I. Vorbemerkung
Mit dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Förderung der Jugendfreiwilligendienste wird eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der Freiwilligendienste in Deutschland angestrebt. Diese Zielsetzung sowie die zu ihrer Verwirklichung in dem Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen werden von den in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zusammenarbeitenden Spitzenverbänden grundsätzlich begrüßt.
Im Rahmen der Regierungsinitiative „Zivilgesellschaft stärken“, mit der die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement in Deutschland verbessern möchte, wurde bereits das „Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements“ erlassen, das von der BAGFW unterstützt wurde. Der vorliegende Gesetzentwurf ist in diesem Kontext zu sehen, da Freiwilligendienste einen Beitrag zur Förderung der Engagementbereitschaft junger Menschen leisten.
In der Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Evaluationsbericht des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e. V. (ISG) „Systematische Evaluation der Erfahrungen mit den neuen Gesetzen zur Förderung von einem freiwilligen sozialen Jahr bzw. einem freiwilligen ökologischen Jahr (FSJ-/FÖJ-Gesetze)“ wird darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste als ein wichtiges Ziel ihrer Politik benannt und bereits erste Schritte eingeleitet hat. Weitere Schritte sollten auf der Basis der Ergebnisse der Evaluation sorgsam geprüft und in eine Gesamtstrategie integriert werden.
Den Schwerpunkt des Gesetzentwurfs stellt für die BAGFW eine Vermeidung der Umsatzbesteuerung der Leistungen im Rahmen der Freiwilligendienste dar.
II. Stellungnahme zum Gesetzentwurf
Artikel 1: Gesetz zur Förderung der Jugendfreiwilligendienste (Jugendfreiwilligendienstegesetz – JFDG)
Zu § 1:
Markenzeichen „FSJ“ und „FÖJ“:
Die BAGFW lehnt die mit dem Regierungsentwurf beabsichtigte Aufgabe der seit 40 Jahren erfolgreichen „Markenzeichen FSJ und FÖJ“ ab und gibt zu bedenken, dass diese Begriffe bei jungen Menschen positiv belegt sind und einen hohen Wiedererkennungswert haben. Das FSJ ist mit seinem spezifischen Ansatz und der dahinter stehenden Qualität unter diesem Markenzeichen bekannt. Trägerorganisationen profilieren ihr Angebot unter diesem Label. Darüber hinaus kämen auf die Trägerorganisationen erhebliche Zusatzkosten - die von der Bundesregierung nicht erhoben wurden - zu, wenn anstelle der Marke Freiwilliges Soziales Jahr ein neues Label entwickelt werden müsste. Auch der Bundesrat weist in seinem Beschluss darauf hin, dass sich die in der breiten Öffentlichkeit bekannten Abkürzungen FSJ und FÖJ bewährt haben. Für eine Umbenennung, die zu einem erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand führen würde, bestehen auch für den Bundesrat keine überzeugenden Gründe.
Aus diesem Grund schlägt die BAGFW vor, die Bezeichnung des Gesetzes wie folgt zu ändern:
„Gesetz zur Förderung der Jugendfreiwilligendienste FSJ und FÖJ“.
Zumindest sollten in § 3 (Jugendfreiwilligendienst) des vorliegenden Entwurfs als Spezifizierung von Jugendfreiwilligendiensten die Bezeichnungen „Freiwilliges Soziales Jahr“ und „Freiwilliges Ökologisches Jahr“ aufgenommen werden.
Die BAGFW begrüßt daher, dass die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 07.11.2007 angekündigt hat, den Bedenken des Bundesrates mit einer Kompromisslösung in Bezug auf die Weiterverwendung der bisherigen Bezeichnungen „freiwilliges soziales Jahr (FSJ)“ und „freiwilliges ökologisches Jahr (FÖJ)“ Rechnung zu tragen. Einzelformulierungen hierzu bleiben abzuwarten.
Jugendfreiwilligendienste als Maßnahme der Jugendbildung:
Aus der Sicht der BAGFW sind die Jugendfreiwilligendienste durch ihren Auftrag, „soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl zu stärken“, Jugendbildungsmaßnahmen. Deshalb schlägt die BAGFW vor, den Begriff „Jugendbildungsmaßnahme“ in den Gesetzestext einzufügen oder zum Textvorschlag des Referentenentwurfs zurückzukehren.
Zu § 3 Abs. 1:
§ 3 Abs. 1 nennt erstmalig den Begriff „Lernziele“, ohne ihn jedoch zu definieren. Die praktische Hilfstätigkeit der Freiwilligen soll an diesen Lernzielen orientiert sein.
Jugendfreiwilligendienste sind grundsätzlich Orte informellen und non-formalen Lernens. Die Jugendfreiwilligendienste erreichen ihre besondere Qualität durch die Verschränkung von informellen Lernprozessen in der praktischen Hilfstätigkeit in Verbindung mit der Reflexion des Erfahrenen in den Seminaren und durch die Bildungsangebote in Form non-formalen Lernens zur Erweiterung sozialer, interkultureller und persönlicher Kompetenzen in der Vermittlung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl.
Eine Verengung des Bildungsbegriffes im FSJ und FÖJ auf Lernziele lehnt die BAGFW daher ab.
Zu § 3 Abs. 3:
Mit der Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 4, wonach die an Lernzielen orientierte pädagogische Begleitung durch die Einsatzstellen erfolgt, wird ein Teil der Bildungsverantwortung den Einsatzstellen übertragen. Die Gesamtverantwortung für die Umsetzung des Bildungsauftrages muss jedoch bei den Trägern verbleiben, um Einsatzstellen nicht zu überfordern und Unklarheiten von Zuständigkeiten zu vermeiden. Nicht ohne Grund haben die Träger von Freiwilligendiensten die Vorgabe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sehr ernst genommen und qualifiziertes sozialpädagogisches Personal zur Erfüllung des Bildungsauftrages eingestellt. Gerade kleinere Einsatzstellen werden kaum pädagogisches geschultes Personal vorhalten können, das in der Lage sein wird, den Anspruch eines curricularen Lernens in den Einsatzstellen zu gewährleisten oder bei immer häufiger auftretenden persönlichen Krisen der Freiwilligen adäquat reagieren zu können.
Die BAGFW fordert daher, die Bildungsverantwortung bei den Trägern zu belassen, mithin Satz 4 wie folgt zu fassen:
„Die Gesamtverantwortung für die pädagogische Begleitung liegt beim Träger; sie umfasst die fachliche Anleitung der Freiwilligen durch die Einsatzstelle.“
Die BAGFW begrüßt jedoch, dass bei einer Verlängerung des Dienstes über 12 Monate hinaus auch eine Verlängerung der pädagogischen Begleitung bzw. der Seminartage erfolgt, denn der Freiwilligendienst ist Lerndienst und Bildungszeit, aber kein Job. Damit wird auch der Forderung nach Arbeitsmarktneutralität entsprochen. Des Weiteren können insbesondere junge Erwachsene mit geringem Bildungshintergrund von zusätzlicher Bildungszeit oder zusätzlichen Seminartagen profitieren.
Nach Ansicht der BAGFW ist allerdings mit den derzeit vorhandenen unzureichenden finanziellen Ressourcen eine Versorgung aller Interessierter mit Freiwilligendiensten nicht gewährleistet. Die anvisierte Flexibilisierung der Dienste wird daher nur erreicht werden können, wenn erhebliche zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Selbiges gilt für den von den Trägern seit langem angebotenen Ausbau der FSJ Einsatzplätze. Daher sieht die BAGFW wie der Bundesrat die mit der Verlängerung der Dienste verbundenen erheblichen Kostensteigerungen kritisch. Zumal neben der Förderung aller Plätze auch eine deutliche Anhebung der FSJ Förderpauschale an das Niveau des FÖJ dringend notwendig ist. Um das politisch anvisierte Ziel besondere Zielgruppen (Benachteiligte, Jugendliche mit Migrationshintergrund) neu zu erreichen bedarf es besonderer zusätzlicher Anstrengungen.
Abschließend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die finanzielle Ungleichbehandlung unterschiedlicher Freiwilligendienste aus Sicht der BAGFW nicht nachvollziehbar ist.
Zu § 3 Abs. 4:
Die Dauer eines freiwilligen sozialen Dienstes bzw. eines freiwilligen ökologischen Dienstes im Inland soll von derzeit 18 Monaten auf eine Höchstdauer von 24 Monaten angehoben werden. Darüber hinaus soll eine Flexibilisierung erreicht werden, indem der jeweilige Freiwilligendienst im Inland nicht nur zusammenhängend, sondern auch in Abschnitten von mindestens drei Monaten und mit zeitlichen Unterbrechungen absolviert werden kann.
Grundsätzlich begrüßen die in der BAGFW zusammenarbeitenden Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege diese Möglichkeiten zur Flexibilisierung, um den Bedürfnissen junger Menschen und ihrer Lebensplanung noch besser entsprechen zu können.
Allerdings wird durchaus das Problem gesehen, dass bei Ableisten mehrerer kurzer Freiwilligendienste für alle Beteiligten ein großer Verwaltungsaufwand erzeugt wird und die korrekte zeitliche Ableistung der gesamten Dauer der Freiwilligendienste von den Behörden, insbesondere bei Ableisten der Freiwilligendienste in verschiedenen Bundesländern und mit zeitlichen Unterbrechungen, schwerlich nachzuvollziehen sein wird. Die Formen und Module müssen auch den Bedürfnissen der in den Einrichtungen lebenden betreuten und versorgten Menschen entsprechen. Zuletzt entsteht auch für die Einsatzstellen der Nachteil, dass der Freiwillige bei Ableisten eines dreimonatigen Freiwilligendienstes bereits nach der Einarbeitungsphase schon nicht mehr zur Verfügung steht.
Von der BAGFW kritisch betrachtet wird die Anhebung der Höchstdauer des Freiwilligendienstes auf 24 Monate, solange keine ausreichende Anzahl von Freiwilligenplätzen für interessierte Jugendliche zur Verfügung steht. Zwar können von der Neuregelung ebenso wie bei der Verlängerung der Seminartage benachteiligte Jugendliche mit geringem Bildungshintergrund profitieren, und jungen Erwachsenen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, kann eine sinnvolle Tätigkeit vermittelt werden. Jedoch müssen auf der anderen Seite Verteilungsungerechtigkeiten unter den jungen Erwachsenen vermieden werden.
Aus Sicht der BAGFW ist festzuhalten, dass weder in den Ergebnissen der in der Einleitung genannten Evaluation des freiwilligen sozialen Jahres und des freiwilligen ökologischen Jahres noch in der Stellungnahme der Bundesregierung dazu Hinweise auf weitere Regelungen zur Flexibilisierung der Freiwilligendienste zu finden sind und sich der Prüfauftrag des Deutschen Bundestages auf länger andauernde Freiwilligendienste vor allem im europäischen und nicht europäischen Ausland bezog, die weiterhin auf 12 Monate - anstelle von 18 Monaten - befristet geblieben waren. Die in den Ergebnissen der Evaluation geforderte konzeptionelle Ausarbeitung der bereits formal eröffneten Möglichkeit einer Verlängerung auf 18 Monate ist bislang noch nicht umgesetzt worden, auch stehen keine zusätzlichen finanziellen Mittel mehr für die Verlängerungszeiten zur Verfügung, da die erfolgte Aufstockung der Fördermittel für die vorrangig erforderlichen zusätzlichen Plätze und die Entwicklung neuer Schwerpunkte verausgabt wurden. Die hier vorgesehenen weiteren Schritte einer Flexibilisierung sollten auf der Basis der Ergebnisse der Evaluation wie zugesagt erst sorgsam geprüft und in eine Gesamtstrategie integriert werden, die aber bislang weder vorgelegt noch mit den Verbänden diskutiert wurde (vgl. auch Bundestagsdrucksache 15/4395 vom 15. April 2005).
Einer Anhebung der Höchstdauer auf 24 Monate kann seitens der BAGFW daher nur zugestimmt werden, wenn durch entsprechende Mittelerhöhung für den Jugend-freiwilligendienst gewährleistet ist, dass alle interessierten jungen Erwachsenen einen Freiwilligendienst antreten können und die Chancengleichheit gewahrt bleibt.
Zu § 3 Abs. 5:
§ 3 Abs. 5 JFDG wird neu in das Gesetz eingefügt. Satz 1 regelt erstmalig, dass nicht nur Freiwillige und Träger, sondern auch Träger und Einsatzstellen untereinander eine vertragliche Vereinbarung schließen. Die Rechtsbeziehung zwischen Träger und Einsatzstelle wird bislang im Gesetz lediglich implizit vorausgesetzt. Anzumerken ist allerdings, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und der Klarstellung gegenseitiger Rechte und Pflichten in der Praxis Vereinbarungen zwischen Einsatzstelle und Träger bereits üblich sind.
Die Neuregelung wird von der BAGFW begrüßt, sofern sie einer Vermeidung der Umsatzbesteuerung der Leistungen zwischen Einsatzstelle und Träger dient.
Auf weitere Einzelheiten soll im Rahmen des § 8 JFDG eingegangen werden.
Zu § 4:
Der Gesetzentwurf verbessert nur unzureichend die Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste im Ausland. Es wird einer Grundintention der Evaluation des FSJ-Gesetzes nicht entsprochen, da für Freiwilligendienste im Ausland uneingeschränkt an der sozialen Absicherung der Freiwilligen in der Deutschen Sozialversicherung festgehalten wird.
Nach Ansicht der BAGFW sollten eigenständige Regelungen vor allem der sozialen Sicherung für den Jugendfreiwilligendienst im Ausland geschaffen werden.
Zu § 5:
Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Möglichkeit der Kombination eines Dienstes im In- und Ausland, die Erhöhung der maximalen Dauer des Dienstes von 12 auf 24 Monate und die Regelung, dass Sprachkurse nicht mehr laut Gesetz in Deutschland stattfinden müssen.
Dadurch, dass zukünftig innerhalb eines Freiwilligendienstes Einsatzzeiten sowohl im Inland als auch im Ausland stattfinden können, wird jungen Erwachsenen ein Einblick in die Freiwilligenarbeit auch über Landesgrenzen hinaus ermöglicht. Die Möglichkeit eines kombinierten Dienstes wird insbesondere benachteiligten jungen Menschen den Zugang zu Auslandsdiensten erleichtern.
Abzulehnen und dringend zu streichen ist in diesem Zusammenhang die Passage in § 8 Abs. 1 (8), dass bereits im Vorfeld des Jugendfreiwilligendienstes zu verabschiedende Vereinbarungen über individuelle Ziele zu treffen sind. Dies ist weder pädagogisch nachvollziehbar noch aus den Erfahrungen der Praxis heraus einlösbar; zumal im folgenden § 8 Abs. 2 ausschließlich die Rechte und Pflichten in dem Vertragsverhältnis geregelt werden (siehe auch Seite 8).
Zu § 8 Abs. 2:
Vorbemerkung:
Die BAGFW begrüßt, dass durch § 8 JFDG nunmehr auch im Gesetz verschiedene Möglichkeiten des Zusammenwirkens von Trägern und Einsatzstellen festgeschrieben werden.
Zur Vermeidung einer Umsatzbesteuerung würde die BAGFW einer europarechtskonformen und zugleich unbürokratischen Lösung, wie sie der Bundesrat in seinem Beschluss vom 12.10.2007 (Drucksache 598/07) empfohlen hat, den Vorzug geben.
In diesem Beschluss hat der Bundesrat vorgeschlagen,
„d) die Leistungen der Jugendfreiwilligendienste in den Bereichen freiwilliges soziales Jugendbildungsjahr (freiwilliger sozialer Dienst) oder freiwilliges ökologisches Jugendbildungsjahr (freiwilliger ökologischer Dienst), soweit diese kraft Gesetzes oder von der zuständigen Landesbehörde zugelassen sind“
gem. § 4 Nr. 25 Satz 1 Buchst. d – neu - von der Umsatzsteuer zu befreien.
Dieser Vorschlag stellt nach Auffassung der BAGFW eine längst fällige Umsetzung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dar. Die Richtlinie befreit in Titel IX, Kapitel 2, Artikel 132 Absatz 1 Buchst. h von der Umsatzsteuer: „... eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedsstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 07.11.2007 ist diese verbindliche gemeinschaftsrechtliche Vorgabe durchaus geeignet, eine Umsatzsteuerbefreiung für sämtliche Leistungen der Jugendfreiwilligendienste zu schaffen. Insbesondere wäre auch die sog. Verwaltungskostenumlage erfasst, die durch die in § 8 Abs. 2 vorgesehene Regelung weiterhin der Umsatzsteuer unterliegt.
Das BMF erachtet in dem Erlass vom 14.02.2007 eine umfassende Steuerbefreiung des FSJ/FÖJ aufgrund dieser EU-Richtlinie allerdings für nicht zielführend.
Umsatzbesteuerung (§ 8 Abs. 2 Satz 1):
Mit der in § 8 Abs. 2 JFDG neu aufgenommenen Regelung soll auch die Einsatzstelle im Inland Schuldnerin der vertraglichen Rechte und Pflichte aus der Freiwilligendienstvereinbarung werden können. Zwar ist es weiterhin gesetzlich zulässig, dass nur der Träger des Freiwilligendienstes und die Freiwillige bzw. der Freiwillige eine zweiseitige Vereinbarung schließen, § 8 Abs. 2 eröffnet aber zusätzlich die Möglichkeit, eine dreiseitige Vereinbarung zwischen Träger, Einsatzstelle und Freiwilligem oder Freiwilliger zu schließen. Diese neu in das Gesetz aufgenommene dreiseitige Vereinbarung soll zur Lösung zahlreicher Probleme im Zusammenhang mit einer möglichen Umsatzbesteuerung des Freiwilligendienstes führen und stellt aus Sicht der BAGFW den Kern des Gesetzentwurfs dar.
Ein zentrales Problem des freiwilligen sozialen Jahres in Deutschland ist, dass seit dem Jahr 2004 zahlreiche örtliche Finanzverwaltungen sowie das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Auffassung vertreten, im Rahmen der Durchführung des freiwilligen sozialen Jahres werde eine Personalgestellung der jungen Erwachsenen durch die Träger an die entsprechenden Einsatzstellen ausgeführt und ein umsatzsteuerrechtliches Leistungsaustauschverhältnis begründet.
Durch die in § 8 Abs. 2 vorgesehene Regelung, dass Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis durch eine gemeinsame Vereinbarung zwischen Träger, Einsatzstelle und Freiwilligem oder Freiwilliger auch auf die Einsatzstelle übergehen können, soll eine Möglichkeit geschaffen werden, umsatzsteuerliche Leistungsaustauschverhältnisse für alle Bereiche des freiwilligen sozialen Dienstes zu vermeiden.
Mit Erlass vom 14. Februar 2007 hat das BMF hierzu Folgendes klargestellt:
„Daneben soll die – von den Umsatzsteuer - Referatsleitern angeregte – Möglichkeit eröffnet werden, die Einsatzstelle hinsichtlich der von ihr übernommenen Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und des sog. Taschengeldes auch im Außenverhältnis selbst zu verpflichten. Die Abwicklung dieser Zahlungsströme könnte weiterhin durch den Träger erfolgen und dabei – abweichend von der bisherigen Rechtslage – als durchlaufender Posten behandelt werden. Der Träger erfüllt insoweit nur noch für den Fall, dass er als Haftender eintreten muss, eine eigene Verpflichtung ...
Soweit die Einsatzstelle über die Sozialversicherungsbeiträge der Freiwilligen und deren Taschengeld hinaus Zahlungen an den Träger leisten muss und diese Entgelt für Leistungen im Bereich der formalen Bildungsarbeit der Träger sind, die nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei sein können, entsteht auch insoweit keine umsatzsteuerliche Belastung. Ich gehe davon aus, dass die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiungsvorschrift insoweit regelmäßig erfüllt sind, da der sog. formale Bildungsanteil in besonders dafür vorgesehenen Bildungseinrichtungen in Vortragsform und nur gegen Kostenersatz erfolgt. Es verbliebe bei Wahl dieser Alternative lediglich eine Umsatzsteuerbelastung hinsichtlich weiterer, von den Einsatzstellen als sog. Verwaltungskostenumlage erhobener Beträge.“
In Anlehnung an den o. g. Erlass des BMF sollte jedoch im Rahmen des § 8 Abs. 2 JFDG klargestellt werden, dass die Einsatzstelle auch die Sozialversicherungsbeiträge auf eigene Rechnung übernimmt.
Dieser Argumentation des BMF folgend begrüßt die BAGFW ausdrücklich die mit der Fassung des § 8 Abs. 2 JFDG verbundene Freistellung von der Umsatzsteuer, weist jedoch abermals darauf hin, dass sie einer europarechtskonformen Lösung zur Vermeidung der Umsatzsteuer den Vorzug gäbe.
Zur Vermeidung von Missverständnissen empfiehlt die BAGFW außerdem dringend, die Intention des Gesetzgebers, eine Umsatzbesteuerung der Leistungen der Freiwilligendienste weitestgehend zu vermeiden, zumindest in die Gesetzesbegründung aufzunehmen. Auf den Inhalt des Übersendungsschreibens der Bundeskanzlerin an den Präsidenten des Bundesrates vom 31.08.2007 wird in diesem Zusammenhang Bezug genommen.
Selbstschuldnerische Bürgschaft (§ 8 Abs. 2 Satz 2):
Ausdrücklich abgelehnt wird von der BAGFW die in § 8 Abs. 2 Satz 2 JFDG vorgesehene selbstschuldnerische Bürgschaft des Trägers. Sinn des neu gefassten § 8 Abs. 2 JFDG ist, die Einsatzstelle als vollwertigen Vertragspartner mit eigenen Rechten und Pflichten in die Vereinbarung zwischen Träger und Freiwilliger bzw. Freiwilligem aufzunehmen. Die Folge kann nicht sein, dass die damit ggf. verbundenen Nachteile vom Gesetz auf den Träger abgewälzt werden. Zwar kann nachvollzogen werden, dass Ziel der subsidiären Haftung des Trägers der Schutz des/der Freiwilligen sein soll, eine selbstschuldnerische Bürgschaft soll nach dem Referentenentwurf jedoch auch gegenüber Dritten übernommen werden. Die besondere Schutzbedürftigkeit dieser Dritten, die einen solchen gesetzlichen Eingriff rechtfertigen könnte, ist hier nicht ersichtlich. Abschließend ist anzumerken, dass der BAGFW kein Fall der Insolvenz einer Einsatzstelle in den letzten Jahren bekannt ist, die zu finanziellen Nachteilen der Freiwilligen führte, so dass die Notwendigkeit einer subsidiären Haftung des Trägers nicht gesehen wird. Die geplante Regelung ist daher unverhältnismäßig.
Artikel 2: Änderung sonstigen Bundesrechts
Zu 2: § 2 Abs. 1 Nr. 8 Arbeitsgerichtsgesetz
§ 2 Abs. 1 Nr. 8 Arbeitsgerichtsgesetz regelt bislang, dass bürgerliche Rechtsstreitig-keiten zwischen den Trägern des FSJ und den „Helfern“ sowie bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Trägern des FÖJ und den Teilnehmern in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit fallen. Dadurch, dass in § 8 Abs. 2 JFDG nunmehr auch Einsatzstellen Teil der vertraglichen Vereinbarung zwischen Teilnehmer und Träger werden können, sollte in § 2 Abs. 1 Nr. 8 Arbeitsgerichtsgesetz ergänzt werden, dass auch bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen den Einsatzstellen und den Teilnehmern der Freiwilligendienste in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit fallen. In diesem Zusammenhang bitten wir zudem, den überholten Begriff „Helfer“ dem neuen Sprachgebrauch anzupassen.
Artikel 3: Inkrafttreten/Außerkrafttreten
Die BAGFW begrüßt ausdrücklich, dass die beabsichtigte Neuregelung zum 01. Januar 2008 in Kraft treten soll. Damit würde eine weitere Voraussetzung für die vom BMF für die Zeit vor dem 01.01.2008 zugesagte Nichtbeanstandungsregelung im Bereich der Umsatzsteuer erfüllt.
Abschließend ist indes in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die FSJ-Träger auf der Grundlage des bislang geltenden Rechts für den FSJ-Jahrgang 2007/2008 bereits Vereinbarungen mit den Freiwilligen abgeschlossen haben und eine rückwirkende vertragliche Änderung nicht möglich ist. Für diesen Jahrgang ist deshalb eine Übergangsregelung erforderlich, die wir mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) abzustimmen bitten. Die zugesagte Nichtbeanstandungsregelung muss auch greifen, wenn ein FSJ-Träger aus diesem Grund seine Vereinbarungen mit den Freiwilligen erst für den FSJ-Jahrgang 2008/2009 umstellt.
Berlin, den 08.11.2007