Stellungnahme der BAGFW zum Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten und zu Änderungsanträgen

BAGFW begrüßt grundsätzlich die Zielsetzung und Ausführungen des Gesetzentwurfs

Die BAGFW bedankt sich für die Möglichkeit, zum Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten und zu Änderungsanträgen Stellung nehmen zu können. Wir begrüßen grundsätzlich die Zielsetzung und Ausführungen des Gesetzentwurfs und sehen nur in einem Punkt Änderungsbedarf.

 

 

Nr. 19: § 34 Absatz 10a Satz 3 IfSG

 

Gesetzentwurf

 

Der Entwurf sieht vor, dass die Leitung einer Kindertageseinrichtung das Gesundheitsamt in ihrem Bezirk benachrichtigt, wenn der Nachweis über eine Impfberatung (§ 34 Abs. 10a S.1) durch die Eltern eines in die Einrichtung aufzunehmenden Kindes nicht erbracht wurde. Des Weiteren wird die Leitung verpflichtet, personenbezogene Daten, wie etwa die Adressen der betreffenden Personensorgeberechtigten zu übermitteln.

 

Bewertung

 

Die Benachrichtigung des Gesundheitsamtes und die Übermittlung der personenbezogenen Daten durch die Kindertagesstätte lehnt die BAGFW aus Gründen des Datenschutzes ab. Die Meldepflicht greift in das Grundrecht der Eltern auf informationelle Selbstbestimmung ein. Laut Gesetzesbegründung[1] bestand die Benachrichtigungspflicht bisher schon[2], es mangelte aber an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. Das Gesundheitsamt soll durch die Übermittlung der personenbezogenen Daten Kenntnis darüber erlangen, wer seiner Pflicht zum Nachweis einer Impfberatung nicht nachgekommen ist.

 

Die in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände teilen ausdrücklich das Ziel, die Teilnahme der Eltern an der Impfberatung zu verbessern, um die Impfquoten zu erhöhen. Die Zielrichtung der Benachrichtigungspflicht indes ist jedoch nicht eindeutig ersichtlich. Wenn auf diese Weise in Datenschutzrechte eingegriffen wird, muss dies durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt sein.

 

Die Meldepflicht könnte dem Zweck dienen, dass das Gesundheitsamt in die Lage versetzt wird, sich direkt an die betreffende Familie zu wenden, um ihr gemäß Satz 4 eine Impfberatung anbieten zu können. Über dieses Angebot des Gesundheitsamtes könnte die Kita die Eltern aber selbst informieren. Eltern dürften geneigter sind, einer direkten Einladung der Gesundheitsbehörde zu einem Gespräch zu folgen, wenn die Kita über dieses Angebot im direkten Gespräch oder mittels eines Flyers informiert. Insofern ist eine Benachrichtigungspflicht der Kindertagesstätte aus diesem Grund nicht gerechtfertigt. Es ist nicht Aufgabe einer Kindertageseinrichtung, die hoheitliche Aufgabe zu übernehmen, einer Behörde personenbezogene gesundheitsrelevante Daten zu übermitteln. Dies kann auch das Vertrauensverhältnis zwischen der Einrichtung und den Eltern nachhaltig stören. Die Meldepflicht könnte des Weiteren dem Zweck der Erleichterung der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit nach § 73 IfSG dienen. Dies wird im Gesetzesentwurf so an keiner Stelle genannt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständige örtliche Polizeibehörde[3] erleichterten Zugriff auf die Daten hat, wenn sie dem Gesundheitsamt vorliegen. Denn die Nichtvorlage einer Beratungsbescheinigung durch das Präventionsgesetz ist als sanktionierbarer Tatbestand ausgestaltet worden, der mit einer Geldbuße von bis zu 2500 Euro geahndet werden kann.

 

Sanktionen für die Nichtbefolgung einer Ladung des Gesundheitsamtes sind dagegen ebenso wenig vorgesehen wie für den Fall, dass die Personensorgeberechtigten sich von den Argumenten des Gesundheitsamtes nicht überzeugen lassen[4].

 

Wenn die Kita aus dem genannten Zweck in die Pflicht genommen wird, Personendaten zu übermitteln, erhält sie als (teilweise auch privater) Träger polizeiliche Ermittlungsbefugnisse, die unverhältnismäßig und unzulässig sind. Erst wenn ein akuter Fall von Erkrankung iSd Infektionsschutzgesetzes auftritt, ist unseres Erachtens die (gesetzlich bereits so vorgesehene) Übermittlung von Personendaten aus Gründen der Gefahrenabwehr und des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt; denn dies zieht weitere Pflichten der Behörde zur Sicherstellung des Infektionsschutzes nach sich.

 

Auch der Bundesrat vertritt diese Sichtweise (Drs. 18/11187).

 

Bezüglich der Form des schriftlichen Nachweises der Impfberatung weisen wir darauf hin, dass in den Früherkennungen, den sog. U-Untersuchungen, regelhaft eine ärztliche Beratung zu einem altersgemäßen Impfschutz erfolgt. Daher schlägt die BAGFW vor, den Nachweis über die Inanspruchnahme der U-Untersuchungen als Nachweis über die Beratung zum Impfschutz heranzuziehen.

 

 

 

Lösung

 

Der vorgeschlagene § 34 Abs. 10a Satz 3 wird gestrichen.

 

In § 10a ist nach Satz 1 folgender Satz zu ergänzen:

„Dieser Nachweis soll durch den Nachweis der Inanspruchnahme der altersentsprechenden Früherkennungsuntersuchungen erfolgen.“



[1] S. 79

[2] amtliche Begründung zum Präventionsgesetz, BT-Drs. 18/5261, Seite 64.

[3] Z.B. § 1 Abs. 6 der badenwürttembergischen Verordnung des Sozialministeriums über Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz, vom 19. Juli 2007; in Rheinland-Pfalz sind es die Kreisverwaltungen bzw. Stadtverwaltungen: § 9 der Landesverordnung zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzes vom 10. März 2010.

[4] Das ist auch nur konsequent, da kaum vorstellbar ist, dass eine zwangsweise Vorführung die für ein Beratungsgespräch erforderliche vertrauensvolle Atmosphäre schafft, so E. Schneider, Das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention, in <link https: www.juris.de jportal portal t x8o page>SGb 2015, 599-606, Fundstelle in  Iuris.