Vorbemerkung:
Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege bedanken sich für die Möglichkeit, zum vorliegenden Referentenentwurf Stellung zu nehmen, und äußern sich gemeinschaftlich als Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW).
Das Elterngeld sichert die wirtschaftliche Existenz der Familien bei Geburt eines Kindes.
Der Partnerschaftsbonus ist ein Angebot an Eltern, Familie und Beruf untereinander partnerschaftlich aufzuteilen.
Die BAGFW begrüßt grundsätzlich eine an den Wünschen und Bedarfen von Eltern orientierte neue und flexiblere Gestaltung des Elterngeldes.
Die BAGFW unterstützt das Anliegen des BMFSFJ, das Elterngeld flexibler und die Nutzung des Partnerschaftsbonus‘ für Familien berechenbarer zu gestalten.
Die BAGFW unterstützt die Flexibilisierung des Partnerschaftsbonus von mindestens zwei Monaten bis max. vier Monaten mit der Option, während des Bezugs des Partnerschaftsbonus mit Änderungsanträgen die Bezugszeiten anzupassen, wenn der Bonus kürzer oder länger als beantragt in Anspruch genommen wird.
Insbesondere unterstützt die BAGFW die vorgesehene Vereinfachung der Beantragung des Partnerbonus sowie den Verzicht auf Rückforderungen bei Eintreten veränderter Leistungsvoraussetzungen, bspw. weil ein Elternteil alleinerziehend wird.
Unter dem Aspekt der Flexibilisierung begrüßt die BAGFW die Ausweitung der Höchstarbeitszeitgrenze bzw. des Stundenkorridors von 25 bis 30 Stunden auf 24 bis 32 Stunden.
Die BAGFW gibt aber zu bedenken, dass diese Regelung dazu führen kann, dass Väter ihre Arbeitszeit erhöhen und die Mütter weiterhin in geringfügigen oder Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen verbleiben, d.h. kaum ihren Beschäftigungsumfang erhöhen werden und damit die bislang vorherrschenden tradierten Rollen der Aufteilung der familiären Aufgaben unintendiert fortgeschrieben werden.
Die BAGFW begrüßt grundsätzlich das Anliegen des BMFSFJ, Familien mit besonders frühgeborenen Kindern einen verlängerten Bezug von Elterngeld zu gewähren, erachtet die vorgesehene Regelung aber als nicht ausreichend.
In Deutschland kommen 9 % der Lebendgeborenen als Frühgeburten zur Welt. Das ist eine der höchsten Frühgeburtenrate im europäischen Vergleich. In Frankreich und Schweden beispielsweise liegt die Rate bei knapp mehr als 6 %.[1]
Besonders frühgeborene Kinder benötigen Zeit, um ihre Entwicklung nach der Geburt aufzuholen. Ihre Eltern sind durch die zusätzlich erforderlichen medizinischen und therapeutischen Maßnahmen über einen länger andauernden Zeitraum extrem belastet.
Dies wird bei der Regelung des Mutterschaftsgeldes berücksichtigt, indem bei zu früh geborenen Kindern der Mutterschutz um vier Wochen verlängert wird. Nach dem Mutterschutzgesetz wird eine Frühgeburt als ein vor dem errechneten Geburtstermin geborenes Kind definiert, das ein Geburtsgewicht von weniger als 2.500 g oder nicht alle vollausgebildeten Reifezeichen aufweist. Aus Sicht der BAGFW ist nicht nachvollziehbar, warum der Zeitpunkt für die Gewährung eines zusätzlichen Elterngeldmonats auf mindestens sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin begrenzt ist.
Bei mindestens sechs Wochen zu früh geborenen Kindern wird der Mutterschutz um vier Wochen verlängert und die Zeiten des Mutterschutzes, die vor der Geburt gelegen hätten, aber durch die zu frühe Geburt nicht in Anspruch genommen werden konnten, auf die Mutterschutzzeit nach der Geburt hinzugerechnet. Die BAGFW weist darauf hin, dass sich das Elterngeld damit deutlich verringert, da Mutterschaftsgeld vollständig auf das Elterngeld angerechnet wird.
Das sind unsere Forderungen:
- Die BAGFW regt an, insbesondere auch ergänzende Regelungen für Alleinerziehende, die neben ihrer beruflichen Tätigkeit die alleinige Verantwortung für die Organisation des Familienalltags tragen, in Betracht zu ziehen. Gerade alleinerziehende Mütter sind oftmals in atypischen Beschäftigungsverhältnissen beschäftigt bspw. in den Abendstunden oder am Wochenende, an denen eine entsprechende Kinderbetreuung nicht vorhanden ist. Deshalb plädiert die BAGFW dafür, für alleinerziehende Eltern ebenfalls die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Partnerbonus zu ändern, indem die geltende feste Bezugsdauer zwischen zwei und vier Monaten und der Stundenkorridor auch unter 25 Wochenstunden liegen kann.
- Die BAGFW sieht die Bezugsverlängerung von einem Elterngeldmonat bei einer Geburt mindestens sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin (ET) als zu gering an. Frühgeborene haben mit Entwicklungsverzögerungen, Starthindernissen und Belastungen zu kämpfen und können bis ins Schulalter und darüber hinaus unter körperlichen und psychischen Entwicklungsverzögerungen leiden.
Die BAGFW setzt sich dafür ein, die Bezugsverlängerung des Elterngeldes schon bei einer Geburt mehr als drei Wochen vor dem ET anstatt erst mehr als sechs Wochen vor dem ET zu gewähren, da schon bei Geburten in der 37. SSW mit Entwicklungsverzögerungen zu rechnen ist. Zur Unterstützung dieser Familien wäre zudem eine deutliche Verlängerung der Elternzeit über den Zeitraum von drei Jahren hinaus anzustreben.
- Bislang ist in § 2a Abs. 2 S. 3 BEEG lediglich geregelt, dass der Geschwisterbonus für Kinder mit Beeinträchtigung bis zum 14. Lebensjahr gewährt wird. Eine gesonderte Regelung des Elterngeldes bei Familien mit Kindern, die beeinträchtigt zur Welt oder neu zur Familie hinzukommen, gibt es bislang nicht. Dabei benötigen gerade diese Familien viele zeitliche und finanzielle Ressourcen, um die besondere Situation zu bewältigen.
Die BAGFW spricht sich über die im Referentenentwurf enthaltenen Regelungen hinaus dafür aus, den Elterngeldbezug und die Elternzeit für Eltern mit einem Kind mit Beeinträchtigung deutlich zu verlängern, um die Lebensgestaltung in der besonderen Situation zu unterstützen.
Die BAGFW fordert, im Sinne der Inklusion und einer besonderen Unterstützung von Familien mit Kindern mit Beeinträchtigung eine entsprechende Regelung mit aufzunehmen. - Die BAGFW begrüßt die vorgeschlagenen Regelungen zur Vereinfachung und Entbürokratisierung des Verwaltungsverfahrens beim Elterngeld. Zukünftig sollen primär die Elterngeldstellen für die Beantragung zuständig sein. Sie erleichtert Eltern den Zugang zu dieser Leistung. Die Erfahrung zeigt, dass es immer wieder zu längeren Bearbeitungszeiten kommt, die gerade bei Familien mit geringem Einkommen wie bspw. Alleinerziehende zu finanziellen Engpässen bis hin zu existenziellen Problemen führen. So regt die BAGFW an, zu beobachten, ob die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Regelungen die intendierten Veränderungen bewirken. Ggf. muss nachgesteuert werden.
- Weiter hält die BAGFW die Erhöhung des Mindestbetrags für Eltern ohne oder mit geringem Einkommen für dringend erforderlich. Seit der Einführung im Jahr 2007 ist der Mindestsatz des Elterngeldes von 300,- € trotz gestiegener Verbraucherpreise nicht angepasst worden.
[1] https://www.tk.de/resource/blob/2061920/cb0a2bd21b6839f4e0d13d5259c09597/studie--kindergesundheitsreport-2019-data.pdf