Werkstattgespräch „Qualitätsprüfungs-Richtlinien“ (QPR) im BMGS am 28.2.2007 Erfahrungen und Einschätzungen der BAGFW

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hat dem Bundesministerium für Gesundheit mit Schreiben vom 30.09.2005 eine 16-seitige Stellungnahme überreicht, in der sie sich differenziert mit den informell bekannt gewordenen Entwürfen der MDK-Anleitungen zu Qualitätsprüfungen auseinandergesetzt hat.

I. Allgemeine Vorbemerkung

 

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hat dem Bundesministerium für Gesundheit mit Schreiben vom 30.09.2005 eine 16-seitige Stellungnahme überreicht, in der sie sich differenziert mit den informell bekannt gewordenen Entwürfen der MDK-Anleitungen zu Qualitätsprüfungen auseinandergesetzt hat. Einige Kritikpunkte sind mit In-Kraft-Treten der vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigten Qualitätsprüfungs-Richtlinien entfallen, so wurde z. B. die fragwürdige Bewertungssystematik nicht in die QPR aufgenommen.

 

In einigen Bundesländern wird zur „regionalen Erprobung der Bewertungssystematik des MDS“ versucht, diese Bewertungssystematik, obwohl sie bei Einführung der Qualitätsprüfungsrichtlinie (QPR) vom BMG nicht genehmigt wurde, bei interessierten Einrichtungen auf freiwilliger Basis einzuführen. Das BMG hatte bei der Verabschiedung der QPR die Bewertungssystematik aus folgendem Grund nicht genehmigt: „Die Bewertungssystematik ermöglicht eine schematische Gesamtbewertung aller geprüften Pflegeeinrichtungen verbunden mit der Gefahr, dass die Ergebnisse relativ leicht nach außen transportierbar sind.“ (Schreiben des BMG vom 10.11.05)

 

Nutzerinnen und Nutzer von Pflegeeinrichtungen und ihre Angehörigen haben ein berechtigtes Interesse, sich über die Qualität der Pflege in den jeweiligen Pflegeeinrichtungen ein Bild machen zu können. Allerdings eignen sich aufgrund mangelnder Validität und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse die gegenwärtig verwendeten QPR nicht, dieses Ziel anhand einer Veröffentlichung der Prüfberichte zu erreichen. Die Veröffentlichung von Qualitätsdaten ist als eine gemeinsam zu gestaltende Aufgabe aller beteiligten Akteure zu verstehen. Nutzer(innen) und Pflegeverbände müssen an dem Prozess der Entwicklung eines Instrumentes zur Transparenz der Qualität in der Pflege sowie an der Verfahrensfrage der Umsetzung beteiligt werden. Inhalt und Strukturen eines solchen Verfahrens müssen auf Bundesebene einheitlich mit den Leistungserbringerverbänden verhandelt werden.

 

Fazit: Einer Veröffentlichung der Berichte wird durch die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege zum gegenwärtigen Zeitpunkt widersprochen. Bei der Entwicklung und Einführung eines Instrumentes zur Transparenz in der Pflege müssen Verbraucher und Leistungserbringer substanziell beteiligt werden.

 

 

II. Zu den Leitfragen

 

1.) Wie authentisch bildet das Prüfergebnis die gesamte Pflegequalität (Struktur, Prozess, Ergebnisqualität) einer Einrichtung ab (Validität)?

 

Hauptproblem bei der Beurteilung der Validität der QPR ist das Fehlen eines gemeinsamen, anhand verschiedener Kriterien operationalisierten Begriffs von Ergebnisqualität in der Pflege und Versorgung. Die Forschung in diesem Bereich ist noch nicht sehr weit fortgeschritten, eine Grundlagenforschung ist hier einzufordern, um eine größtmögliche Validität von Ergebnissen sicherzustellen. Nach wie vor fehlen allgemeine und deshalb auch in der MDK-Prüfanleitung exakte methodisch-logische Qualitätskriterien, um wissenschaftlich gültige Feststellungen zur Ergebnisqualität der Pflege und Versorgung treffen zu können. Die BAGFW hat hierzu einen Projektvorschlag entwickelt und als Forschungsantrag an das BMG gestellt.

 

Die MDK-Prüfanleitung operationalisiert nicht nur gesetzliche Vorgaben und vertragliche Vereinbarungen zur Qualität, sondern weitere Qualitätsanforderungen und sogar eine kostenwirksame Erhöhung des Leistungsumfangs, wobei die Kataloge in den Ländern teilweise unterschiedlich sind. Die Bezugnahme auf die im Entwurf vorliegenden neuen Qualitätsvereinbarungen nach § 80 SGB XI ist schwierig, da diese nicht von allen Beteiligten unterzeichnet wurden. Der MDK beruft sich aber explizit auf diese Vereinbarungen und setzt sie in konkrete Anforderungen um.

 

Des Weiteren beruft sich der MDS in der Prüfanleitung auf Expertenstandards, deren Evidenzbasierung von Experten z.T. in Frage gestellt wird und denen - zumindest im ambulanten Bereich - eine Anpassung an das jeweilige Setting fehlt. Faktisch erhalten Expertenstandards, auch durch die Übernahme in die MDK-Prüfanleitung, unmittelbar Gültigkeit. Nach unserer Ansicht bedarf es deshalb mit den Verbänden der Leistungserbringer verhandelter Fristen zur Einführung und Umsetzung von wissenschaftlich legitimierten evidenzbasierten und an die jeweiligen Settings angepassten Expertenstandards, bevor diese in die MDK-Prüfanleitung übernommen werden.

 

Es gibt unterschiedliche Darstellungen des jeweiligen Prüfergebnisses, z. B. als Prüfbericht des MDK, als zusammenfassende Bewertung in diesem Bericht sowie Auswertungen des MDK-Berichts durch die Pflegekassen. Die jeweiligen Berichte bzw. Schreiben unterscheiden sich zudem in Form, Inhalt und Umfang wesentlich, ein einheitliches Raster wird nicht genutzt. Für die "Zusammenfassende Bewertung" der Ergebnisqualität in Prozentzahlen wird aus den Ergebnissen einer 10%-Stichprobe für die ganze Einrichtung hochgerechnet: Es muss bezweifelt werden, ob eine 10%-Stichprobe schon zu einem belastbaren Ergebnis führt.

 

Viele MDK-Prüfberichte sind lediglich als Berichte über Abweichungen von guter Qualität formuliert. Besonders problematisch ist die Beschreibung eines prozentualen Zielerreichungsgrades auf Grundlage der internen Arbeitshilfe des MDK.

 

Fazit: Das Fehlen einer gemeinsam mit den Verbrauchern und Leistungserbringern abgestimmten und einheitlichen, die verschiedenen Aspekte der Versorgung und Pflege umfassenden Definition der Ergebnisqualität guter Pflege führt zur Problemen in der Anwendung und Interpretation der QPR. Die Erarbeitung einer solchen Definition bzw. eines solchen gemeinsamen Kriterienkatalogs wird daher wird für prioritär gehalten.

2.) Würde eine erneute Prüfung bei gleichen Voraussetzungen mit dem gleichen Verfahren das gleiche Ergebnis hervorbringen (Reliabilität)?

 

Da nachvollziehbare und differenzierte Kriterien zur Beantwortung vieler Fragen fehlen, beruhen die Beurteilungen auf subjektiven Einschätzungen der Prüfperson und sind abhängig vom Zustand der pflegebedürftigen Person, von deren Tagesform und individueller Situation. Von einer subjektiven Komponente in Bezug auf die Pflegebedürftigen und einer eingeschränkten Reliabilität der Prüfungsergebnisse ist daher grundsätzlich auszugehen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Hochrechnung einzelner Ergebnisse aus einer Prüfung ein unzulässiges Verfahren und generiert falsche Zielerreichungsgrade. Das oben bereits angemahnte Fehlen eines gemeinsamen Verständnisses und einer gemeinsam verabredeten Operationalisierung der Pflegequalität führt auch bei der Beurteilung zu Urteilsverzerrungen. Um die Abhängigkeit des Ergebnisses vom jeweiligen Prüfer bzw. der jeweiligen Prüferin zu minimieren (Inter-Rater-Reliabilität oder Objektivität), müssen diese gründlich geschult sein und sich auf ein transparentes Verfahren mit differenzierten Kriterien stützen können.

 

Fazit: Die Reliabilität des Verfahrens sollte insbesondere an dessen Objektivität und der Differenzierung der Prüfkriterien gemessen werden, muss dabei aber immer die Dynamik des zu beurteilenden Sachverhalts, nämlich das Wohlergehen des gepflegten Menschen, berücksichtigen.

 

3.) Eignet sich das ermittelte Ergebnis als Beratungsgrundlage; welche Rolle spielt der Beratungsaspekt im Rahmen der Prüfung?

 

Grundsätzlich wird seitens der Träger die Möglichkeit gesehen, das Prüfungsergebnis als Beratungsgrundlage zu verwenden. Dies gilt insbesondere, soweit „Verbesserungspotenziale" aufgezeigt werden. Damit das Prüfergebnis als Beratungsgrundlage seitens der Einrichtungen akzeptiert werden kann, muss aber transparent sein, wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Grundsätzlich sind die Antworten auf die ja-/nein-Fragen nicht für eine tiefergehende Analyse und Beratung geeignet.

 

Andererseits wäre die Voraussetzung für eine effektive Beratung ein Vertrauensverhältnis, in dem auch mögliche Gründe für Abweichungen offen benannt und aus der Analyse gemeinsam Handlungsalternativen entwickelt werden können. Dazu eignet sich das der Prüfung anschließende Gespräch und wird teilweise auch dazu verwendet. Allerdings ist anzumerken, dass der anschließende schriftliche Bescheid oftmals schärfer formuliert ist, als es aus dem Beratungsgespräch hervorgeht. Gemeinsam mit der Befürchtung, dass schlimmstenfalls Sanktionen drohen, wird das für eine Beratung notwendige Vertrauensverhältnis belastet. Bei einer externen Prüfung durch den MDK kann die Einrichtung dies nicht erwarten, vielmehr kann sie bestenfalls mit Empfehlungen oder Anweisungen über zu treffende Maßnahmen rechnen, muss evtl. aber sogar mit Sanktionen rechnen.

 

Allerdings wird keineswegs von allen MDK versucht, den Anspruch eines "beratungsorientierten Prüfansatzes" umzusetzen, im Gegensatz zu den Prüfungen durch die Heimaufsicht.

 

Fazit: Eine grundsätzliche Eignung des Prüfungsergebnisses als Beratungsgrundlage wird gesehen, allerdings scheint die Rolle der Prüferinnen und Prüfer bislang stärker an der Kontrollfunktion als der Beratungsfunktion ausgerichtet zu sein, so dass das notwendige Vertrauensverhältnis nicht aufgebaut werden kann.

 

4. Gibt es merkliche Veränderungen im Prüfverfahren durch den MDK seit Einführung der QPR?

 

Das Prüfverfahren gem. QPR erscheint noch nicht wirklich implementiert, in einzelnen Ländern scheinen bislang nur vereinzelt Prüfungen nach diesem Verfahren durchgeführt zu werden. Auch die Länge der Prüfberichte ist sehr unterschiedlich. Weiterhin wird die Abstimmung mit Prüfungen durch die Heimaufsicht sehr unterschiedlich gehandhabt. Der mit den QPR beabsichtigte Standard eines bundeseinheitlichen Verfahrens ist keineswegs erreicht. Insofern scheint die Einführung der QPR noch im Experimentier- oder Implementierungsstadium zu stecken.

 

Das Grundprinzip bleibt ein zu umfangreicher Prüfkatalog, der mit seinen Ergebnissen in Berichtsform gegossen, vom Einrichtungsträger zu überprüfen ist, inwieweit die Ergebnisse zutreffend sind und welche Handlungszwänge aus dem Bericht resultieren. Die Durchführung des Prüfverfahrens dauert wesentlich länger.

 

Als besonderes Problem möchten wir die durch die Einführung der QPR entstandenen Defizite im Datenschutz der Bewohner(innen) ansprechen. Anders als in früheren Prüfberichten werden personenbezogene Daten der in Augenschein genommenen Pflegebedürftigen im Prüfbericht wiedergegeben. Dadurch sind diese Personen eindeutig identifizierbar. Hier besteht aus unserer Sicht erheblicher Handlungsbedarf zum Schutz der in die Untersuchung einbezogenen Bewohner(innen).

 

Fazit: Das Verfahren ist in unterschiedlichem Ausmaß implementiert, das Ziel eines bundeseinheitlichen Prüfverfahrens (noch) nicht erreicht. Fragen treten hinsichtlich des Datenschutzes auf. Deutlich wurde bislang die längere Durchführungsdauer.

 

 

 

Berlin, 16.02.2007

 

Für die BAGFW:

Frau Doris Schmidt, DRK

Frau Dr. Gabriele Rössler, DRK (Vorsitzende der BAGFW-Sozialkommission I)