Einleitung
Der Referentenentwurf „Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ dient der Ratifikation der Istanbul-Konvention, die die Mitgliedsstaaten des Europarates am 11. Mai 2011 in Istanbul gezeichnet haben und die am 1. August 2014 nach Ratifikationen durch 10 Mitgliedsstaaten in Kraft getreten ist. Die Europaratskonvention sieht erstmalig in einem völkerrechtlichen Vertrag umfassende und spezifische Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie zum Schutz der Opfer vor. Durch die Ratifizierung verpflichtet sich Deutschland, die durch das Übereinkommen gesetzten Standards dauerhaft zu schaffen bzw. einzuhalten. Es konnten bereits in den letzten Jahren gesetzgeberische Schritte und weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt erreicht werden und die Rechte der Opfer gestärkt werden. Weitere bundesgesetzliche Schritte sind aus Sicht des Gesetzentwurfes mit Denkschrift zur Erfüllung der Anforderungen der Konvention nicht mehr erforderlich.
Bewertung
Die BAGFW begrüßt die Ratifikation der Europaratskonvention und die damit verbundene zeitnahe Umsetzung in nationales Recht. Viele Schritte sind auch bereits im Interesse der Opfer in Gesetzgebungsverfahren gegangen worden, tragen zu ihrem Schutz bei und geben ihnen Rechte an die Hand, um ihre Ansprüche geltend zu machen.
Zwei Punkte sind aus unserer Sicht aber noch von besonderer Bedeutung und müssen auf Bundesebene umgesetzt werden:
1. eine bundesrechtliche Verankerung des Rechtsanspruchs auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder
Körperliche, sexualisierte oder psychische Gewalt zu erleben, ist nach wie vor für viele Frauen in Deutschland alltägliche Realität. Jede dritte Frau in Deutschland (35%) hat körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft oder durch andere Personen erlebt. Die schwerwiegenden gesundheitlichen und sozialen Gewaltfolgen betreffen nicht nur die Frauen, sondern ebenso deren Kinder als Zeugen von häuslicher oder sexualisierter Gewalt. Vor diesem Hintergrund kommt dem Hilfe- und Unterstützungssystem für von Gewalt betroffenen Frauen und deren Kinder eine hohe Bedeutung zu. Seit langem ist jedoch der Zugang zum Hilfesystem nicht für alle gewaltbetroffenen Frauen und deren Kinder gesichert: es bestehen große Mängel hinsichtlich der Finanzierung bundesweit flächendeckender und ausreichender Strukturen, die jeder betroffenen Frau das Hilfesystem zugänglich machen. Um Schutz, Zuflucht und Beratung in Frauenhäusern und Fachberatungsstellen verlässlich sicherstellen zu können, braucht es nach Ansicht der BAGFW einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt für betroffene Frauen und deren Kinder in einem Bundesgesetz.
2. Aktionsplan zur Umsetzung der Konvention
Um die strukturellen Voraussetzungen für eine Verwirklichung eines solchen Rechtsanspruchs zu schaffen, empfiehlt die BAGFW einen Aktionsplan zur Umsetzung der Konvention.
Angesichts der komplexen Verpflichtungen sollte die Ratifikation vom Aufbau einer Struktur begleitet werden, die es ermöglicht, die Anforderungen aus der Europaratskonvention systematisch mit der Wirksamkeit bestehender Maßnahmen und Strukturen in Deutschland abzugleichen, Wissenslücken aufzudecken und erforderliche Verbesserungsbedarfe zu identifizieren. In Deutschland als einem föderal verfassten Staat sind in erster Linie die Bundesländer für die Durchführung bzw. Bereitstellung verabredeter Maßnahmen zuständig. Es fehlt aber bislang an einer länderübergreifenden Verbindlichkeit zur Bereitstellung von gleichwertigen Schutz- und Hilfemaßnahmen. In Fortsetzung des Aktionsplans II von 2007 sollten deshalb Bundes- und Landesebene zusammen weiter an der Verbesserung der Effizienz der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen arbeiten und den Schutz der betroffenen Frauen einheitlich sicherstellen. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Zielbestimmung, bindender Zeitvorgaben und klarer Ressourcenzuweisungen. Entsprechend der Istanbul-Konvention ist auch die Zivilgesellschaft bei diesem Prozess einzubinden. Es empfiehlt sich, eine unabhängige Monitoringstelle einzurichten, die den Umsetzungsprozess aus dem Blickwinkel der Menschenrechte auf regionaler und überregionaler Ebene beobachtet und analysiert. Die Monitoringstelle berät die Politik in Bund und Ländern, die Justiz, Anwaltschaft, Wirtschaft sowie zivilgesellschaftliche Organisationen bei der Umsetzung des internationalen Abkommens und fördert den Austausch zwischen Staat und Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Praxis, nationalen und internationalen Akteuren. Denn die Gewalt gegen Frauen berührt Menschenrechte und damit die Grundlage unserer Gesellschaft. Auf ihre Einhaltung ist zu achten und gesellschaftliche und politische Prozesse müssen entsprechend ausgestaltet werden.
Wir verweisen zur vertieften fachlichen Einschätzung der Denkschrift auf die Stellungnahme der Frauenhauskoordinierung e.V. (10.2.2017)