstständig:

Die Person kann die Aktivität selbständig durchführen, wenn benötigte Gegenstände, z. B. Seife, Waschlappen bereitgelegt werden oder sie Aufforderung bzw. punktuelle Teilhilfen, z. B. Waschen unter den Achseln oder der Brust erhält.

Überwiegend unselbstständig:

Die Person kann nur geringe Anteile der Aktivität selbstständig durchführen, sich z. B. nur Hände oder Gesicht waschen oder benötigt umfassende Anleitung.

 

 

Überwiegend Selbstständig kann die Aktivität ausgeführt werden, wenn u.a. Aufforderungen ergehen. Wird umfassende Anleitung benötigt, ist die Person überwiegend unselbstständig. Es stellen sich zwei Fragen: 1. Ab wann wird von einer umfassenden Anleitung gesprochen? 2. Wie wird eine Aufforderung trennscharf von einer Anleitung ermittelt?

 

Eine Anleitung, im Übrigen mit Blick auf die Aktivierung und Mobilisierung ein Kernelement professioneller Pflege, wird häufig wie eine Aufforderung klingen. Wir schlagen daher zur Klarstellung vor, dann von einer überwiegenden Selbstständigkeit auszugehen, wenn  „Aufforderung“ „im geringen Umfang“ erforderlich ist. Ferner  schlagen wir vor, dann von einer überwiegenden Unselbstständigkeit auszugehen, wenn  „Anleitung“ „überwiegend“ erforderlich ist.        

 

F 4.4.2           Körperpflege im Bereich des Kopfes 

Kämmen, Zahnpflege, Prothesenreinigung, Rasieren

 

Überwiegend unselbstständig:

Die Person kann nur geringe Anteile der Aktivität selbständig leisten, so beginnt sie z. B. mit dem Zähneputzen oder der Rasur, ohne die Aktivität zu Ende zu führen.

Unselbstständig:

Die Person kann sich an den Aktivitäten nicht oder nur minimal beteiligen.

 

Die Durchführung „geringer Anteile der Aktivität“ führt zu einer überwiegenden Unselbstständigkeit. Eine „minimale Beteiligung“ kann mit „unselbstständig“ bewertet werden. Zwischen diesen Bewertungsvorgaben liegt keine klare Trennlinie. Wir begrüßen, dass  gegenüber bekannter Manuals, welche bei den Erprobungen des NBA eine gleichmäßige Bewertung sichergestellt haben, in der Kategorie „unselbstständig“ diese Erweiterung nun enthalten ist, regen jedoch an, Beispiele für eine „minimale Beteiligung“ zu geben, wie z.B. „der Versuch zur Durchführung einer Aktivität“.    

 

F 4.4.3           Waschen des Intimbereichs 

Den Intimbereich waschen und abtrocknen

 

Überwiegend unselbstständig:

Die Person kann nur geringe Anteile der Aktivität selbständig durchführen, sich z. B. nur den vorderen Intimbereich waschen.

Unselbstständig:

Die Person kann sich an der Aktivität nicht oder nur minimal beteiligen

 

Die Durchführung „geringer Anteile der Aktivität“ führt zu einer überwiegenden Unselbstständigkeit. Eine „minimale Beteiligung“ kann mit „unselbstständig“ bewertet werden. Zwischen diesen Bewertungsvorgaben liegt keine klare Trennlinie. Wir begrüßen, dass  gegenüber bekannter Manuals, welche bei den Erprobungen des NBA eine gleichmäßige Bewertung sichergestellt haben, in der Kategorie „unselbstständig“ diese Erweiterung nun enthalten ist, regen jedoch an, Beispiele für eine „minimale Beteiligung“ zu geben, wie z.B. „der Versuch zur Durchführung einer Aktivität“.    

 

F 4.4.4           Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare

Durchführung des Dusch- oder Wannenbades einschließlich des Waschens der Haare. Dabei sind neben der Fähigkeit, den Körper waschen zu können, auch Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. (Teil-) Hilfen beim Waschen in der Wanne, Dusche sind hier ebenso zu berücksichtigen wie die Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder eine notwendige Überwachung während des Bades. Dazu gehört auch das Abtrocknen, Haare waschen und föhnen.

 

Überwiegend selbstständig:

Die Person kann die Aktivität selbstständig durchführen, wenn Utensilien vorbereitet bzw. bereitgestellt werden, einzelne Handreichungen geleistet werden, z. B. Stützen beim Ein-, Aussteigen, Bedienung eines Badewannenlifters, Hilfe beim Haare waschen oder Föhnen, beim Abtrocknen oder wenn während des (Dusch-) Bades aus nachvollziehbaren Sicherheitsgründen Anwesenheit erforderlich ist.

Überwiegend unselbstständig:

Die Person kann nur einen stark begrenzten Teil der Aktivität selbstständig durchführen, z. B. das Waschen des vorderen Oberkörpers.

 

Wenn während des (Dusch-) Bades aus nachvollziehbaren Sicherheitsgründen Anwesenheit erforderlich ist, ist aus unserer Sicht die Kategorie überwiegend unselbstständig zu Grunde zu legen. Einen stark begrenzten Teil der Aktivität selbstständig durchführen führt zur „überwiegenden Selbstständigkeit“. Da für einen begrenzten Teil ein Beispiel gegeben wird ist die Engführung „stark“ aus unserer Sicht obsolet und zu streichen. Wir regen an, auch hier zu berücksichtigen, dass dies auch für Aktivitäten gilt, die begonnen und nicht zu Ende geführt werden.    

 

F 4.4.5           An- und Auskleiden des Oberkörpers

Bereitliegende Kleidungsstücke, z. B. Unterhemd, T-Shirt, Hemd, Bluse, Pullover, Jacke, BH, Schlafanzugoberteil oder Nachthemd, an- und ausziehen.

 

Die Beurteilung ist unabhängig davon vorzunehmen, ob solche Kleidungsstücke derzeit getragen werden. Die situationsgerechte Auswahl der Kleidung ist nicht hier, sondern unter Punkt F 4.2.6 zu berücksichtigen. Das An- und Ablegen von körpernahen Hilfsmitteln ist unter Punkt F 4.5.7 zu berücksichtigen.

 

Überwiegend selbstständig:

Die Person kann die Aktivität beispielsweise selbstständig durchführen, wenn Kleidungsstücke passend angereicht oder gehalten werden beim Anziehen eines Hemdes etc. Auch wenn Hilfe nur

bei Verschlüssen erforderlich ist, trifft die Bewertung „überwiegend selbstständig“ zu, ebenso wenn nur Kontrolle des Sitzes der Kleidung und Aufforderungen zur Vervollständigung der Handlung erforderlich sind.

Überwiegend unselbstständig:

Die Person kann nur bei einem stark begrenzten Teil der Aktivität mithelfen, beispielsweise die Hände in die Ärmel eines bereitgehaltenen T-Shirts schieben.

 

Die Vorgaben für die Bewertung “ Überwiegend selbstständig: ” sind aus unserer Sicht zu weitgehend. Wenn z.B. bei dementiellen Veränderungen jedes Kleidungsstück nacheinander angereicht und der Vorgang demonstriert werden muss, wäre nach diesen Vorgaben die betroffene Person „überwiegend selbstständig“, obwohl er einer kleinschrittigen Unterstützung bedarf. Ferner geht i.d.R. nach unserer Auffassung die regelmäßige Aufforderung zur Vervollständigung mit einem stärkeren Grad der Unselbstständigkeit einher. Wir regen daher an, die Aktivitäten des Anreichens – im Sinne eines vollständigen Anreichens – und die Aufforderung zur Vervollständigung in die Kategorie Überwiegend unselbstständig zu setzen. Hilfsweise wäre „Aufforderung“  in der Kategorie „überwiegend selbstständig“ durch „gelegentliche Aufforderung“ und die Kategorie „überwiegend unselbstständig“ durch häufige Aufforderung“ zu ergänzen.

 

F 4.4.6           An- und Auskleiden des Unterkörpers

Bereitliegende Kleidungsstücke, z. B. Unterwäsche, Hose, Rock, Strümpfe und Schuhe, an- und ausziehen.

 

Die Beurteilung ist unabhängig davon vorzunehmen, ob solche Kleidungsstücke derzeit getragen werden. Die situationsgerechte Auswahl der Kleidung ist unter Punkt F 4.2.6 zu berücksichtigen. Das An- und Ablegen von körpernahen Hilfsmitteln ist unter Punkt F 4.5.7 zu berücksichtigen, z. B. Kompressionstrümpfe.

 

Überwiegend selbstständig:

Die Person kann die Aktivität beispielsweise selbstständig durchführen, wenn Kleidungsstücke angereicht oder gehalten werden (Einstiegshilfe). Auch wenn Hilfe nur bei Verschlüssen, z. B. Schnürsenkel binden, Knöpfe schließen oder Kontrolle des Sitzes der Kleidung und Aufforderungen zur Vervollständigung der Handlung erforderlich sind, trifft die Bewertung „überwiegend selbstständig“ zu.

Überwiegend unselbstständig:

Die Person kann die Aktivität zu einem geringen Teil selbstständig durchführen. Beispielsweise gelingt das Hochziehen von Hose, Rock zur Taille selbstständig, zuvor muss das Kleidungsstück jedoch von der Pflegeperson über die Füße gezogen werden.

 

Hier trifft dieselbe Aussage wie in F 4.4.5 zu. Die Vorgaben für die Bewertung „Überwiegend selbstständig: ” sind aus unserer Sicht zu weitgehend, wir regen die zuvor genannte Anpassung auch in F 4.4.6 an. 

 

F 4.4.8           Essen

Bereit gestellte, mundgerecht zubereitete Speisen essen

 

Dies beinhaltet das Aufnehmen, zum Mund Führen, ggf. Abbeißen, Kauen und Schlucken von mundgerecht zubereiteten Speisen, die üblicherweise mit den Fingern gegessen werden, z. B. Brot, Kekse, Obst oder das Essen mit Gabel oder Löffel, ggf. mit speziellen Hilfsmitteln wie adaptiertem Besteck. Zu berücksichtigen ist auch, inwieweit die Notwendigkeit der ausreichenden Nahrungsaufnahme (auch ohne Hungergefühl oder Appetit) erkannt und die empfohlene, gewohnte Menge tatsächlich gegessen wird. Das Einhalten von Diäten ist nicht hier, sondern unter Punkt F 4.5.16 zu bewerten. Die Beurteilung ist auch dann vorzunehmen, wenn die Nahrungsaufnahme über eine Sonde bzw. parenteral erfolgt.

 

Unklar ist in den allgemeinen Grundlagen, wie die Notwendigkeit der ausreichenden Nahrungsaufnahme (auch ohne Hungergefühl oder Appetit) erkannt werden soll. Hier regen wir eine Klarstellung an. 

 

F 4.4.9           Trinken

Bereitstehende Getränke aufnehmen, ggf. mit Gegenständen wie Strohhalm, Spezialbecher mit Trinkaufsatz

 

Zu berücksichtigen ist auch, inwieweit die Notwendigkeit der Flüssigkeitsaufnahme (auch ohne ausreichendes Durstgefühl) erkannt und die empfohlene oder gewohnte Menge tatsächlich getrunken wird. Die Beurteilung der Selbständigkeit ist auch dann vorzunehmen, wenn die Flüssigkeitsaufnahme über eine Sonde bzw. parenteral erfolgt.

 

Unklar ist in den allgemeinen Grundlagen, wie die Notwendigkeit der Flüssigkeitsaufnahme (auch ohne ausreichendes Durstgefühl) erkannt werden soll. Hier regen wir eine Klarstellung an. 

 

F 4.4.10         Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls

Gehen zur Toilette, Hinsetzen und Aufstehen, Sitzen während der Blasen-oder Darmentleerung, Intimhygiene und Richten der Kleidung.

 

Die Beurteilung ist auch dann vorzunehmen, wenn anstelle der Toilettenbenutzung eine Versorgung mit Hilfsmitteln erfolgt, z. B. Inkontinenzmaterial, Katheter, Urostoma, Ileo- oder Colostoma.

 

Überwiegend selbstständig:

Die Person kann die Aktivität überwiegend selbstständig durchführen. Personelle Hilfe kann sich beispielsweise beschränken auf einzelne Handlungsschritte wie:

- nur Bereitstellen und Leeren des Toilettenstuhls (alternativ Urinflasche oder anderer Behälter),

- nur Orientierungshinweise zum Auffinden der Toilette, Begleitung auf dem Weg zur Toilette,

- nur Anreichen von Toilettenpapier oder Waschlappen, Intimhygiene nur nach Stuhlgang,

- nur Unterstützung beim Hinsetzen, Aufstehen von der Toilette,

- nur punktuelle Hilfe beim Richten der Bekleidung

 

Die Regelungen werden im Kern nicht beanstandet. Unverständlich ist, wieso

bei diesem Item Aufforderungen und Anleitungen ausgenommen werden? Anleitungsleistungen sind mit Blick auf die Aktivierung und Mobilisierung ein Kernelement professioneller Pflege. Gemäß anerkannter Instrumente zur Kontinenzprofileinschätzung und den sich daraus ableitenden pflegerischen Maßnahmen ist u.a. das gezielte Toilettentraining benannt. Dabei beschränkt sich diese Maßnahme nicht nur auf einen kurzen Zeitraum, sondern kann dauerhaft zum Einsatz kommen. Wir schlagen daher vor, das auf längere Zeit erforderliche Toilettentraining und die erforderliche Anleitung in der Kategorie „überwiegend selbstständig aufzunehmen“.     

 

F 4.4.11         Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma

Inkontinenz- und Stomasysteme sachgerecht verwenden, nach Bedarf wechseln und entsorgen.

 

Dazu gehört auch das Entleeren eines Urinbeutels bei Dauerkatheter, Urostoma oder die Anwendung eines Urinalkondoms. Die regelmäßige Einmalkatheterisierung ist nicht hier, sondern unter Punkt F 4.5.10 zu erfassen.

 

Überwiegend selbstständig:

Die Person kann die Aktivität überwiegend selbstständig durchführen, wenn Inkontinenzsysteme angereicht oder entsorgt werden oder die Person an den Wechsel erinnert wird.

 

Die Erinnerung an den Wechsel von Inkontinenzsystemen führt im vorliegenden Item noch zu einer überwiegenden Selbstständigkeit. Wir geben zu bedenken, dass in diesen Fällen i.d.R. immer eine pflegerische Handlung erforderlich ist, die qua Definition automatisch zur überwiegenden Selbstständigkeit führt, nämlich dann, wenn sich die Person am Wechsel beteiligt. Zur Klarstellung regen wir an, die Maßgabe in der Kategorie „überwiegend Selbstständig“ zur Erinnerung „oder die Person an den Wechsel erinnert wird“ zu ergänzen um „oder die Person nur an den Wechsel erinnert wird.“    

 

F 4.4.12         Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma

Inkontinenz- und Stomasysteme sachgerecht verwenden, nach Bedarf wechseln und entsorgen.

 

Dazu gehört Inkontinenzsysteme, z. B. große Vorlagen mit Netzhose, Inkontinenzhose mit Klebestreifen oder Pants sachgerecht verwenden, nach Bedarf wechseln und entsorgen. Dazu gehört auch die Anwendung eines Analtampons oder das Entleeren oder Wechseln eines Stomabeutels bei Enterostoma. Die Pflege des Stomas und der Wechsel einer Basisplatte ist unter F 4.5.9 zu berücksichtigen.

 

Überwiegend selbstständig:

Die Person kann die Aktivität überwiegend selbstständig durchführen, wenn Inkontinenzsysteme bereit gelegt und entsorgt werden oder die Person an den Wechsel erinnert wird.

 

Die Erinnerung an den Wechsel von Inkontinenzsystemen führt im vorliegenden Item noch zu einer überwiegenden Selbstständigkeit. Wir geben zu bedenken, dass in diesen Fällen i.d.R. immer eine pflegerische Handlung erforderlich ist, die qua Definition automatisch zur „überwiegenden Selbstständigkeit“ führt, nämlich dann, wenn sich die Person am Wechsel beteiligt. Zur Klarstellung regen wir an, die Maßgabe in der Kategorie „überwiegend Selbstständig“ zur Erinnerung „oder die Person an den Wechsel erinnert wird“ zu ergänzen um  „oder die Person nur an den Wechsel erinnert wird.“    

 

F 4.4.13         Ernährung parenteral oder über Sonde

Ernährung über einen parenteralen Zugang (Port) oder über einen Zugang in den Magen oder Dünndarm (PEG/PEJ)

 

Bei den hier betroffenen Personenkreisen ist i.d.R. die Motivation zur eigenständigen oralen Nahrungsaufnahme der ausschlaggebende Faktor dafür, wie häufig zusätzlich zur oralen Nahrungsaufnahme parenteral oder per Sonde ernährt werden muss. Wir gehen davon aus, dass der hierfür einzusetzende Aufwand zur Motivation über die Items F 4.4.8. und F. 4.4.9 erfasst wird.  

 

 

4.9.5   F 4.5   Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit     

krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

 

In 4.9.5 werden Erläuterung zum Modul 5 des Formulargutachtens gemacht.

 

F 4.5.1       Medikation

F.4.5.1 bezieht sich auf die Medikation. Hier wird ausgeführt, dass bei einer Verabreichung der Medikamente, das Stellen nicht gesondert zu berücksichtigen ist. Diese Einschränkung teilen wir so nicht, unserer Auffassung nach ist das Stellen nicht gesondert zu berücksichtigen, wenn Stellen und Verabreichung zusammenfallen. Sollte aber das Stellen abweichend von der Verabreichung erfolgen, dann ist auch das Stellen zu berücksichtigen. Hier ist eine Präzisierung vorzunehmen.

 

F 4.5.3       Versorgung intravenöser Zugänge (Port)

In 4.5.3 wird ausgeführt, dass die Port-Versorgung oft fachpflegerisch erforderlich ist. Aus unserer pflegefachlichen Perspektive ist das „oft“ durch ein „immer“ zu ersetzen.

 

F 4.5.4       Absaugen und Sauerstoffgabe

Beim Thema Absaugen und Sauerstoffgabe fehlt unserer Ansicht nach das An- und Ablegen von einer Nasenbrille und neben der Bereitstellung der Instrumente/Geräte ist auch die Berücksichtigung der Kontrolle, Pflege und Reinigung der Instrumente/Geräte aufzunehmen. Es sind entsprechende Ergänzungen vorzunehmen.

 

F 4.5.5       Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen

Laut Entwurf der Begutachtungs-Richtlinien sind hier alle externen Anwendungen mit ärztlich angeordneten Salben, Cremes, Emulsionen etc. abzubilden, außerdem Kälte- und Wärmeanwendungen, die z. B. bei rheumatischen Erkrankungen verordnet werden. Unserer Ansicht nach kann es hier auch mündliche Anordnungen/Verordnungen geben, insbesondere bei nichtverschreibungspflichtigen Salben etc., deshalb ist auch der Versicherte bzw. sein Angehöriger zu befragen.

 

 

 

F 4.5.6       Messung und Deutung von Körperzuständen

Auch hier ist zu berücksichtigen, dass Anordnungen/Verordnungen auch mündlich durch den behandelnden Arzt erfolgen können.

 

F 4.5.7           Körpernahe Hilfsmittel

Beim An- und Ablegen von körpernahen Hilfsmitteln wie z. B. von Prothesen, kieferorthopädische Apparaturen, Orthesen, Brille, Hörgerät oder Kompressionsstrümpfen handelt es sich unserer Auffassung nach um zwei Aktivitäten. Dies ist zu berücksichtigen. Entsprechende Präzisierungen sind vorzunehmen.

 

F 4.5.9       Versorgung mit Stoma

Hier ist zu ergänzen, dass es sich um einen ärztlich verordneten Verbandswechsel handeln muss.

 

F 4.5.12     Zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung

Hier wird im Entwurf der Begutachtungs-Richtlinie ausgeführt: die spezielle Krankenbeobachtung (gemäß Pos. 24 HKP-Richtlinien) ist meist rund um die Uhr erforderlich, z. B. bei maschineller Beatmung, und ist mit 1x täglich einzutragen.

Laut Anlage 1 des PSG II werden bei täglich erforderlichen zeit- und technikintensiven Maßnahmen 60 Punkte vergeben, so dass wir die Berücksichtigung der speziellen Krankenbeobachtung mit 1 x täglich für zureichend erachten. Sollte sich jedoch die Punktzahl ändern, dann ist die Bewertung neu anzupassen.

 

F. 4.5.16 Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften

Die Unterscheidung zwischen überwiegend selbstständig und überwiegend unselbstständig ist nicht nachzuvollziehen. Das Einhalten einer Diät ist in der Regel bei allen Mahlzeiten notwendig, so dass nicht ersichtlich ist, warum ein Eingreifen nur einmal täglich erforderlich sein sollte. Es ist entweder erforderlich oder es ist nicht erforderlich. Des Weiteren möchten wir darauf verweisen, dass die Diät auch mündlich verordnet sein kann. Dies ist zu berücksichtigen.

 

4.9.6   F 4.6   Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

 

F 4.6.1           Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen

Den Tagesablauf nach individuellen Gewohnheiten und Vorlieben einteilen und bewusst gestalten und ggf. an äußere Veränderungen anpassen.

 

„Überwiegend selbstständig ist eine Person beispielsweise auch dann, wenn ihre Kommunikationsfähigkeit oder Sinneswahrnehmung stark beeinträchtigt ist und sie daher Hilfe benötigt, um den Tagesablauf mit anderen Menschen abzustimmen.“ Und „Überwiegend unselbstständig ist auch eine Person, die zwar selbst planen und entscheiden kann, aber für jegliche Umsetzung personelle Hilfe benötigt.“

 

Die Abgrenzung zwischen „Überwiegend selbstständig“ und „Überwiegend unselbstständig“ ist unklar gefasst. In beiden Fällen liegt ein Hilfebedarf vor. Eine Person ist nicht überwiegend selbstständig, wenn sie Hilfe benötigt, um den Tagesablauf mit anderen Menschen abzustimmen.

 

 

4.10.3             F 5.3 Ist die Pflege in geeigneter Weise sichergestellt?

Auf Seite 78 (Mitte) wird dazu ausgeführt: „Diese Kriterien sollten erst dann als erfüllt betrachtet werden, wenn die Möglichkeiten zur Sicherstellung der häuslichen Pflege durch Pflegesachleistung, teilstationäre Pflege oder Kurzzeitpflege geprüft worden sind.“

 

Dieser Satz ist auf seinen Sinngehalt auch in Bezug auf die vorangegangenen Ausführungen zu prüfen.

 

4.11                Erhebung weiterer versorgungsrelevanter Informationen

 

4.11.1 Außerhäusliche Aktivitäten

 

Unter F 6.1.2. sieht der Richtlinienentwurf vor, die Erfassung des Kriteriums außerhalb der Wohnung oder Einrichtung auf einen Nahbereich bis zu 500 m zu begrenzen. Diese Begrenzung sieht das Gesetz nicht vor (siehe PSG II Beschlussempfehlung BT S. 60). Sie ist unserer Auffassung nach wieder zurückzunehmen.

 

Anmerkung zu 4.11.2 Haushaltsführung

 

Hier wird  davon ausgegangen, dass die Person dies selbstständig kann oder nicht. Bei überwiegend selbstständig oder überwiegend unselbstständig braucht es fast immer auch einen kognitiven Unterstützungsbedarf, damit die Ausprägung des Kriteriums als zutreffend gilt. Dies ist in der Realität nicht immer gegeben. Hier müsste klargestellt werden, dass jemand auch nur aufgrund einer somatischen Beeinträchtigung eine Einschränkung der Selbstständigkeit haben kann (mit den Ausprägungen „überwiegend selbstständig“ bzw. „überwiegend unselbstständig“). Dieser Personenkreis hat z.B. eine Schwächung der Körperkraft, eine Beeinträchtigung des Gleichgewichtssinns/der Balancefähigkeit oder der Beweglichkeit der Extremitäten. Er benötigt z.B. alleine deshalb Unterstützung, weil er z.B. einen Kochtopf nicht mehr tragen kann, aber durchaus die Mahlzeiten selbstständig zubereiten kann. Die Ausprägungen der Kategorien „überwiegend selbstständig“ bzw. „überwiegend unselbstständig“) sind in den Punkten F. 6.2.2. bis F6.2.5 entsprechend zu präzisieren.

 

Zu F 6.2.6     Umgang mit finanziellen Angelegenheiten versus F 6.2.7 Umgang mit Behördenangelegenheiten

 

4.12    F 7      Empfehlungen zur Förderung der Selbstständigkeit, Prävention

und Rehabilitation (über die bisherige Versorgung hinaus)

 

Leistung zur medizinischen Rehabilitation und Indikationsstellung

Durch rehabilitative, präventive und andere Leistungen kann Pflegebedürftigkeit beeinflusst werden. Es wird dargestellt, wie Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB IX und die Begutachtung nach Pflegebedürftigkeit nach SGB XI durch Umsetzung des Grundsatzes „Rehabilitation vor Pflege“ verbunden werden. Die konzeptionelle und begriffliche Grundlage der medizinischen Rehabilitation, die ICF, wird benannt und die Indikationsstellung für Leistungen der medizinischen Rehabilitation erläutert. Weitere rehabilitativ ausgerichtete Einzelleistungen (u.a. Hilfsmittel) werden erörtert.

 

Konzept, Indikationsstellung und die Rolle der medizinischen Rehabilitation im Zuge der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit werden plausibel dargestellt. Trägerübergreifende Grundlage der medizinischen Rehabilitation ist das SGB IX, das in seinem § 26 Zweck und Leistungselemente der medizinischen Rehabilitation regelt. Da grundsätzlich, wie auf S. 86 richtig vermerkt, eine Mehrzahl von Trägern für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zuständig sein können, ist diese trägerübergreifende Rechtsgrundlage auch zu benennen.

 

Es wird vorgeschlagen, den vorletzten Satz S. 86 wie folgt zu fassen: „Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden in ambulanter oder stationärer Form als komplexe, interdisziplinäre Leistung nach § 26 SGB IX erbracht“ (statt § 40 SGB V).

Der letzte Satz auf S. 86 sollte um die Worte „ und Leistungen nach § 40 SGB V erbringen“  ergänzt werden: „Bei der hier in Frage kommenden Patientengruppe wird überwiegend die gesetzliche Krankenversicherung zuständig sein und Leistungen nach § 40 SGB V erbringen“.

 

Rehabilitationsfähigkeit

Als Ausschlusskriterien für eine (geriatrische) Rehabilitation werden u.a. auf Seite 89 genannt:

Begleiterkrankungen bzw. Komplikationen, die eine aktive Teilnahme an der Rehabilitation verhindern, z.B.

-       schwere Orientierungsstörungen, z.B. mit Wanderungstendenzen

-       ausgeprägte psychische Störungen, wie schwere Depression mit Antriebsstörung oder akute Wahnsymptomatik

-       massiv eingeschränkte kognitive Fähigkeiten, z.B. bei hochgradiger Demenz

-       ausgeprägte Wundheilungsstörungen, Lage und Größe eines Dekubitus

-       Darminkontinenz, wenn diese Ausdruck einer weit fortgeschrittenen geistigen und körperlichen Erkrankung ist

 

Schwere Orientierungsstörungen, wie Wanderungstendenzen und Darminkontinenz, wenn diese Ausdruck einer weit fortgeschrittenen geistigen Erkrankung sowie massiv eingeschränkte kognitive Fähigkeiten schließen gerade viele Menschen mit Demenzerkrankungen von der Rehabilitation aus. Wanderungstendenzen, Stuhlinkontinenz und Antriebsstörungen bei Depressionen sind aus Sicht der BAGFW in keinem Fall Ausschlusskriterien, sondern sogar Indikationen für das Erfordernis einer geriatrischen Rehabilitation.

Gerade der geriatrische Patient weist sowohl somatische Einschränkungen als auch psychosoziale Störungen mit entsprechenden Symptomen auf. Auch wenn dieser Personenkreis nicht von einer stationären Rehabilitation profitieren kann, ist er doch sehr wohl der mobilen geriatrischen Rehabilitation zugänglich. Darauf wird auch auf Seite 91 dieses Abschnitts ausdrücklich und sachgerecht verwiesen. Im Übrigen kommt es auf den Einzelfall an.

 

Aus diesen Gründen hält es die BAGFW für sinnvoll, an die Stelle eines Katalogs von möglichen Ausschlussgründen ein Freitextfeld zu setzen, in welchem der Gutachter angeben soll, warum er zu der Einschätzung kommt, dass der Antragsteller nicht rehabilitationsfähig ist. Sollte der Katalog beibehalten werden, sind die oben genannten Spiegelstriche schwere Orientierungsstörungen, ausgeprägte psychische Störungen, massiv eingeschränkte kognitive Fähigkeiten sowie Darminkontinenz zu streichen.

 

Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung

Außerdem können Adaptionshilfen, Gehhilfen, Hilfsmittel gegen Dekubitus, aufsaugende Inkontinenzhilfen, Stehhilfen und Stomaartikel in Betracht kommen, da es sich hierbei im Einzelfall um pflegenahe Produkte handeln kann.

 

Gehhilfen (wie z.B. Gehwagen, Gehgestelle), Hilfsmittel gegen Dekubitus und aufsaugende Inkontinenzhilfen werden in der vorliegenden Richtlinie als „pflegenahe“ Produkte bezeichnet. Je nach Produktart gehören sie jedoch überwiegend zu den Pflegehilfsmitteln. Der Begriff „pflegenahe Produkte“ ist hier nicht zutreffend, überdies nicht hinreichend spezifiziert und somit zu streichen.

 

Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen (Optimierung der räumlichen Umgebung)

Der Gutachter hat alle zum Zeitpunkt der Begutachtung erforderlichen Maßnahmen zu dokumentieren. Diese Maßnahmen werden von der Pflegekasse als eine Verbesserungsmaßnahme gewertet…

 

Die BAGFW begrüßt, dass die Gutachter mögliche wohnumfeldverbessernde Maßnahmen vollumfänglich zu erheben haben. Unklar ist jedoch, warum alle dokumentierten möglichen Verbesserungen als „eine Verbesserungsmaßnahme“ zu werten sind. § 40 Absatz 4 Satz 2 sieht vor, dass die Zuschüsse für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen einen Betrag in Höhe von 4000 Euro je Maßnahme nicht überschreiten dürfen. Dies bedeutet, dass jede einzelne Maßnahme leistungsauslösend ist. Da das Gutachten dem Antragsteller grundsätzlich zu übermitteln sind, sollte das Formulargutachten zur Verbesserung der Pflegebedürftigkeit so ausgestaltet sein, dass alle Empfehlungen als Einzelmaßnahmen aufgelistet werden. Das Gutachten, das dem Antragsteller im Anschluss übermittelt wird, muss so im Teil der wohnumfeldverbessernden Maßnahmen ausgestaltet sein, dass dem Antragsteller transparent wird, dass es sich bei dem Empfehlungen jeweils um Einzelmaßnahmen handelt.

In den bisherigen Richtlinien waren Beispiele für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen enthalten. Diese sind in der vorliegenden Entwurfsfassung entfallen. Beispiele können dem Gutachter jedoch eine Orientierung geben. Daher sollen zumindest die beispielhaften Aufzählungen der alten Richtlinie wieder aufgenommen werden.

 

Edukative Maßnahmen/Beratung/Anleitung

Unter Edukation werden Lern- und Bildungsmaßnahmen verstanden, die in vier Kernaktivitäten zusammengefasst werden: Information, Schulung, Beratung und Moderation. (…). Die vier Kernaktivitäten werden wie folgt definiert:

-       Information (….)

-       Beratung (….)

-       Schulung (….)

-       Anleitung (….)

 

Die BAGFW begrüßt nachdrücklich, dass edukative Maßnahmen in die Richtlinie aufgenommen werden, denn dies entspricht dem neuen Ansatz der Ressourcenorientierung und Förderung von Selbstständigkeit. Zur Edukation gehört wesentlich die Anleitung. Dieses Kernelement ist auf S. 96 in den vier Spiegelstrichen, welche die Kernaktivitäten aufzählen, auch wiedergegeben, jedoch nicht auf S. 95, wo lediglich von Moderation die Rede ist. Der Begriff der „Moderation“ auf S. 95 sollte durch „Anleitung“ ersetzt werden.

Edukative Maßnahmen sind systematisch bei den einzelnen Modulen zu erfassen. So sind diese bei F 7.1.3 beispielhaft ausgeführt (auch wenn wir die Untergliederung „edukative Maßnahmen, Anleitung bzw. Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Umgang mit Hilfsmitteln und medizinischen Geräten“ so nicht teilen können), fehlen jedoch bei F 7.1.2 und F 7.1.1.

 

Präventive Maßnahmen

Wird eine Beratung zu Leistungen zur verhaltensmäßigen Primärprävention nach § 20 Absatz 5 SGB V empfohlen, kann sich diese ausschließlich entsprechend des Leitfadens Prävention auf Maßnahmen/Kurse zu folgenden Handlungsfeldern beziehen.

-       (….)

-       (…) usw.

 

Hinsichtlich dieser Passage wird in Fußnote 7 auf den Leitfaden Prävention in der Fassung vom 10. Dezember 2014 Bezug genommen. Die Fußnote ist zu erweitern um „bzw. in der jeweils geltenden Fassung“. Dies ist von hoher Bedeutung, da die Erweiterung des Formulargutachtens um die Maßnahmen zur verhaltensbezogenen Primärprävention nach § 20 Absatz 5 SGB V auf das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“ zurückzuführen ist. Dieses Gesetz ist am 25. Juli 2015 in Kraft getreten. Die Neufassung des Leitfadens Prävention auf dieser neuen gesetzlichen Grundlage steht jedoch noch aus.

 

Im Formulargutachten ist für die präventiven Maßnahmen lediglich ein Freitextfeld

vorgesehen. Dies bietet dem Gutachter zu wenig Orientierung für seine Hinweise. Es

sollten folgende präventive Handlungsfelder benannt werden:

 

  • Bewegungsförderung
  • Sturzprävention
  • Beseitigung von Fehl- und Mangelernährung / Gewichtsregulierung
  • Maßnahmen zur mentalen und geistigen Anregung / Gedächtnistraining
  • Verantwortungsbewusster Umgang mit Sucht-/Genussmitteln
  • Wohnberatung / wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
  • Verbesserung der psychosozialen Gesundheit

 

Allgemeine Anmerkung: Der BAGFW ist nicht klar, wo und inwiefern sich die unter F.7 genannten Empfehlungen zu den präventiven Maßnahmen sowie zu den edukativen Maßnahmen systematisch im Formulargutachten wiederfinden (siehe 7.1 und 8.4 u. 8.5)?

Die unter Punkt F.7 „Empfehlungen zur Förderung der Selbstständigkeit, Prävention und Rehabilitation“ verstehen wir als Einführungs- und Einleitungskapitel zu den einzelnen Empfehlungen. Hier vermissen wir Einführungen zum Thema „Intensivierung therapeutischer Maßnahmen“. 

 

 

 

 

 

4.12.1             F 7.1   Möglichkeiten zur Verbesserung der festgestellten

Selbstständigkeit der Fähigkeiten

 

F 7.1.1           Mobilität, Selbstversorgung und Haushaltsführung

 

4          Präventive Maßnahmen

Eine Beratung zur Mundgesundheit und zur Verhütung von Zahnerkrankungen kann nach § 22a SGB V angeregt werden.

 

Die Leistung nach § 22a SGB V ist eine Regelleistung der Krankenkassen. Daher soll die „Kann“-Formulierung in eine „Soll“-Formulierung überführt werden.

 

4.13.               F 8      Weitere Empfehlungen und Hinweise für die Pflegekasse

 

F 8.9   Der Antragsteller widerspricht der Übersendung des Gutachtens

Regelhaft soll die Pflegekasse dem Antragsteller mit dem Bescheid auch das Gutachten zur Verfügung stellen.

 

Generell soll die Überschrift lauten „Übersendung des Gutachtens an den Antragsteller“, denn dies ist die Aufgabe der Pflegekasse, den Antragsteller über sein Recht auf Erhalt des Gutachtens zu informieren. Entsprechend muss die „Soll“-Formulierung in eine „Muss“-Formulierung zu ändern: „Regelhaft hat die Pflegekasse dem Antragsteller mit dem Bescheid auch das Gutachten zur Verfügung zu stellen“.

 

6.2      Erwachsene - Formulargutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Bei den Anlässen des Antrages / Auftrages fehlen sämtliche Leistungen, auf welche Personen in Pflegegrad 1 Anspruch haben, z.B. § 45a, § 38a und § 40 Abs. 4 SGB XI.

Auf S. 169 ist neben dem Beginn der Begutachtung auch das Ende aufzunehmen.

Ad 1.4: Es fehlen die vollstationären Einrichtungen. Des Weiteren fehlt eine Kategorie Pflege durch An-/Zugehörige/andere Pflegepersonen.

Ad 4.5: Modul 5: Bei den Angaben zur ärztlichen Versorgung sind die Kategorien Hausbesuche und Praxisbesuche zu ergänzen.

Ad 7.3.1: Bei den Items zur Bewertung der Rehabilitationsfähigkeit befinden sich Punkte, die im vorderen Teil nicht angeführt sind, wie z.B. fehlende Kooperations- und Einsichtsfähigkeit aufgrund fehlender oder fortgeschrittener  dementieller Störungen. Dieser Katalog ist an den vorderen Kriterienkatalog anzupassen. 

Ad 9: Beteiligte Gutachter: Des Weiteren ist die berufliche Qualifikation des Begutachters anzugeben. Dies umfasst auch die Qualifikation und ggf. die Fachrichtung der externen Gutachter.