- Vorbemerkung
Die Verbände der BAGFW begrüßen die Verlängerung der sogenannten Westbalkanregelung ausdrücklich. Sie ist aus Sicht der Verbände ein Erfolg und ein wichtiger Schritt hin zu einer Arbeitsmarkteinwanderung unabhängig von formalen Qualifikationen.
Die Erfahrungen mit der aktuellen Regelung zeigen, dass sich der Bedarf an Arbeitskräften aus dem Ausland nicht auf Fachkräfte und Hochqualifizierte beschränkt. Sie zeigen zudem, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in der Lage sind, in unregulierten Arbeitsbereichen einzuschätzen, welche informellen Qualifikationen zum Anforderungsprofil der jeweiligen Stellen passen. Nachweis hierfür ist die Stabilität der auf diesem Weg entstandenen Beschäftigungsverhältnisse. Weder kam es zu einem merkbaren Anstieg der Inanspruchnahme von Sozialleistungen, noch gibt es Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung der Regelung. Dies ist auch der Evaluation der Regelung durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zu entnehmen.[1] Die Ergebnisse der Evaluation decken sich mit den Praxiserfahrungen aus den Beratungsstellen der Verbände.
Gerade vor dem Hintergrund der sehr positiven Erfahrungen aus dem Zeitraum 2016 bis 2020 ist es nicht nachvollziehbar, dass die Regelung erneut auf drei Jahre befristet werden soll. Die Verbände der BAGFW regen daher an, auf diese Befristung zu verzichten und darüber hinaus zu prüfen, inwiefern die Regelung auf weitere Herkunftsstaaten ausgeweitet werden kann.
Auf die Einführung eines Kontingents von 25.000 Visa pro Jahr sollte verzichtet werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass damit das Ziel der besseren Planbarkeit für Antragstellerinnen und Antragsteller und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber erreicht werden kann. Engpässen bei den jeweiligen Auslandsvertretungen kann besser durch einen weiteren Personal- und Kapazitäten-Ausbau sowie durch einen Wegfall der Verpflichtung, die Zustimmung (und das Visum) in der Botschaft des Heimatstaates zu beantragen, begegnet werden.
- Referentenentwurf – Änderung § 26 Absatz 2 Beschäftigungsverordnung (BeschV)
§ 26 Absatz 2 Satz 1 BeschV-E
- Beabsichtigte Neuregelung
Die aktuelle Befristung der Regelung auf die Jahre 2016 bis einschließlich 2020 wird ersetzt durch eine Befristung auf die Jahre 2021 bis einschließlich 2023.
- Stellungnahme
Auf eine erneute Befristung der Regelung sollte verzichtet werden. Der Zeitraum 2016 bis 2020 der bisherigen Reglung war bereits ausreichend lang, um eine Beurteilung der Wirksamkeit der Regelung vorzunehmen. Die Evaluation der Regelung durch IAB (s.o.) beurteilt die Regelung als sehr erfolgreich. Die Praxiserfahrungen der Beratungsstellen der Verbände der BAGFW bestätigen diese Einschätzung.
Eine Befristung ist auch nicht notwendig, um auf eine mögliche Änderung des Arbeitskräftebedarfs nach 2023 zu reagieren. Durch die verpflichtend durchzuführende Vorrangprüfung besteht ausreichend Flexibilität, um zu reagieren, sollte nach 2023 wider Erwarten der Bedarf an Arbeitskräften durch deutsche Arbeitnehmende, ihnen gleichgestellte Ausländer*innen sowie freizügigkeitsberechtigte Staatsangehörige der Europäischen Union gedeckt werden können.
- Änderungsvorschlag
Ersatzlose Streichung der Wörter “in den Jahren 2021 bis einschließlich 2023”.
§ 26 Absatz 2 Satz 2 BeschV-E
- Regelung
Die Regelung in Satz 2 wird nicht geändert und sieht vor, dass ein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels ausschließlich bei der jeweils zuständigen deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsstaat gestellt wurde.
- Stellungnahme
Die jeweiligen Auslandsvertretungen der in Satz 1 genannten Herkunftsländer verfügen laut Gesetzesbegründung nicht über die notwendigen Kapazitäten zur Bearbeitung der Anträge. Die Beschränkung auf diese Auslandsvertretungen durch die Regelung in Satz 2 ist daher kontraproduktiv, um eine Bearbeitung der Anträge innerhalb eines für Antragstellende und Arbeitgebende zumutbaren Zeitraums zu gewährleisten. Zudem trägt die Regelung der Mobilität der Antragstellenden nicht ausreichend Rechnung. Personen, die sich aus familiären oder beruflichen Gründen nicht in ihrem Herkunftsland befinden, müssen nur für die Antragstellung in ihr Herkunftsland zurückreisen. Gerade für Antragstellende, die sich aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis heraus bewerben, stellt diese Bedingung eine unnötige Barriere dar.
- Änderungsvorschlag
Streichung von „im Herkunftsstaat“ in Satz 2
§ 26 Absatz 2 Satz 3 BeschV-E
- Beabsichtigte Neuregelung
Der neue Satz 3 sieht eine Begrenzung der Zustimmungen zur Ausübung jeder Beschäftigung, die innerhalb eines Jahres erteilt werden können, auf ein Kontingent von 25.000 vor.
- Stellungnahme
Die Beschränkung auf ein Kontingent von 25.000 ist nicht geeignet, um das Ziel einer besseren Planbarkeit der Antragsbearbeitung für Auslandsvertretungen, Antragstellende und Arbeitgebende zu erreichen. Die Festlegung auf 90 % der im vergangenen Jahr erteilten Visa sendet zum einen bereits das Signal an Antragstellende und vor allem Arbeitgebende, dass das Risiko der Ablehnung des Antrages besteht, unabhängig davon wie sorgfältig der Antrag gestellt wurde. Darüber hinaus verhindert die Regelung nicht die zumindest zeitweise Überlastung der deutschen Auslandsvertretungen. Erfahrungsgemäß gibt es saisonale Schwankungen bei der Nachfrage von Arbeitskräften, gerade im Bau- und Gastgewerbe. Zudem ist zu erwarten, dass zu Jahresanfang besonders viele Anträge gestellt werden, da noch nicht mit einer Ausschöpfung des Kontingents zu rechnen ist. Zu Jahresende hingegen kann den Antragstellenden das Risiko einer Ablehnung aus Kapazitätsgründen hingegen zu hoch sein.
Wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt, sind genaue Prognosen zum konkreten Bedarf an Arbeitskräften aus dem Westbalkan aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie derzeit zwar nur schwer möglich. Die Tatsache, dass die BA von November 2015 bis Juni 2019 in 256.231 Fällen über einen Antrag auf Zustimmung zur Ausübung der Erwerbstätigkeit entschieden hat[2], macht aber den großen Bedarf sowohl der deutschen Wirtschaft als auch das große Interesse seitens der Antragstellenden deutlich. Um diesem perspektivisch sicher wieder zunehmenden Interesse gerecht zu werden, ist eine personelle wie finanzielle Aufstockung der Visastellen in den betroffenen Ländern unumgänglich, dies empfiehlt auch das IAB. Sollte hingegen tatsächlich ein starker Rückgang des Arbeitskräftebedarfs eintreten, so wird sich dies über die Vorrangprüfung ausgleichen. Darüber hinaus kann – wie bereits zu Satz 2 erläutert - das Ziel einer Entlastung der jeweils zuständigen Auslandsvertretungen dadurch erreicht werden, dass die Beschränkung des Satz 2 aufgehoben wird und sich die Anträge auf mehr deutsche Auslandsvertretungen verteilen können.
Die Einführung eines Kontingents in das deutsche Aufenthaltsrecht ist aus Sicht der Verbände der BAGFW ein falscher Schritt. Die bisherigen Erfahrungen mit der Kontingentregelung des § 34a AufenthG (Familiennachzug) haben gezeigt, welche bürokratischen Hürden und rechtlichen Unsicherheiten mit einer solchen Regelung auftreten können. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden, gerade weil die bisherige Regelung des § 26 Abs. 2 BeschV – wie auch das IAB bestätigt – so erfolgreich war. Laut IAB waren es bisher v.a. Kapazitätsengpässe und andere verwaltungsseitige Restriktionen, die die Zuwanderung über die Westbalkanregelung spürbar eingeschränkt haben. Die Einführung weiterer administrativer Hindernisse ist insofern das Gegenteil dessen, was tatsächlich erforderlich ist.
- Änderungsvorschlag
Ersatzlose Streichung von Satz 3.
§ 26 Absatz 2 Satz 4 BeschV-E
- Beabsichtigte Neuregelung
§ 9 BeschV bestimmt, dass eine Vorrangprüfung nicht erfolgt, wenn Antragstellende bereits mehr als zwei Jahre versicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt sind. Die Neuregelung von § 26 Absatz 2 Satz 4 BeschV-E sieht vor, dass für Personen, die unter den § 26 Absatz 2 BeschV-E fallen, diese Ausnahme zukünftig nur gelten soll, wenn diesen vor 2021 eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung oder Erwerbstätigkeit nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde. Bestand hingegen eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck, insbesondere aus humanitären oder familiären Gründen, muss trotz versicherungspflichtiger Beschäftigung eine Vorrangprüfung durchgeführt werden.
- Stellungnahme
Aus Sicht der Verbände der BAGFW sollte in diesen Fällen auf eine Vorrangprüfung verzichtet werden.
Ziel der Arbeitsmarktprüfung ist, nachteilige Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt sowie Wettbewerbsverzerrungen durch die Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu verhindern. Dieses Ziel wird jedoch bereits durch die Prüfung der Beschäftigungsbedingungen erreicht. Letztere sind auch zur Verhinderung von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen wesentlich.
Die Vorrangprüfung nach zweijähriger sozialversicherungspflichtiger Anstellung droht zudem die bereits erfolgreiche Arbeitsmarktintegration zunichte zu machen. Erfahrungen, Kenntnisse, Qualifikationen wurden erworben und sollen nicht verloren gehen. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat Deutschland den sehr zu begrüßenden Schritt dahin gemacht, die Vorrangprüfung auf die Anwerbung aus dem Ausland zu beschränken. Die hier vorgesehene Neuregelung würde eine Rückentwicklung bedeuten und zudem zu einer Ungleichbehandlung und Schlechterstellung von Personen aus dem Westbalkan im Vergleich zu anderen ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern führen.
Nicht zuletzt wird der Verwaltungsaufwand dadurch unnötig erhöht. Die Regelung steht damit dem Interesse einer Entlastung der beteiligten Behörden und Verkürzung der Bearbeitungsdauer entgegen.
- Änderungsvorschlag
Ersatzlose Streichung von Satz 4.
[1] Forschungsbericht - Evaluierung der Westbalkanregelung, April 2020, Hrsg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, URL: www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/fb544-evaluierung-der-westbalkanregelung.pdf;jsessionid=114DBDF8FE12E57387EEE927F37FC30F (abgerufen am 30.07.2020)
[2] Forschungsbericht - Evaluierung der Westbalkanregelung, April 2020, Hrsg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, S. 20.