Vorbemerkung:
Die im SGB III geregelten Instrumente der Arbeitsmarktintegration sollen neu ausgerichtet werden und entsprechende Neuregelungen noch in diesem Jahr in Kraft treten. Dies betrifft auch die Instrumente der Benachteiligtenförderung für Jugendliche.
Folgende Neuregelungen sind angedacht:
1. Die Vielzahl der Förderinstrumente soll reduziert werden, um mehr Übersichtlichkeit für die Umsetzung zu schaffen (Produktvereinfachung, Produktstraffung) .[1]
2. Es sollen mehr betriebliche Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche erschlossen werden.[2]
3. Ein Qualifizierungs-Kombilohn für Jugendliche soll eingeführt werden.[3]
4. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will die Maßnahmen zur Berufsorientierung an Schulen nach § 33 SGB III ausweiten.
Allgemeine Bemerkungen
Zur Integration benachteiligter Jugendlicher in Ausbildung und Beschäftigung steht sowohl im SGB II als auch im SGB III ein breiter Katalog von Maßnahmen und Hilfen bereit, um eine am individuellen Bedarf ausgerichtete, wirksame und effiziente Förderung zu gewährleisten. Aktuelle Forschungsberichte und Erfahrungen aus der Praxis zeigen jedoch, dass Jugendliche mit sehr schwierigen Voraussetzungen – z. B. Jugendliche ohne Schulabschluss und Jugendliche mit Migrationshintergrund - in den Fördermaßnahmen unterrepräsentiert sind, bzw. dass die Förderung etwa aufgrund kurzer Förderzeiträume den Bedarfen dieser Jugendlichen teilweise nicht gerecht wird. Die BA wird aufgefordert, die Förderzeiträume flexibler zu gestalten und in ihrer Förderpraxis sicherzustellen, dass diese Jugendlichen einen gleichberechtigten Zugang zu den Fördermaßnahmen haben.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) fordert, mit einer Neuausrichtung der Förderinstrumente des SGB III das Ziel zu verfolgen, möglichst allen Jugendlichen ein Ausbildungsangebot zu machen und noch nicht ausbildungsreife Jugendliche an eine Ausbildung heranzuführen. Der Erwerb eines anerkannten Berufsabschlusses muss oberste Priorität bei der Förderung benachteiligter junger Menschen erhalten. Die BAGFW sieht die Gefahr, dass diese Zielsetzung mit aktuellen arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen - etwa der, einen Kombilohn für die Vermittlung von Jugendlichen ohne Berufsabschluss in eine Ungelerntentätigkeit einzuführen (vgl. hierzu unter 3.) - unterlaufen werden könnte.
Die BAGFW begrüßt eine stärkere, präventive Förderung der beruflichen Orientierung an Schulen. Wenn diese allerdings mit einer Reduzierung nachqualifizierender Maßnahmen (vgl. hierzu unter 1.1, 1.4 und 4.) einhergeht, stellt dies möglicherweise eine grundlegende Neuorientierung in der Benachteiligtenförderung der BA dar. Die BAGFW warnt davor, derartige gravierende Entwicklungen in der Benachteiligtenförderung allein der Steuerungsverantwortung der BA zu überlassen, und fordert, diese auf der Grundlage transparenter politischer Entscheidungen vorzunehmen. Gleiches gilt für die zentrale Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit. Die BAGFW hält es nach wie vor für erforderlich, die Ergebnisse und Wirkungen der Ausschreibungspraxis von der BA für eine politische Kontrolle und für eine politische Debatte über die Eignung von Ausschreibungen in diesem Bereich offenzulegen.
Aus Sicht der BAGFW sollte das SGB III auch zukünftig einen möglichst breiten und flexiblen Katalog von Eingliederungsleistungen für benachteiligte Jugendliche enthalten, der durch zusätzliche Angebote etwa der Jugendhilfe, ergänzt werden kann. Die Wohlfahrtsverbände in der BAGFW setzen sich deshalb dafür ein, dass die örtlichen Akteure abgestimmte Fördersysteme für Jugendliche aufbauen. Dazu müssen verbindliche gesetzliche Rahmenbedingungen für die Kooperation geschaffen werden. Die derzeitige Regelung in § 9 Abs. 3 SGB III sollte deshalb deutlicher formuliert und an die frühere Praxis des § 32 Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) angelehnt werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass es nicht ausreicht, wenn die Agenturen „… ihre Planungen rechtzeitig mit Trägern von Maßnahmen der Arbeitsförderung erörtern“. Der frühere § 32 AFG hatte die damalige Bundesanstalt für Arbeit noch dazu aufgefordert, „ … mit den Trägern der Jugend-, Sozial- und Gesundheitshilfe zusammenzuarbeiten“.
Zu den Reformvorschlägen im Einzelnen:
Zu 1. Reduzierung der Zahl der Förderinstrumente im SGB III
Die BAGFW wendet sich insgesamt gegen den Vorschlag einer Abschaffung der nachfolgenden Förderinstrumente (vgl. unter 1.1 bis 1.5). Es ist zwar legitim, dass die BA ihre Zuständigkeit von den Verantwortungsbereichen anderer Akteure, insbesondere den Schulen, den Trägern der Grundsicherung und den Jugendämtern, stärker abzugrenzen versucht. Die Förderangebote für benachteiligte Jugendliche sind jedoch insgesamt von unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen, Zuständigkeiten und teilweise ungeklärten Vorrang- und Nachrangregelungen im SGB II, SGB III, SGB VIII und SGB XII geprägt. Auch einseitige Definitions- und Abgrenzungsversuche der BA greifen zu kurz, weil eine verbindliche Abstimmung mit den anderen Akteuren über Verantwortungsbereiche kaum erfolgt. In der Praxis führt dies dazu, dass die benachteiligten jungen Menschen teilweise nicht die notwendigen Hilfen erhalten.
1.1. Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB) mit nachträglichem Erwerb des Hauptschulabschlusses (§ 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB III)
Die BA beabsichtigt, gesonderte berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen mit Erwerb des Hauptschulabschlusses gem. § 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB III nicht mehr zu fördern, da es bereits das neue Fachkonzept für allgemeine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen nach § 61 Abs. 1 SGB III ermöglicht, den Hauptschulabschluss nachträglich zu erwerben. Nach Einschätzung der BAGFW sind jedoch diese allgemeinen Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen in der durch das neue Fachkonzept geprägten Form bei bestimmten Jugendlichen für einen nachträglichen Erwerb eines Hauptschulabschlusses nicht ausreichend. Praxiserfahrungen zeigen, dass dies v. a. aufgrund der knapp bemessenen Förderdauer, die nach dem neuen Fachkonzept in der Regel 10 Monate beträgt, nicht leistbar ist. Die BA darf deshalb nicht aus der Verantwortung entlassen werden, auch weiterhin spezifische Förderangebote zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses nach § 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB III vorzuhalten und anzubieten. Alternativ ist es auch denkbar, die Förderzeiträume der klassischen Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen nach § 61 Abs. 1 SGB III so anzupassen, dass Jugendliche ihren Schulabschluss nachholen können. Generell sind nach Ansicht der BAGFW BvB-Maßnahmen für die Förderung, Entwicklung und Sicherstellung von Ausbildungsreife, Berufsorientierung und Sprachförderung unverzichtbar.
1.2. Qualifizierung des Trägerpersonals in Maßnahmen der Benachteiligtenförderung (§§ 69 Satz 1 und 246 Nr. 1 SGB III)
Die BA schlägt vor, die gesetzliche Grundlage zur Qualifizierung des Trägerpersonals zu streichen. Nach ihrer Ansicht ist diese Aufgabe nicht vereinbar mit der bundesweiten und zentralen Beschaffung der Maßnahmen der Benachteiligtenförderung. Die BA schlägt gleichzeitig vor, die Leistungsbeschreibungen so zu verändern, dass die Träger verpflichtet werden, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig zu schulen.
Nach Ansicht der BAGFW kann aufgrund des massiven Preisdrucks bei den ausgeschriebenen Maßnahmen nicht davon ausgegangen werden, dass Träger ausreichend Mittel für eine fachspezifische Fortbildung in ihre Kalkulation einbeziehen können. Um die Fortbildung dennoch sicherzustellen, wird angeregt, dass die BA die Fortbildung der Mitarbeitenden nicht nur bei der Angebotserstellung fordert, sondern für die Kostenkalkulation der Träger auch einheitliche und ausreichende Pauschalen zugrunde legt. Diese Pauschalen müssen im Gegenzug von der BA in der Vergütung der Maßnahmen gesondert berücksichtigt werden.
1.3. Institutionelle Förderung von Jugendwohnheimen (§§ 252 f. SGB III)
Die BA möchte sich von der institutionellen Förderung der Jugendwohnheime verabschieden, weil nur eine recht geringe Anzahl an Förderfällen verzeichnet und der Verwaltungsaufwand als hoch eingeschätzt wird.
Die BAGFW hält die institutionelle Jugendwohnförderung nach wie vor für notwendig. Jugendwohnheime unterstützen in idealer Weise die auch von der Bundesregierung mehrfach eingeforderte berufliche Mobilität junger Menschen. Sie werden, auch wenn ihre Zahl in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gründen zurückgegangen ist, weiterhin stark nachgefragt. Als kürzlich die Jugendsozialarbeit auf Bundesebene eine Jugendwohnheimkampagne gestartet und auch im Internet beworben hat[4], ist erneut das Interesse bei Jugendlichen, ihren Eltern, Betrieben, Berufsschulen und v. a. auch den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestiegen. Außerdem besteht in Jugendwohnheimen wegen ihres Alters (viele Häuser stammen aus den 1960er und 1970er Jahren) und der geänderten Wohnbedürfnisse junger Menschen heute bei Bau, Einrichtung und Ersatzbeschaffung großer Nachholbedarf.
1.4. Aktivierungshilfen (§ 241 Abs. 3 a SGB III)
Die Bundesagentur für Arbeit plant die Abschaffung der Aktivierungshilfen, mit denen niedrigschwellige Angebote für Jugendliche, die auf andere Weise nicht für eine Ausbildung oder Qualifizierung motiviert werden können, gefördert werden. Die BA beruft sich hierbei darauf, dass ein Großteil der in Frage kommenden Jugendlichen im Rechtskreis des SGB II zu verorten sei bzw. von den Jugendämtern betreut werden solle.
Nach Auffassung der BAGFW ist es nicht nur notwendig, die gesetzliche Grundlage für die Durchführung der Aktivierungshilfen zu erhalten, sondern ihre Umsetzung auch zu intensivieren. Aufgrund der großen und wachsenden Zahl von Jugendlichen, die von der Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung der BA nicht (mehr) erreicht werden, werden niedrigschwellige Angebote dringend benötigt. Der Verweis auf die Zuständigkeit der Träger der Grundsicherung greift regelmäßig dort nicht, wo Jugendliche aufgrund fehlender oder beendeter Hilfebedürftigkeit nicht (mehr) gefördert werden können. So müssen z. B. junge Menschen entsprechende Förderprogramme verlassen, wenn die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft dadurch entfällt, dass ein Elternteil wieder Arbeit findet. Diesen Bedarf an niedrigschwelligen Angeboten kann die Jugendhilfe nicht allein decken. Die vermehrte Umsetzung der anteilig finanzierten Aktivierungshilfen kann die für die berufliche Integration junger Menschen dringend erforderliche Kooperation der Akteure vor Ort weiter fördern.
1.5 Leistungen zur Unterstützung von Beratung und Vermittlung (UBV) und Mobilitätshilfen
Die BA beabsichtigt, Leistungen zur Unterstützung von Beratung und Vermittlung (UBV) und Mobilitätshilfen einzuschränken.
Dies wird Jugendliche in ländlichen bzw. strukturschwachen Regionen voraussichtlich bei der Arbeitsplatzsuche und Arbeitsaufnahme stark behindern, da die Arbeitsplätze dort häufig weit entfernt vom Wohnort liegen.
Zu 2. Erschließen zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche
Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Vorschläge des Verwaltungsrats der BA, die betriebliche Ausbildungsvorbereitung und Ausbildung von benachteiligten Jugendlichen zu erleichtern.
Die BAGFW unterstützt Überlegungen, in den Förderkatalog der ausbildungsbegleitenden Hilfen Aufgaben des Ausbildungsmanagements aufzunehmen. Neben dem gesetzlichen Regelungsbedarf wird jedoch nach Ansicht der BAGFW einer verbesserten Umsetzung der vorhandenen gesetzlichen Grundlagen entscheidende Bedeutung zukommen. Damit ausbildungsbegleitende Hilfen breiter als bisher eingesetzt werden können, muss ihr Bekanntheitsgrad bei den Betrieben gesteigert werden. Gefordert sind hier die Berufsberatung der Arbeitsagenturen, die Kammern, die Berufsschulen und die Träger der ausbildungsbegleitenden Hilfen. Neben einer verbesserten Information ist auch eine Verstetigung und Qualitätssteigerung bei ausbildungsbegleitenden Hilfen notwendig, um die Akzeptanz der Betriebe zu sichern. Betriebe und Jugendliche, die sich – aufgrund des Ausschreibungsverfahrens - auf stetig wechselnde Träger mit wechselnder und häufig nicht ausreichender Personalausstattung einlassen müssen, sind kaum noch interessiert an der Förderung. Die BAGFW fordert, die Qualität eingereichter Konzepte höher als bisher zu gewichten und die Ausschreibungszeiträume zu verlängern. Ungeachtet dessen hält die BAGFW an ihrer Position fest, dass das Vergabeverfahren zur Umsetzung von Fördermaßnahmen in der Benachteiligtenförderung grundsätzlich ungeeignet ist (vgl. auch „Allgemeine Bemerkungen“).
Neben den Anstrengungen, mehr benachteiligte Jugendliche in eine betriebliche Ausbildung zu bringen, fordert die BAGFW die BA auf, die Förderung außerbetrieblicher Ausbildungsplätze, v. a. solche mit sozialpädagogischer Betreuung, zu intensivieren und auszubauen. In absehbarer Zeit werden trotz der Bemühungen zur Schaffung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze in erheblichem Umfang Ausbildungsangebote, insbesondere für benachteiligte Jugendliche, fehlen. Vor allem im Rechtskreis des SGB II ist ein starker Ausbau dieser Ausbildungsplätze erforderlich. In 2006 wurden von den Trägern der Grundsicherung insgesamt nur 14.000 Jugendliche in außerbetriebliche Ausbildungen vermittelt.
Zu 3. Einführung eines Qualifizierungs-Kombilohns für Jugendliche ohne Berufsabschluss
Der Anwendungsbereich des vorgeschlagenen Kombilohnmodells „Job-Bonus“ zur beruflichen Integration von Jugendlichen ist für die Gruppe der Jugendlichen ohne Berufsabschluss zu weit gefasst. Jugendliche ohne Ausbildung drohen bereits nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit in ungelernte Tätigkeiten des Niedriglohnsektors abgedrängt zu werden. Der Grundsatz „Ausbildung vor Beschäftigung“ wird für junge Menschen ohne Berufsabschluss an dieser Stelle aufgegeben. Es werden falsche Anreize geweckt, anstelle einer Ausbildung einen Job anzunehmen. Das Kombilohnmodell darf vielmehr nur für solche Jugendlichen Anwendung finden, bei denen bereits Versuche, sie, z. B. über ausbildungsvorbereitende Maßnahmen, in eine Ausbildung zu bringen, fehlgeschlagen sind und die voraussichtlich auch mittelfristig (in den nächsten zwei Jahren) keine Ausbildung absolvieren können oder wollen. Bei der Einschätzung des Potenzials der Jugendlichen sollte auf die Erfahrungen und Erkenntnisse der Maßnahmeträger zurückgegriffen werden. Es muss zweimal jährlich überprüft werden, ob ein Übergang in eine Ausbildung oder qualifizierende Maßnahme möglich ist. Die Förderdauer von einem Jahr und der veranschlagte Qualifizierungsanteil von 15% sind deutlich zu gering. Hier besteht die Gefahr, dass Betriebe den Qualifizierungsaufwand in ihrem Betrieb gering halten und sich v. a. auf die Erfüllung des formalen Qualifikationsnachweises beschränken. Fester Bestandteil des Angebots muss zudem eine flankierende sozialpädagogische Begleitung sein.
In diesem Zusammenhang weist die BAGFW darauf hin, dass es notwendig ist, die erfolgreiche Förderung von benachteiligten jungen Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) – „Arbeiten und Lernen“ zu erhalten, da Zielgruppe dieses niedrigschwelligen Angebots in erster Linie Maßnahmeabbrecher und Jugendliche ohne bzw. mit unzureichenden Schulabschlüssen sind. Die Maßnahmen haben den Vorteil, dass sie auf Arbeitsweltorientierung und Qualifizierung zielen und dabei sowohl die Jugendhilfe einbeziehen als auch andere Finanzierungsquellen (z. B. ESF) eröffnen.
Zu 4. Ausbau der Maßnahmen zur Berufsorientierung an Schulen nach § 33 SGB III
Die BAGFW unterstützt ausdrücklich die aktuellen Aktivitäten der BA, die frühzeitige Berufsorientierung an Schulen zu verstärken. In der Praxis hat sich die Regelung in § 33 SGB III, wonach die berufsorientierenden Angebote in der unterrichtsfreien Zeit anzusiedeln sind, jedoch nicht bewährt, weil die Kooperation mit Betrieben erschwert wird. Der Gesetzgeber sollte diese Vorgabe streichen und auf die Planungs- und Koordinationskompetenz der örtlichen Akteure vertrauen. Die Berufsorientierung an Schulen sollte am besten bereits in Klasse 7 beginnen und deutlich über die bisherige Begrenzung der Förderung auf vier Wochen hinausgehen.
Die BA verbindet ihr stärkeres präventives Engagement an Schulen mit der Absicht, ihre Förderangebote im Nachgang zur Schule zu überprüfen. So soll geklärt werden, ob Fördermaßnahmen im Anschluss an die Schule reduziert werden können. Nach Ansicht der BAGFW ist der präventiven Förderung von Jugendlichen in der Schule, insbesondere zur Erlangung des Schulabschlusses und Herstellung der Ausbildungsreife hohe Priorität einzuräumen. Damit Schulen verbesserte Lernbedingungen schaffen und Benachteiligungen abbauen können, ist ein längerfristiger Reform- und Entwicklungsprozess in Schulen notwendig, der von den Arbeitsagenturen im Hinblick auf den Übergang Schule-Beruf unterstützt werden kann. Gleichzeitige Einschränkungen der Förderung der Bundesagentur für Arbeit sind jedoch nicht akzeptabel, sofern sie die Abschaffung der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses betreffen, weil diese trotz verstärkter präventiver Angebote weiterhin als nachqualifizierende Maßnahmen insbesondere für die weiterhin steigende Gruppe der so genannten Altbewerber/-innen notwendig sind.
Die BAGFW spricht sich dafür aus, in der konkreten Umsetzung einer künftig veränderten Förderpraxis der BA eine enge Abstimmung auf lokaler Ebene vorzunehmen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den lokalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und auf die vorhandenen Förderangebote der Träger der Grundsicherung, der berufsbildenden Schulen und der Jugendämter.
Berlin, 23.04.2007
[1] Vorschläge der BA zur Produktvereinfachung: Mit weniger mehr erreichen! 16.02.2007
[2] Beschluss des Verwaltungsrates der BA zur Neuausrichtung der Förderpraxis der BA für benachteiligte Jugendliche vom 13.10.2006.
[3] Koalitionsarbeitsgruppe „Arbeitsmarkt“, März 2007.
[4] <link http: www.auswaerts-zuhause.de>www.auswaerts-zuhause.de
Vorbemerkung:
Die im SGB III geregelten Instrumente der Arbeitsmarktintegration sollen neu ausgerichtet werden und entsprechende Neuregelungen noch in diesem Jahr in Kraft treten. Dies betrifft auch die Instrumente der Benachteiligtenförderung für Jugendliche.
Folgende Neuregelungen sind angedacht:
1. Die Vielzahl der Förderinstrumente soll reduziert werden, um mehr Übersichtlichkeit für die Umsetzung zu schaffen (Produktvereinfachung, Produktstraffung) .[1]
2. Es sollen mehr betriebliche Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche erschlossen werden.[2]
3. Ein Qualifizierungs-Kombilohn für Jugendliche soll eingeführt werden.[3]
4. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will die Maßnahmen zur Berufsorientierung an Schulen nach § 33 SGB III ausweiten.
Allgemeine Bemerkungen
Zur Integration benachteiligter Jugendlicher in Ausbildung und Beschäftigung steht sowohl im SGB II als auch im SGB III ein breiter Katalog von Maßnahmen und Hilfen bereit, um eine am individuellen Bedarf ausgerichtete, wirksame und effiziente Förderung zu gewährleisten. Aktuelle Forschungsberichte und Erfahrungen aus der Praxis zeigen jedoch, dass Jugendliche mit sehr schwierigen Voraussetzungen – z. B. Jugendliche ohne Schulabschluss und Jugendliche mit Migrationshintergrund - in den Fördermaßnahmen unterrepräsentiert sind, bzw. dass die Förderung etwa aufgrund kurzer Förderzeiträume den Bedarfen dieser Jugendlichen teilweise nicht gerecht wird. Die BA wird aufgefordert, die Förderzeiträume flexibler zu gestalten und in ihrer Förderpraxis sicherzustellen, dass diese Jugendlichen einen gleichberechtigten Zugang zu den Fördermaßnahmen haben.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) fordert, mit einer Neuausrichtung der Förderinstrumente des SGB III das Ziel zu verfolgen, möglichst allen Jugendlichen ein Ausbildungsangebot zu machen und noch nicht ausbildungsreife Jugendliche an eine Ausbildung heranzuführen. Der Erwerb eines anerkannten Berufsabschlusses muss oberste Priorität bei der Förderung benachteiligter junger Menschen erhalten. Die BAGFW sieht die Gefahr, dass diese Zielsetzung mit aktuellen arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen - etwa der, einen Kombilohn für die Vermittlung von Jugendlichen ohne Berufsabschluss in eine Ungelerntentätigkeit einzuführen (vgl. hierzu unter 3.) - unterlaufen werden könnte.
Die BAGFW begrüßt eine stärkere, präventive Förderung der beruflichen Orientierung an Schulen. Wenn diese allerdings mit einer Reduzierung nachqualifizierender Maßnahmen (vgl. hierzu unter 1.1, 1.4 und 4.) einhergeht, stellt dies möglicherweise eine grundlegende Neuorientierung in der Benachteiligtenförderung der BA dar. Die BAGFW warnt davor, derartige gravierende Entwicklungen in der Benachteiligtenförderung allein der Steuerungsverantwortung der BA zu überlassen, und fordert, diese auf der Grundlage transparenter politischer Entscheidungen vorzunehmen. Gleiches gilt für die zentrale Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit. Die BAGFW hält es nach wie vor für erforderlich, die Ergebnisse und Wirkungen der Ausschreibungspraxis von der BA für eine politische Kontrolle und für eine politische Debatte über die Eignung von Ausschreibungen in diesem Bereich offenzulegen.
Aus Sicht der BAGFW sollte das SGB III auch zukünftig einen möglichst breiten und flexiblen Katalog von Eingliederungsleistungen für benachteiligte Jugendliche enthalten, der durch zusätzliche Angebote etwa der Jugendhilfe, ergänzt werden kann. Die Wohlfahrtsverbände in der BAGFW setzen sich deshalb dafür ein, dass die örtlichen Akteure abgestimmte Fördersysteme für Jugendliche aufbauen. Dazu müssen verbindliche gesetzliche Rahmenbedingungen für die Kooperation geschaffen werden. Die derzeitige Regelung in § 9 Abs. 3 SGB III sollte deshalb deutlicher formuliert und an die frühere Praxis des § 32 Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) angelehnt werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass es nicht ausreicht, wenn die Agenturen „… ihre Planungen rechtzeitig mit Trägern von Maßnahmen der Arbeitsförderung erörtern“. Der frühere § 32 AFG hatte die damalige Bundesanstalt für Arbeit noch dazu aufgefordert, „ … mit den Trägern der Jugend-, Sozial- und Gesundheitshilfe zusammenzuarbeiten“.
Zu den Reformvorschlägen im Einzelnen:
Zu 1. Reduzierung der Zahl der Förderinstrumente im SGB III
Die BAGFW wendet sich insgesamt gegen den Vorschlag einer Abschaffung der nachfolgenden Förderinstrumente (vgl. unter 1.1 bis 1.5). Es ist zwar legitim, dass die BA ihre Zuständigkeit von den Verantwortungsbereichen anderer Akteure, insbesondere den Schulen, den Trägern der Grundsicherung und den Jugendämtern, stärker abzugrenzen versucht. Die Förderangebote für benachteiligte Jugendliche sind jedoch insgesamt von unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen, Zuständigkeiten und teilweise ungeklärten Vorrang- und Nachrangregelungen im SGB II, SGB III, SGB VIII und SGB XII geprägt. Auch einseitige Definitions- und Abgrenzungsversuche der BA greifen zu kurz, weil eine verbindliche Abstimmung mit den anderen Akteuren über Verantwortungsbereiche kaum erfolgt. In der Praxis führt dies dazu, dass die benachteiligten jungen Menschen teilweise nicht die notwendigen Hilfen erhalten.
1.1. Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB) mit nachträglichem Erwerb des Hauptschulabschlusses (§ 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB III)
Die BA beabsichtigt, gesonderte berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen mit Erwerb des Hauptschulabschlusses gem. § 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB III nicht mehr zu fördern, da es bereits das neue Fachkonzept für allgemeine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen nach § 61 Abs. 1 SGB III ermöglicht, den Hauptschulabschluss nachträglich zu erwerben. Nach Einschätzung der BAGFW sind jedoch diese allgemeinen Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen in der durch das neue Fachkonzept geprägten Form bei bestimmten Jugendlichen für einen nachträglichen Erwerb eines Hauptschulabschlusses nicht ausreichend. Praxiserfahrungen zeigen, dass dies v. a. aufgrund der knapp bemessenen Förderdauer, die nach dem neuen Fachkonzept in der Regel 10 Monate beträgt, nicht leistbar ist. Die BA darf deshalb nicht aus der Verantwortung entlassen werden, auch weiterhin spezifische Förderangebote zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses nach § 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB III vorzuhalten und anzubieten. Alternativ ist es auch denkbar, die Förderzeiträume der klassischen Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen nach § 61 Abs. 1 SGB III so anzupassen, dass Jugendliche ihren Schulabschluss nachholen können. Generell sind nach Ansicht der BAGFW BvB-Maßnahmen für die Förderung, Entwicklung und Sicherstellung von Ausbildungsreife, Berufsorientierung und Sprachförderung unverzichtbar.
1.2. Qualifizierung des Trägerpersonals in Maßnahmen der Benachteiligtenförderung (§§ 69 Satz 1 und 246 Nr. 1 SGB III)
Die BA schlägt vor, die gesetzliche Grundlage zur Qualifizierung des Trägerpersonals zu streichen. Nach ihrer Ansicht ist diese Aufgabe nicht vereinbar mit der bundesweiten und zentralen Beschaffung der Maßnahmen der Benachteiligtenförderung. Die BA schlägt gleichzeitig vor, die Leistungsbeschreibungen so zu verändern, dass die Träger verpflichtet werden, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig zu schulen.
Nach Ansicht der BAGFW kann aufgrund des massiven Preisdrucks bei den ausgeschriebenen Maßnahmen nicht davon ausgegangen werden, dass Träger ausreichend Mittel für eine fachspezifische Fortbildung in ihre Kalkulation einbeziehen können. Um die Fortbildung dennoch sicherzustellen, wird angeregt, dass die BA die Fortbildung der Mitarbeitenden nicht nur bei der Angebotserstellung fordert, sondern für die Kostenkalkulation der Träger auch einheitliche und ausreichende Pauschalen zugrunde legt. Diese Pauschalen müssen im Gegenzug von der BA in der Vergütung der Maßnahmen gesondert berücksichtigt werden.
1.3. Institutionelle Förderung von Jugendwohnheimen (§§ 252 f. SGB III)
Die BA möchte sich von der institutionellen Förderung der Jugendwohnheime verabschieden, weil nur eine recht geringe Anzahl an Förderfällen verzeichnet und der Verwaltungsaufwand als hoch eingeschätzt wird.
Die BAGFW hält die institutionelle Jugendwohnförderung nach wie vor für notwendig. Jugendwohnheime unterstützen in idealer Weise die auch von der Bundesregierung mehrfach eingeforderte berufliche Mobilität junger Menschen. Sie werden, auch wenn ihre Zahl in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gründen zurückgegangen ist, weiterhin stark nachgefragt. Als kürzlich die Jugendsozialarbeit auf Bundesebene eine Jugendwohnheimkampagne gestartet und auch im Internet beworben hat[4], ist erneut das Interesse bei Jugendlichen, ihren Eltern, Betrieben, Berufsschulen und v. a. auch den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestiegen. Außerdem besteht in Jugendwohnheimen wegen ihres Alters (viele Häuser stammen aus den 1960er und 1970er Jahren) und der geänderten Wohnbedürfnisse junger Menschen heute bei Bau, Einrichtung und Ersatzbeschaffung großer Nachholbedarf.
1.4. Aktivierungshilfen (§ 241 Abs. 3 a SGB III)
Die Bundesagentur für Arbeit plant die Abschaffung der Aktivierungshilfen, mit denen niedrigschwellige Angebote für Jugendliche, die auf andere Weise nicht für eine Ausbildung oder Qualifizierung motiviert werden können, gefördert werden. Die BA beruft sich hierbei darauf, dass ein Großteil der in Frage kommenden Jugendlichen im Rechtskreis des SGB II zu verorten sei bzw. von den Jugendämtern betreut werden solle.
Nach Auffassung der BAGFW ist es nicht nur notwendig, die gesetzliche Grundlage für die Durchführung der Aktivierungshilfen zu erhalten, sondern ihre Umsetzung auch zu intensivieren. Aufgrund der großen und wachsenden Zahl von Jugendlichen, die von der Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung der BA nicht (mehr) erreicht werden, werden niedrigschwellige Angebote dringend benötigt. Der Verweis auf die Zuständigkeit der Träger der Grundsicherung greift regelmäßig dort nicht, wo Jugendliche aufgrund fehlender oder beendeter Hilfebedürftigkeit nicht (mehr) gefördert werden können. So müssen z. B. junge Menschen entsprechende Förderprogramme verlassen, wenn die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft dadurch entfällt, dass ein Elternteil wieder Arbeit findet. Diesen Bedarf an niedrigschwelligen Angeboten kann die Jugendhilfe nicht allein decken. Die vermehrte Umsetzung der anteilig finanzierten Aktivierungshilfen kann die für die berufliche Integration junger Menschen dringend erforderliche Kooperation der Akteure vor Ort weiter fördern.
1.5 Leistungen zur Unterstützung von Beratung und Vermittlung (UBV) und Mobilitätshilfen
Die BA beabsichtigt, Leistungen zur Unterstützung von Beratung und Vermittlung (UBV) und Mobilitätshilfen einzuschränken.
Dies wird Jugendliche in ländlichen bzw. strukturschwachen Regionen voraussichtlich bei der Arbeitsplatzsuche und Arbeitsaufnahme stark behindern, da die Arbeitsplätze dort häufig weit entfernt vom Wohnort liegen.
Zu 2. Erschließen zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche
Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Vorschläge des Verwaltungsrats der BA, die betriebliche Ausbildungsvorbereitung und Ausbildung von benachteiligten Jugendlichen zu erleichtern.
Die BAGFW unterstützt Überlegungen, in den Förderkatalog der ausbildungsbegleitenden Hilfen Aufgaben des Ausbildungsmanagements aufzunehmen. Neben dem gesetzlichen Regelungsbedarf wird jedoch nach Ansicht der BAGFW einer verbesserten Umsetzung der vorhandenen gesetzlichen Grundlagen entscheidende Bedeutung zukommen. Damit ausbildungsbegleitende Hilfen breiter als bisher eingesetzt werden können, muss ihr Bekanntheitsgrad bei den Betrieben gesteigert werden. Gefordert sind hier die Berufsberatung der Arbeitsagenturen, die Kammern, die Berufsschulen und die Träger der ausbildungsbegleitenden Hilfen. Neben einer verbesserten Information ist auch eine Verstetigung und Qualitätssteigerung bei ausbildungsbegleitenden Hilfen notwendig, um die Akzeptanz der Betriebe zu sichern. Betriebe und Jugendliche, die sich – aufgrund des Ausschreibungsverfahrens - auf stetig wechselnde Träger mit wechselnder und häufig nicht ausreichender Personalausstattung einlassen müssen, sind kaum noch interessiert an der Förderung. Die BAGFW fordert, die Qualität eingereichter Konzepte höher als bisher zu gewichten und die Ausschreibungszeiträume zu verlängern. Ungeachtet dessen hält die BAGFW an ihrer Position fest, dass das Vergabeverfahren zur Umsetzung von Fördermaßnahmen in der Benachteiligtenförderung grundsätzlich ungeeignet ist (vgl. auch „Allgemeine Bemerkungen“).
Neben den Anstrengungen, mehr benachteiligte Jugendliche in eine betriebliche Ausbildung zu bringen, fordert die BAGFW die BA auf, die Förderung außerbetrieblicher Ausbildungsplätze, v. a. solche mit sozialpädagogischer Betreuung, zu intensivieren und auszubauen. In absehbarer Zeit werden trotz der Bemühungen zur Schaffung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze in erheblichem Umfang Ausbildungsangebote, insbesondere für benachteiligte Jugendliche, fehlen. Vor allem im Rechtskreis des SGB II ist ein starker Ausbau dieser Ausbildungsplätze erforderlich. In 2006 wurden von den Trägern der Grundsicherung insgesamt nur 14.000 Jugendliche in außerbetriebliche Ausbildungen vermittelt.
Zu 3. Einführung eines Qualifizierungs-Kombilohns für Jugendliche ohne Berufsabschluss
Der Anwendungsbereich des vorgeschlagenen Kombilohnmodells „Job-Bonus“ zur beruflichen Integration von Jugendlichen ist für die Gruppe der Jugendlichen ohne Berufsabschluss zu weit gefasst. Jugendliche ohne Ausbildung drohen bereits nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit in ungelernte Tätigkeiten des Niedriglohnsektors abgedrängt zu werden. Der Grundsatz „Ausbildung vor Beschäftigung“ wird für junge Menschen ohne Berufsabschluss an dieser Stelle aufgegeben. Es werden falsche Anreize geweckt, anstelle einer Ausbildung einen Job anzunehmen. Das Kombilohnmodell darf vielmehr nur für solche Jugendlichen Anwendung finden, bei denen bereits Versuche, sie, z. B. über ausbildungsvorbereitende Maßnahmen, in eine Ausbildung zu bringen, fehlgeschlagen sind und die voraussichtlich auch mittelfristig (in den nächsten zwei Jahren) keine Ausbildung absolvieren können oder wollen. Bei der Einschätzung des Potenzials der Jugendlichen sollte auf die Erfahrungen und Erkenntnisse der Maßnahmeträger zurückgegriffen werden. Es muss zweimal jährlich überprüft werden, ob ein Übergang in eine Ausbildung oder qualifizierende Maßnahme möglich ist. Die Förderdauer von einem Jahr und der veranschlagte Qualifizierungsanteil von 15% sind deutlich zu gering. Hier besteht die Gefahr, dass Betriebe den Qualifizierungsaufwand in ihrem Betrieb gering halten und sich v. a. auf die Erfüllung des formalen Qualifikationsnachweises beschränken. Fester Bestandteil des Angebots muss zudem eine flankierende sozialpädagogische Begleitung sein.
In diesem Zusammenhang weist die BAGFW darauf hin, dass es notwendig ist, die erfolgreiche Förderung von benachteiligten jungen Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) – „Arbeiten und Lernen“ zu erhalten, da Zielgruppe dieses niedrigschwelligen Angebots in erster Linie Maßnahmeabbrecher und Jugendliche ohne bzw. mit unzureichenden Schulabschlüssen sind. Die Maßnahmen haben den Vorteil, dass sie auf Arbeitsweltorientierung und Qualifizierung zielen und dabei sowohl die Jugendhilfe einbeziehen als auch andere Finanzierungsquellen (z. B. ESF) eröffnen.
Zu 4. Ausbau der Maßnahmen zur Berufsorientierung an Schulen nach § 33 SGB III
Die BAGFW unterstützt ausdrücklich die aktuellen Aktivitäten der BA, die frühzeitige Berufsorientierung an Schulen zu verstärken. In der Praxis hat sich die Regelung in § 33 SGB III, wonach die berufsorientierenden Angebote in der unterrichtsfreien Zeit anzusiedeln sind, jedoch nicht bewährt, weil die Kooperation mit Betrieben erschwert wird. Der Gesetzgeber sollte diese Vorgabe streichen und auf die Planungs- und Koordinationskompetenz der örtlichen Akteure vertrauen. Die Berufsorientierung an Schulen sollte am besten bereits in Klasse 7 beginnen und deutlich über die bisherige Begrenzung der Förderung auf vier Wochen hinausgehen.
Die BA verbindet ihr stärkeres präventives Engagement an Schulen mit der Absicht, ihre Förderangebote im Nachgang zur Schule zu überprüfen. So soll geklärt werden, ob Fördermaßnahmen im Anschluss an die Schule reduziert werden können. Nach Ansicht der BAGFW ist der präventiven Förderung von Jugendlichen in der Schule, insbesondere zur Erlangung des Schulabschlusses und Herstellung der Ausbildungsreife hohe Priorität einzuräumen. Damit Schulen verbesserte Lernbedingungen schaffen und Benachteiligungen abbauen können, ist ein längerfristiger Reform- und Entwicklungsprozess in Schulen notwendig, der von den Arbeitsagenturen im Hinblick auf den Übergang Schule-Beruf unterstützt werden kann. Gleichzeitige Einschränkungen der Förderung der Bundesagentur für Arbeit sind jedoch nicht akzeptabel, sofern sie die Abschaffung der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses betreffen, weil diese trotz verstärkter präventiver Angebote weiterhin als nachqualifizierende Maßnahmen insbesondere für die weiterhin steigende Gruppe der so genannten Altbewerber/-innen notwendig sind.
Die BAGFW spricht sich dafür aus, in der konkreten Umsetzung einer künftig veränderten Förderpraxis der BA eine enge Abstimmung auf lokaler Ebene vorzunehmen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den lokalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und auf die vorhandenen Förderangebote der Träger der Grundsicherung, der berufsbildenden Schulen und der Jugendämter.
Berlin, 23.04.2007
[1] Vorschläge der BA zur Produktvereinfachung: Mit weniger mehr erreichen! 16.02.2007
[2] Beschluss des Verwaltungsrates der BA zur Neuausrichtung der Förderpraxis der BA für benachteiligte Jugendliche vom 13.10.2006.
[3] Koalitionsarbeitsgruppe „Arbeitsmarkt“, März 2007.
[4] <link http: www.auswaerts-zuhause.de>www.auswaerts-zuhause.de
Vorbemerkung:
Die im SGB III geregelten Instrumente der Arbeitsmarktintegration sollen neu ausgerichtet werden und entsprechende Neuregelungen noch in diesem Jahr in Kraft treten. Dies betrifft auch die Instrumente der Benachteiligtenförderung für Jugendliche.
Folgende Neuregelungen sind angedacht:
1. Die Vielzahl der Förderinstrumente soll reduziert werden, um mehr Übersichtlichkeit für die Umsetzung zu schaffen (Produktvereinfachung, Produktstraffung) .[1]
2. Es sollen mehr betriebliche Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche erschlossen werden.[2]
3. Ein Qualifizierungs-Kombilohn für Jugendliche soll eingeführt werden.[3]
4. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will die Maßnahmen zur Berufsorientierung an Schulen nach § 33 SGB III ausweiten.
Allgemeine Bemerkungen
Zur Integration benachteiligter Jugendlicher in Ausbildung und Beschäftigung steht sowohl im SGB II als auch im SGB III ein breiter Katalog von Maßnahmen und Hilfen bereit, um eine am individuellen Bedarf ausgerichtete, wirksame und effiziente Förderung zu gewährleisten. Aktuelle Forschungsberichte und Erfahrungen aus der Praxis zeigen jedoch, dass Jugendliche mit sehr schwierigen Voraussetzungen – z. B. Jugendliche ohne Schulabschluss und Jugendliche mit Migrationshintergrund - in den Fördermaßnahmen unterrepräsentiert sind, bzw. dass die Förderung etwa aufgrund kurzer Förderzeiträume den Bedarfen dieser Jugendlichen teilweise nicht gerecht wird. Die BA wird aufgefordert, die Förderzeiträume flexibler zu gestalten und in ihrer Förderpraxis sicherzustellen, dass diese Jugendlichen einen gleichberechtigten Zugang zu den Fördermaßnahmen haben.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) fordert, mit einer Neuausrichtung der Förderinstrumente des SGB III das Ziel zu verfolgen, möglichst allen Jugendlichen ein Ausbildungsangebot zu machen und noch nicht ausbildungsreife Jugendliche an eine Ausbildung heranzuführen. Der Erwerb eines anerkannten Berufsabschlusses muss oberste Priorität bei der Förderung benachteiligter junger Menschen erhalten. Die BAGFW sieht die Gefahr, dass diese Zielsetzung mit aktuellen arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen - etwa der, einen Kombilohn für die Vermittlung von Jugendlichen ohne Berufsabschluss in eine Ungelerntentätigkeit einzuführen (vgl. hierzu unter 3.) - unterlaufen werden könnte.
Die BAGFW begrüßt eine stärkere, präventive Förderung der beruflichen Orientierung an Schulen. Wenn diese allerdings mit einer Reduzierung nachqualifizierender Maßnahmen (vgl. hierzu unter 1.1, 1.4 und 4.) einhergeht, stellt dies möglicherweise eine grundlegende Neuorientierung in der Benachteiligtenförderung der BA dar. Die BAGFW warnt davor, derartige gravierende Entwicklungen in der Benachteiligtenförderung allein der Steuerungsverantwortung der BA zu überlassen, und fordert, diese auf der Grundlage transparenter politischer Entscheidungen vorzunehmen. Gleiches gilt für die zentrale Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit. Die BAGFW hält es nach wie vor für erforderlich, die Ergebnisse und Wirkungen der Ausschreibungspraxis von der BA für eine politische Kontrolle und für eine politische Debatte über die Eignung von Ausschreibungen in diesem Bereich offenzulegen.
Aus Sicht der BAGFW sollte das SGB III auch zukünftig einen möglichst breiten und flexiblen Katalog von Eingliederungsleistungen für benachteiligte Jugendliche enthalten, der durch zusätzliche Angebote etwa der Jugendhilfe, ergänzt werden kann. Die Wohlfahrtsverbände in der BAGFW setzen sich deshalb dafür ein, dass die örtlichen Akteure abgestimmte Fördersysteme für Jugendliche aufbauen. Dazu müssen verbindliche gesetzliche Rahmenbedingungen für die Kooperation geschaffen werden. Die derzeitige Regelung in § 9 Abs. 3 SGB III sollte deshalb deutlicher formuliert und an die frühere Praxis des § 32 Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) angelehnt werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass es nicht ausreicht, wenn die Agenturen „… ihre Planungen rechtzeitig mit Trägern von Maßnahmen der Arbeitsförderung erörtern“. Der frühere § 32 AFG hatte die damalige Bundesanstalt für Arbeit noch dazu aufgefordert, „ … mit den Trägern der Jugend-, Sozial- und Gesundheitshilfe zusammenzuarbeiten“.
Zu den Reformvorschlägen im Einzelnen:
Zu 1. Reduzierung der Zahl der Förderinstrumente im SGB III
Die BAGFW wendet sich insgesamt gegen den Vorschlag einer Abschaffung der nachfolgenden Förderinstrumente (vgl. unter 1.1 bis 1.5). Es ist zwar legitim, dass die BA ihre Zuständigkeit von den Verantwortungsbereichen anderer Akteure, insbesondere den Schulen, den Trägern der Grundsicherung und den Jugendämtern, stärker abzugrenzen versucht. Die Förderangebote für benachteiligte Jugendliche sind jedoch insgesamt von unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen, Zuständigkeiten und teilweise ungeklärten Vorrang- und Nachrangregelungen im SGB II, SGB III, SGB VIII und SGB XII geprägt. Auch einseitige Definitions- und Abgrenzungsversuche der BA greifen zu kurz, weil eine verbindliche Abstimmung mit den anderen Akteuren über Verantwortungsbereiche kaum erfolgt. In der Praxis führt dies dazu, dass die benachteiligten jungen Menschen teilweise nicht die notwendigen Hilfen erhalten.
1.1. Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB) mit nachträglichem Erwerb des Hauptschulabschlusses (§ 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB III)
Die BA beabsichtigt, gesonderte berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen mit Erwerb des Hauptschulabschlusses gem. § 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB III nicht mehr zu fördern, da es bereits das neue Fachkonzept für allgemeine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen nach § 61 Abs. 1 SGB III ermöglicht, den Hauptschulabschluss nachträglich zu erwerben. Nach Einschätzung der BAGFW sind jedoch diese allgemeinen Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen in der durch das neue Fachkonzept geprägten Form bei bestimmten Jugendlichen für einen nachträglichen Erwerb eines Hauptschulabschlusses nicht ausreichend. Praxiserfahrungen zeigen, dass dies v. a. aufgrund der knapp bemessenen Förderdauer, die nach dem neuen Fachkonzept in der Regel 10 Monate beträgt, nicht leistbar ist. Die BA darf deshalb nicht aus der Verantwortung entlassen werden, auch weiterhin spezifische Förderangebote zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses nach § 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB III vorzuhalten und anzubieten. Alternativ ist es auch denkbar, die Förderzeiträume der klassischen Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen nach § 61 Abs. 1 SGB III so anzupassen, dass Jugendliche ihren Schulabschluss nachholen können. Generell sind nach Ansicht der BAGFW BvB-Maßnahmen für die Förderung, Entwicklung und Sicherstellung von Ausbildungsreife, Berufsorientierung und Sprachförderung unverzichtbar.
1.2. Qualifizierung des Trägerpersonals in Maßnahmen der Benachteiligtenförderung (§§ 69 Satz 1 und 246 Nr. 1 SGB III)
Die BA schlägt vor, die gesetzliche Grundlage zur Qualifizierung des Trägerpersonals zu streichen. Nach ihrer Ansicht ist diese Aufgabe nicht vereinbar mit der bundesweiten und zentralen Beschaffung der Maßnahmen der Benachteiligtenförderung. Die BA schlägt gleichzeitig vor, die Leistungsbeschreibungen so zu verändern, dass die Träger verpflichtet werden, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig zu schulen.
Nach Ansicht der BAGFW kann aufgrund des massiven Preisdrucks bei den ausgeschriebenen Maßnahmen nicht davon ausgegangen werden, dass Träger ausreichend Mittel für eine fachspezifische Fortbildung in ihre Kalkulation einbeziehen können. Um die Fortbildung dennoch sicherzustellen, wird angeregt, dass die BA die Fortbildung der Mitarbeitenden nicht nur bei der Angebotserstellung fordert, sondern für die Kostenkalkulation der Träger auch einheitliche und ausreichende Pauschalen zugrunde legt. Diese Pauschalen müssen im Gegenzug von der BA in der Vergütung der Maßnahmen gesondert berücksichtigt werden.
1.3. Institutionelle Förderung von Jugendwohnheimen (§§ 252 f. SGB III)
Die BA möchte sich von der institutionellen Förderung der Jugendwohnheime verabschieden, weil nur eine recht geringe Anzahl an Förderfällen verzeichnet und der Verwaltungsaufwand als hoch eingeschätzt wird.
Die BAGFW hält die institutionelle Jugendwohnförderung nach wie vor für notwendig. Jugendwohnheime unterstützen in idealer Weise die auch von der Bundesregierung mehrfach eingeforderte berufliche Mobilität junger Menschen. Sie werden, auch wenn ihre Zahl in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gründen zurückgegangen ist, weiterhin stark nachgefragt. Als kürzlich die Jugendsozialarbeit auf Bundesebene eine Jugendwohnheimkampagne gestartet und auch im Internet beworben hat[4], ist erneut das Interesse bei Jugendlichen, ihren Eltern, Betrieben, Berufsschulen und v. a. auch den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestiegen. Außerdem besteht in Jugendwohnheimen wegen ihres Alters (viele Häuser stammen aus den 1960er und 1970er Jahren) und der geänderten Wohnbedürfnisse junger Menschen heute bei Bau, Einrichtung und Ersatzbeschaffung großer Nachholbedarf.
1.4. Aktivierungshilfen (§ 241 Abs. 3 a SGB III)
Die Bundesagentur für Arbeit plant die Abschaffung der Aktivierungshilfen, mit denen niedrigschwellige Angebote für Jugendliche, die auf andere Weise nicht für eine Ausbildung oder Qualifizierung motiviert werden können, gefördert werden. Die BA beruft sich hierbei darauf, dass ein Großteil der in Frage kommenden Jugendlichen im Rechtskreis des SGB II zu verorten sei bzw. von den Jugendämtern betreut werden solle.
Nach Auffassung der BAGFW ist es nicht nur notwendig, die gesetzliche Grundlage für die Durchführung der Aktivierungshilfen zu erhalten, sondern ihre Umsetzung auch zu intensivieren. Aufgrund der großen und wachsenden Zahl von Jugendlichen, die von der Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung der BA nicht (mehr) erreicht werden, werden niedrigschwellige Angebote dringend benötigt. Der Verweis auf die Zuständigkeit der Träger der Grundsicherung greift regelmäßig dort nicht, wo Jugendliche aufgrund fehlender oder beendeter Hilfebedürftigkeit nicht (mehr) gefördert werden können. So müssen z. B. junge Menschen entsprechende Förderprogramme verlassen, wenn die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft dadurch entfällt, dass ein Elternteil wieder Arbeit findet. Diesen Bedarf an niedrigschwelligen Angeboten kann die Jugendhilfe nicht allein decken. Die vermehrte Umsetzung der anteilig finanzierten Aktivierungshilfen kann die für die berufliche Integration junger Menschen dringend erforderliche Kooperation der Akteure vor Ort weiter fördern.
1.5 Leistungen zur Unterstützung von Beratung und Vermittlung (UBV) und Mobilitätshilfen
Die BA beabsichtigt, Leistungen zur Unterstützung von Beratung und Vermittlung (UBV) und Mobilitätshilfen einzuschränken.
Dies wird Jugendliche in ländlichen bzw. strukturschwachen Regionen voraussichtlich bei der Arbeitsplatzsuche und Arbeitsaufnahme stark behindern, da die Arbeitsplätze dort häufig weit entfernt vom Wohnort liegen.
Zu 2. Erschließen zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche
Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Vorschläge des Verwaltungsrats der BA, die betriebliche Ausbildungsvorbereitung und Ausbildung von benachteiligten Jugendlichen zu erleichtern.
Die BAGFW unterstützt Überlegungen, in den Förderkatalog der ausbildungsbegleitenden Hilfen Aufgaben des Ausbildungsmanagements aufzunehmen. Neben dem gesetzlichen Regelungsbedarf wird jedoch nach Ansicht der BAGFW einer verbesserten Umsetzung der vorhandenen gesetzlichen Grundlagen entscheidende Bedeutung zukommen. Damit ausbildungsbegleitende Hilfen breiter als bisher eingesetzt werden können, muss ihr Bekanntheitsgrad bei den Betrieben gesteigert werden. Gefordert sind hier die Berufsberatung der Arbeitsagenturen, die Kammern, die Berufsschulen und die Träger der ausbildungsbegleitenden Hilfen. Neben einer verbesserten Information ist auch eine Verstetigung und Qualitätssteigerung bei ausbildungsbegleitenden Hilfen notwendig, um die Akzeptanz der Betriebe zu sichern. Betriebe und Jugendliche, die sich – aufgrund des Ausschreibungsverfahrens - auf stetig wechselnde Träger mit wechselnder und häufig nicht ausreichender Personalausstattung einlassen müssen, sind kaum noch interessiert an der Förderung. Die BAGFW fordert, die Qualität eingereichter Konzepte höher als bisher zu gewichten und die Ausschreibungszeiträume zu verlängern. Ungeachtet dessen hält die BAGFW an ihrer Position fest, dass das Vergabeverfahren zur Umsetzung von Fördermaßnahmen in der Benachteiligtenförderung grundsätzlich ungeeignet ist (vgl. auch „Allgemeine Bemerkungen“).
Neben den Anstrengungen, mehr benachteiligte Jugendliche in eine betriebliche Ausbildung zu bringen, fordert die BAGFW die BA auf, die Förderung außerbetrieblicher Ausbildungsplätze, v. a. solche mit sozialpädagogischer Betreuung, zu intensivieren und auszubauen. In absehbarer Zeit werden trotz der Bemühungen zur Schaffung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze in erheblichem Umfang Ausbildungsangebote, insbesondere für benachteiligte Jugendliche, fehlen. Vor allem im Rechtskreis des SGB II ist ein starker Ausbau dieser Ausbildungsplätze erforderlich. In 2006 wurden von den Trägern der Grundsicherung insgesamt nur 14.000 Jugendliche in außerbetriebliche Ausbildungen vermittelt.
Zu 3. Einführung eines Qualifizierungs-Kombilohns für Jugendliche ohne Berufsabschluss
Der Anwendungsbereich des vorgeschlagenen Kombilohnmodells „Job-Bonus“ zur beruflichen Integration von Jugendlichen ist für die Gruppe der Jugendlichen ohne Berufsabschluss zu weit gefasst. Jugendliche ohne Ausbildung drohen bereits nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit in ungelernte Tätigkeiten des Niedriglohnsektors abgedrängt zu werden. Der Grundsatz „Ausbildung vor Beschäftigung“ wird für junge Menschen ohne Berufsabschluss an dieser Stelle aufgegeben. Es werden falsche Anreize geweckt, anstelle einer Ausbildung einen Job anzunehmen. Das Kombilohnmodell darf vielmehr nur für solche Jugendlichen Anwendung finden, bei denen bereits Versuche, sie, z. B. über ausbildungsvorbereitende Maßnahmen, in eine Ausbildung zu bringen, fehlgeschlagen sind und die voraussichtlich auch mittelfristig (in den nächsten zwei Jahren) keine Ausbildung absolvieren können oder wollen. Bei der Einschätzung des Potenzials der Jugendlichen sollte auf die Erfahrungen und Erkenntnisse der Maßnahmeträger zurückgegriffen werden. Es muss zweimal jährlich überprüft werden, ob ein Übergang in eine Ausbildung oder qualifizierende Maßnahme möglich ist. Die Förderdauer von einem Jahr und der veranschlagte Qualifizierungsanteil von 15% sind deutlich zu gering. Hier besteht die Gefahr, dass Betriebe den Qualifizierungsaufwand in ihrem Betrieb gering halten und sich v. a. auf die Erfüllung des formalen Qualifikationsnachweises beschränken. Fester Bestandteil des Angebots muss zudem eine flankierende sozialpädagogische Begleitung sein.
In diesem Zusammenhang weist die BAGFW darauf hin, dass es notwendig ist, die erfolgreiche Förderung von benachteiligten jungen Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) – „Arbeiten und Lernen“ zu erhalten, da Zielgruppe dieses niedrigschwelligen Angebots in erster Linie Maßnahmeabbrecher und Jugendliche ohne bzw. mit unzureichenden Schulabschlüssen sind. Die Maßnahmen haben den Vorteil, dass sie auf Arbeitsweltorientierung und Qualifizierung zielen und dabei sowohl die Jugendhilfe einbeziehen als auch andere Finanzierungsquellen (z. B. ESF) eröffnen.
Zu 4. Ausbau der Maßnahmen zur Berufsorientierung an Schulen nach § 33 SGB III
Die BAGFW unterstützt ausdrücklich die aktuellen Aktivitäten der BA, die frühzeitige Berufsorientierung an Schulen zu verstärken. In der Praxis hat sich die Regelung in § 33 SGB III, wonach die berufsorientierenden Angebote in der unterrichtsfreien Zeit anzusiedeln sind, jedoch nicht bewährt, weil die Kooperation mit Betrieben erschwert wird. Der Gesetzgeber sollte diese Vorgabe streichen und auf die Planungs- und Koordinationskompetenz der örtlichen Akteure vertrauen. Die Berufsorientierung an Schulen sollte am besten bereits in Klasse 7 beginnen und deutlich über die bisherige Begrenzung der Förderung auf vier Wochen hinausgehen.
Die BA verbindet ihr stärkeres präventives Engagement an Schulen mit der Absicht, ihre Förderangebote im Nachgang zur Schule zu überprüfen. So soll geklärt werden, ob Fördermaßnahmen im Anschluss an die Schule reduziert werden können. Nach Ansicht der BAGFW ist der präventiven Förderung von Jugendlichen in der Schule, insbesondere zur Erlangung des Schulabschlusses und Herstellung der Ausbildungsreife hohe Priorität einzuräumen. Damit Schulen verbesserte Lernbedingungen schaffen und Benachteiligungen abbauen können, ist ein längerfristiger Reform- und Entwicklungsprozess in Schulen notwendig, der von den Arbeitsagenturen im Hinblick auf den Übergang Schule-Beruf unterstützt werden kann. Gleichzeitige Einschränkungen der Förderung der Bundesagentur für Arbeit sind jedoch nicht akzeptabel, sofern sie die Abschaffung der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses betreffen, weil diese trotz verstärkter präventiver Angebote weiterhin als nachqualifizierende Maßnahmen insbesondere für die weiterhin steigende Gruppe der so genannten Altbewerber/-innen notwendig sind.
Die BAGFW spricht sich dafür aus, in der konkreten Umsetzung einer künftig veränderten Förderpraxis der BA eine enge Abstimmung auf lokaler Ebene vorzunehmen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den lokalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und auf die vorhandenen Förderangebote der Träger der Grundsicherung, der berufsbildenden Schulen und der Jugendämter.
Berlin, 23.04.2007
[1] Vorschläge der BA zur Produktvereinfachung: Mit weniger mehr erreichen! 16.02.2007
[2] Beschluss des Verwaltungsrates der BA zur Neuausrichtung der Förderpraxis der BA für benachteiligte Jugendliche vom 13.10.2006.
[3] Koalitionsarbeitsgruppe „Arbeitsmarkt“, März 2007.
[4] <link http: www.auswaerts-zuhause.de>www.auswaerts-zuhause.de