Hier: Art. 30 Abs. 3 (d), Freistellung von Personalkosten bei Weiterbildung und Art. 30 Abs. 4, Bei- hilfeintensität
DGB, BDA und BAGFW begrüßen nachdrücklich, dass der überarbeitete Entwurf der AGVO wieder die Möglich- keit vorsieht, Personalkosten von Ausbildungsteilnehmern (Freistellungskosten/Teilnehmereinkommen) und allge- meine indirekte Kosten (Verwaltungskosten, Miete, Gemeinkosten) als beihilfefähige Kosten zu berücksichtigen. Dies ist ein wichtiger Schritt, damit u. a. über die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds geförderte Be- schäftigtenprojekte, insbesondere in Partnerschaftsprogrammen umgesetzt werden können. Die Beschränkung
auf Klein- und Mittelbetriebe bis 250 Beschäftigte (Art. 30 Abs. 3 (d)) ist allerdings keine Lösung, weil hierdurch
zahlreiche Projekte gefährdet sind bzw. nicht zustande kommen.
Die Gewerkschaften zusammen mit den Arbeitgeberverbänden und die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege planen im Rahmen von Partnerschaftsprogrammen ESF-Projekte zur Bewältigung des demografischen Wandels in den Unternehmen bzw. in der Sozialwirtschaft, die u.a. auf eine Stärkung der Weiterbildung abzielen. Dabei geht es nicht allein um die Durchführung von Maßnahmen, sondern auch um Strukturveränderungen, die den Sozial- partnern und den Unternehmen der Sozialwirtschaft helfen, diese Probleme aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln zu bewältigen. Die geplanten Maßnahmen stellen insofern nur eine Initialzündung dar.
Wenn die Beschränkung Bestand hat, führt sie in Zukunft zu einer doppelten finanziellen Belastung für Unterneh- men mit mehr als 250 Mitarbeitern, in denen in Deutschland fast jeder zweite Arbeitnehmer beschäftigt ist. Ei- nerseits durch die Übernahme der Personalkosten für die Teilnehmenden (Lohnfortzahlung) und andererseits auf- grund von deren Nichtanrechenbarkeit als Kofinanzierung (nach Art. 30 Abs. 4 bei Unternehmen mit mehr als
250 Mitarbeitern 50 % der Gesamtfinanzierung). Es ist nachvollziehbar, dass unter diesen Bedingungen die Be-
reitschaft der Unternehmen, sich an entsprechenden ESF-geförderten Projekten zu beteiligen, gering ist.
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Wir schlagen deshalb vor:
a) Streichung der Worte „bei KMU-Beihilfen“ in Art. 30 Abs. 3 (d) oder
b) Ergänzung von Art. 30 Abs. 3 (d) wie folgt: „bei KMU-Beihilfen und bei über die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds geplanten Programme für Beschäftigte sowie bei Beihilfen für nicht gewinnorientierte Un- ternehmen der Sozialwirtschaft die Personalkosten …“
Begründung:
Die Förderung des lebenslangen Lernens ist eines der Kernziele des Europäischen Sozialfonds in der neuen För- derperiode 2014-2020. Dazu wird in der finalen ESF-VO, Art. 2 Abs. 3, ausgeführt: „Der ESF leistet auch Unter- stützung für Arbeitnehmer, Unternehmen, einschließlich Akteuren der Sozialwirtschaft …“. Entsprechend sind die Unternehmensstrukturen der Sozialwirtschaft zu berücksichtigen.
Laut Rückmeldung der Bewilligungsbehörde stammen in der aktuellen Förderperiode bei den Partnerschaftspro- grammen im ESF Bund ca. 25 % der Beschäftigten aus Unternehmen mit über 250 Beschäftigten. Es liegt also kein Ungleichgewicht zugunsten dieser Gruppe vor. Dies spricht dafür, dass an den ESF-geförderten Projektvor- haben weiterhin unterschiedliche Organisationseinheiten (klein-mittel-groß) zu gleichen Konditionen teilnehmen können, um durch diesen Mix die Ausgewogenheit und den Erfolg der Projekte sicherzustellen. Dem berechtigten Anliegen der Kommission, insbesondere KMU bei der Stärkung der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter bzw. beim Aufbau der Strukturen hierfür gezielt zu fördern, kann und wird durch entsprechendes verantwortliches Handeln der Steuerungsgruppen zu den Programmen Rechnung getragen werden.
Darüber hinaus sind Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege – unabhängig von ihrer Unternehmensgröße – der Gemeinnützigkeit verpflichtet und unterliegen damit engen satzungsgemäßen Vorgaben. Sie verfolgen keine primäre Gewinnabsicht, bilden aus steuerrechtlichen Gründen keine oder nur geringe Rücklagen und können des- halb kaum Eigenmittel in ESF-Projektaktivitäten einbringen. Sie sind darauf angewiesen, ihre finanzielle Beteili- gung über Teilnehmereinkommen/Freistellungskosten und durch die Teilnahme von Beschäftigten an den Projek- taktivitäten darstellen zu können.
Eine Gefahr nennenswerter Wettbewerbsverzerrungen in den beteiligten Wirtschaftsbereichen ergibt sich aus un- serer Sicht mit Blick auf die den bisherigen Erfahrungen mit ESF-geförderten Partnerprogrammen in der aktuellen Förderperiode nicht, da im Vordergrund der Projekte in der Regel der Nutzen für die Beschäftigten steht, der auch in andere Arbeitsbereiche übertragbar ist.
Wir möchten die Ungleichbehandlung, gegen die wir uns wenden, an zwei Beispielen verdeutlichen:
Es ist schwer vermittelbar, warum eine Erzieherin aus einer Elterninitiative (KMU) gefördert werden kann; arbeitet sie bei einem großen Wohlfahrtsverband oder bei der Stadt („Großunternehmen“), aber nicht. Die demografi- schen Herausforderungen sind in allen Einrichtungen der Kinderbetreuung gleich und im Sinne der Gleichbehand- lung, auf die auch die Strukturförderung so großen Wert legt, sollte der Zugang zu einer entsprechenden Förde- rung für alle Beschäftigten – unabhängig von der betrieblichen Größe – uneingeschränkt möglich sein.
Gleiches gilt auch in der Privatwirtschaft: Während der Elektromechaniker im mittelständischen Betrieb mit 150
Mitarbeitern über Fondsmittel gefördert würde, entfiele diese Förderung, wenn er die gleiche Arbeit in einem mit- telständischen Betrieb mit 270 Mitarbeitern verrichtet. Der Ausschluss der Vielzahl an Mitarbeitern gerade etwa
in Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeitern ist angesichts der vergleichbaren Herausforderungen mit Blick auf die
Fachkräftesicherung nicht nachvollziehbar.
Der Einsatz der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds unterliegt in der kommenden Förderperiode stärker denn je der Beteiligung der Sozialpartner und der Nichtregierungsorganisationen. Die Partner sollen in den Vor- bereitungen der Programme und deren Umsetzung, im Monitoring und an der Evaluierung beteiligt werden. De- tails dazu finden sich im europäischen Verhaltenskodex für die Umsetzung des Partnerschaftsprinzips in den Struktur- und Investitionsfonds der Kommission.
Zudem sind in der neuen ESF-Förderperiode Verwaltungsvereinfachungen durch z.B. Pauschalierung der Kosten und der Festsetzung der Zuschusshöhe auf die unterste Beihilfeintensität, die die AGVO für Ausbildungsbeihilfen vorsieht, vorgesehen. Deshalb wird die im AGVO-Entwurf vorgesehene Absenkung der Beihilfeintensitäten (Art
30 Abs. 4) nach wie vor kritisch von uns gesehen, denn damit würden vor allem kleine und mittlere Unternehmen benachteiligt.
DGB, BDA und BAGFW schlagen von daher vor, die untere Grenze der Beihilfeintensität für die beihilfefähigen Kosten weiterhin auf 60 % festzulegen mit der Option auf 70 % oder 80 %, wie es die bestehende AGVO vor- sieht.
In diesem Sinne sprechen wir uns für eine Überarbeitung der AGVO unter Berücksichtigung unserer Vorschläge aus, um eine breite und partizipative Umsetzung der auf Bundes- und Landesebene geplanten ESF-Programme sicherzustellen und die Gefahr von möglichen Notifizierungsverfahren von betroffenen Richtlinien in den Operati- onellen Programmen des Bundes und der Länder abzuwenden.