Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) zum Entwurf eines Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) (BT-Drs. 19/13397) sowie zur Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats (BT-Drs. 19/13547) und zu den Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 19 (14) 104.1)
A. Einleitung und zusammenfassende Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) begrüßt, dass der Gesetzgeber eine Strukturreform vorgelegt hat, die grundsätzliche Reformen der Medizinischen Dienste (MD) angeht und Grundlagen für eine einheitliche Arbeitsweise der MDen schafft. Die gesetzliche Verankerung der unabhängigen Arbeit im Rahmen der Begutachtung für nicht-ärztliche Berufe leistet einen wichtigen Beitrag zur Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste. Zentral ist insbesondere die zukünftige Besetzung der Verwaltungsräte und hier vor allem die Rolle, die den maßgeblichen Organisationen der Selbsthilfe für die Wahrung der Interessen der Selbsthilfe, der pflegebedürftigen und behinderten Menschen sowie der pflegenden Angehörigen zukommt. Die BAGFW fordert das Parlament dazu auf, Besetzungsregelungen der Verwaltungsräte zu beschließen, wie sie im Referentenentwurf zu finden waren, mit einer dreiteiligen Besetzung. Bei der nun vorgesehenen überwiegenden Stimmmehrheit der Kassen wäre es folgerichtig, die aktuelle Benennung der Dienste als Medizinische Dienste der Krankenkassen beizubehalten.
Die BAGFW zeigt auf, an welchen Stellen der Gesetzgeber weitere Maßnahmen ergreifen kann. Sie fordert, dass Patientinnen und Patienten, über die der MDK ein Gutachten erstellt, dieses regelhaft zugestellt bekommen. Patientenorganisationen sollten ebenfalls Stellungnahme berechtigt sein, wenn es um die Erstellung von Richtlinien des Medizinischen Dienstes Bund geht. In mehreren Bereichen der Neuregelungen zum SGB XI fordern die in der BAGFW kooperierenden Spritzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die Erarbeitung von Richtlinien nicht dem MD Bund, sondern dem Qualitätsausschuss Pflege zu übertragen, da sie sich seit langem dafür einsetzen, dass dem Qualitätsausschuss Pflege eine Rolle entsprechend dem Gemeinsamen Bundesausschuss im SGB V-Bereich zukommt.
B. Stellungnahme zu den Einzelvorschriften
Artikel 1: Änderungen des Fünften Sozialgesetzbuches
§ 275 Begutachtung und Beratung
Die Stärkung der Versichertenrechte in § 275 Absatz 3, indem die Krankenkassen vor einer ablehnenden Leistungsentscheidung bei der medizinischen Erforderlichkeit von Hilfsmitteln oder bezüglich der Form der Dialyseversorgung im Einzelfall sowie bei Behandlungsfehlern nun zwingend den MD einzuschalten haben, ist zu begrüßen. Es bleibt allerdings offen, wie mit Fällen umgegangen wird, in denen Uneinigkeit zwischen Kasse und Versicherten darüber besteht, ob medizinische Gründe zur Ablehnung geführt haben oder nicht. Für Kassen besteht so der Anreiz, medizinisch entscheidungserhebliche Gründe aus ablehnenden Leistungsbescheiden heraus zu halten. Hier gilt es, die Patientenrechte zu stärken, indem man weitere Anforderungen mit Blick auf das Verwaltungsverfahrensrecht vorsieht. Die bzw. der Versicherte sollte in einer Rechtsbehelfsbelehrung durch eine gesetzliche Krankenkasse immer darauf hingewiesen werden müssen, dass sie/er ein Recht auf eine Begutachtung durch den MD hat, wenn ein negativer Leistungsentscheid medizinische Gründe hat. Rechtsbehelfsbelehrungen ohne einen entsprechenden Passus sollten als unvollständig gewertet werden. Ein Punkt, der aus Patientenperspektive eine Nachvollziehbarkeit getroffener Entscheidungen erschwert, liegt in der Trennung zwischen dem Medizinischen Dienst und den Kassen begründet. Aus Datenschutzgründen und, um die Vertraulichkeit der medizinischen Daten der Versicherten zu wahren, übermittelt der Medizinische Dienst den Krankenkassen keine medizinischen Details. Dies führt dazu, dass diese auch nicht in den ablehnenden Leistungsbescheiden der Krankenkassen auftauchen. Dadurch kann bei Patient/-innen der Eindruck entstehen, dass ihre medizinischen Belange nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Zur Stärkung der Patientensouveränität sollten Patientinnen und Patienten, über welche die Medizinischen Dienste ein Gutachten erstellen, dieses zur Kenntnis zugesandt bekommen.
Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass die Neuregelungen in § 275 Absatz 5 eigens kodifizieren, dass das bisher für Ärzt/innen geltende Recht auf eine fachlich unabhängige Tätigkeit auch auf nicht-ärztliche Beschäftigte des MD ausgeweitet wird. Hierzu gehören beispielsweise Pflegefachkräfte und Vertreter/innen anderer Heil- und Gesundheitsberufe. Dies stärkt die Unabhängigkeit der Begutachtung im SGB V und im SGB XI-Bereich.
Änderungsbedarf
(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Rechtsbehelfsbelehrungen, die mit einem negativen Leistungsbescheid durch gesetzliche Krankenkassen versandt werden, müssen in allen Fällen den Versicherten über sein Recht aufklären, dass ein Gutachten durch den Medizinischen Dienst zu erstellen ist, wenn die Leistung aus medizinischen Gründen abgelehnt wird, um Gültigkeit zu haben.
(3c) Personen, über die der Medizinische Dienst ein Gutachten erstellt, erhalten eine Ausfertigung des erstellten Gutachtens. Dieses hat eine laienverständliche Erläuterung der zentralen Inhalte und Ergebnisse des Gutachtens zu enthalten.
§ 278 Medizinischer Dienst
Der Medizinische Dienst wird organisationsrechtlich und in Hinblick auf seinen Haushaltsrahmen unabhängiger. Für eine konsequente Umsetzung der Unabhängigkeit von den Krankenkassen bedarf es einer entsprechenden Besetzung der Verwaltungsräte. In Absatz 2 wird nochmals klargestellt, dass die Gutachter/innen des MD sich aus Ärzt/innen, Pflegefachkräften sowie Angehörigen anderer Gesundheitsberufe zusammensetzen können und dass die Gesamtverantwortung bei medizinischen Sachverhalten bei den Ärzt/innen und bei pflegerischen Sachverhalten bei den Pflegefachkräften liegt. Unklar ist, warum die Gesamtverantwortung bei Sachverhalten wie z.B. Hilfsmittelversorgung nicht bei den Angehörigen der entsprechenden Berufsgruppen liegt.
Besonders positiv zu bewerten ist die Einführung einer Ombudsperson und damit eines institutionalisierten Beschwerdemanagements. Sowohl die Versicherten als auch die Beschäftigten können sich mit ihren Beschwerden an diese Ombudsperson richten. Die regelmäßige zweijährige Berichtspflicht der Ombudsperson gegenüber dem Verwaltungsrat sollte auf eine einjährige Berichtspflicht verkürzt werden. Die Transparenz im neuen System des MD wird auch durch die neu eingeführte Berichtspflicht der Länder-MDen an den MDB Bund in Absatz 4 gestärkt.
Änderungsbedarf
(3) Bei jedem Medizinischen Dienst wird eine unabhängige Ombudsperson bestellt, an die sich sowohl Beschäftigte des Medizinischen Dienstes bei Beobachtung von Unregelmäßigkeiten, insbesondere Beeinflussungsversuchen durch Dritte, als auch Versicherte bei Beschwerden über die Tätigkeit des Medizinischen Dienstes vertraulich wenden können. Die Ombudsperson berichtet dem Verwaltungsrat und der zuständigen Aufsichtsbehörde in anonymisierter Form zweijährlich und bei gegebenem Anlass. Das Nähere regelt die Satzung nach § 279 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1.
§§ 279, 282 Verwaltungsrat und Vorstand der MDen sowie des MD Bund
Eine absolute Stimmmehrheit von durch Krankenkassen benannten Vertreter/innen, führt nicht dazu, dass die Medizinischen Dienste in ihrer Ausübung und in ihrer strategischen Ausrichtung unabhängig agieren können. Die vom Bundesgesundheitsministerium im Referentenentwurf vorgesehene Besetzung hätte diesen Zweck erfüllt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege fordert, dass die Verwaltungsräte der Medizinischen Dienste wie folgt besetzt werden: 6 Kassenvertreter/innen, 6 Patientenvertreter/innen und 4 Vertreter/innen von Pflegekammer und Ärztekammer. Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass Vertretern von Patienten- und Selbsthilfeorganisationen bestellt werden und ein Stimmrecht erhalten und dass mit dieser Bank auch die Interessen der pflegenden Angehörigen sowie der Verbraucherschutz entsprechend vertreten sind. Des Weiteren ist sachgerecht, dass sich Mitglieder des Verwaltungsrats aus den Landesärztekammern bzw. Pflegekammern bzw. den maßgeblichen Verbänden der Pflegeberufe rekrutieren. Die Gesetzesbegründung weist aus, dass die Zusammensetzung des Verwaltungsrats sicherstellen soll, dass „alle wesentlichen Gruppen, die von der Tätigkeit des MD betroffen sind“ in dessen Verwaltungsrat vertreten werden können“ (S. 61).
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass auf Landesebene Vorgaben für Organisationen der Patientenvertretung getroffen werden sollen, die im Verwaltungsrat der Medizinischen Dienste vertreten sein können. Hierbei seien Vorgaben mit Blick auf die fachliche Qualifikation, Unabhängigkeit, Organisationsform und Anforderungen an die Offenlegung zu treffen. Hierbei gilt es zu bedenken, dass wenn solche Vorgaben einmal kodifiziert sind, dass sie auf andere Bereiche ausstrahlen werden und hier ebenfalls Wirkung entfalten. Die vorgesehene Regelung würde voraussichtlich zu einem sehr divergenten System an landesspezifischen Vorgaben führen. Dies gilt es zu verhindern. Es ist wichtig, dass Patientenorganisationen, die sowohl auf Landesebene aber auch bundesweit aktiv sind, nicht eine Vielzahl an unterschiedlichen landesrechtlichen Vorgaben zu erfüllen haben. Bedenkt man, dass der Gesetzgeber zugleich bundesweit eine Vorgabe hinsichtlich der Finanzierung der Vertreter in den Verwaltungsräten normieren möchte (zu nicht mehr als 10 Prozent von Dritten finanziert, die Leistungen für die GKV oder die gesetzliche Pflegeversicherung erbringen), zeigt dies auf, dass auch bundesweite Vorgaben möglich sein sollten. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme ebenso darauf verwiesen, dass er hier bundesweite Vorgaben für sachgerecht hält. Die hier vorgesehene bundesweite Vorgabe zur Finanzierung sollte sich ebenso auf die benennenden Organisationen, wie auf die Vertreter beziehen. Wir schlagen vor, sich bei dieser Regelung auf bereits bestehende Offenlegungsvorgaben zu beziehen, wie sie beispielsweise vom Forum chronisch kranker und behinderter Menschen im Paritätischen Gesamtverband und durch die Mitglieder der BAG Selbsthilfe getroffen worden sind (siehe: www.bag-selbsthilfe.de/informationsportal-selbsthilfe-aktive/unabhaengigkeit-der-selbsthilfe/zuwendungen-von-wirtschaftsunternehmen-transparenzliste/). Auf diese Weise würden Vorgaben genutzt, auf die die Vielzahl der Patientenorganisationen bereits eingestellt ist. Hier gilt die Vorgabe, dass maximal 15% der Gesamteinnahmen von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft stammen dürfen.
Änderungsbedarf
§ 279 Abs. 5
(5) (…)
Die für die Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes legt die Einzelheiten für das Verfahren der Übermittlung und der Bearbeitung der Vorschläge nach Satz 1 fest. Sie bestimmt die Voraussetzungen der Anerkennung der Organisationen und Verbände nach Satz 2 Nummer 1 sowie der maßgeblichen Verbände der Pflegeberufe auf Landesebene, insbesondere die Erfordernisse an die fachlichen Qualifikationen, die Unabhängigkeit, die Organisationsform und die Offenlegung der Finanzierung. Als Vertreter nach Satz 1 Nummer 1 sind mindestens zwei Frauen und zwei Männer, als Vertreter nach Satz 1 Nummer 2 sind jeweils eine Frau und ein Mann zu benennen. Ist eine Satz 5 entsprechende Benennung nicht möglich, gelten nur so viele Personen des Geschlechts, das mehrheitlich vertreten ist, als benannt, dass dem Verhältnis nach Satz 5 entsprochen wird; die Anzahl der Vertreter nach Satz 1 Nummer 1 und 2 reduziert sich entsprechend. Die Vertreter nach Satz 1 und die Organisationen, durch die sie benannt werden, dürfen nicht zu mehr als 15 10 Prozent von Unternehmen der Gesundheitswirtschaft Dritten finanziert werden, die Leistungen für die gesetzliche Krankenversicherung oder für die Soziale Pflegeversicherung erbringen.
§§ 280, 281 Finanzierung, Haushalt und Aufsicht der Medizinischen Dienste und des MD Bund
Insbesondere der MD Bund wird im Unterschied zum MDS vom GKV-Spitzenverband organisatorisch unabhängig und auch in der Finanzierung vollständig aus dessen Strukturen herausgelöst. Das wird von den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt. Die Finanzierung erfolgt nun aus der Umlage der MDen. Der Haushaltsplan der einzelnen MDen sowie des MD Bund unterliegt der Kontrolle durch die jeweilige Aufsichtsbehörde, was diese Unabhängigkeit unterstreicht.
§ 283 Aufgaben des MD Bund
Der neuen Rolle der MDen entspricht, dass der MD Bund künftig anstelle des GKV-Spitzenverbands die Richtlinien über die Tätigkeit der Medizinischen Dienste erlässt. Von zentraler Bedeutung ist die Richtlinie über die systematische Qualitätssicherung der Tätigkeit des MD (Nummer 6), da diese für die Versicherten einen hohen Stellenwert hat. Positiv bewertet wird, dass der Kreis der jeweils Stellungnahme berechtigten Organisationen nach § 283 Absatz 2 Satz 2 so offen formuliert ist, dass die jeweils von einer Regelung betroffenen Körperschaften und Organisationen Anhörungsrechte erhalten. Es wird ausdrücklich begrüßt, dass der Kreis der Stellungnahme berechtigten Organisationen um die maßgeblichen Organisationen zur Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen erweitert wurde. Dies war eine Forderung der BAGFW.
Artikel 7: Änderungen des Elften Buches Sozialgesetzbuches
Soweit es sich um redaktionelle Änderungen in Folge der neuen Bezeichnung der Medizinischen Dienste bzw. um Folgeänderungen des Übergangs der bisherigen Aufgaben des GKV-Spitzenverbandes auf den MD Bund handelt, wird hier zu einzelnen Paragraphen nicht gesondert Stellung genommen.
§ 18 Absatz 3 Satz 11: Transparenz des Gutachtens
Die Sichtweise und Expertise der Betroffenenorganisationen sowie der Pflegeeinrichtungen auf die Transparenz der Darstellung und Verständlichkeit des Gutachtens ist nach Auffassung der BAGFW unverzichtbar. Ebenso sollte den Pflegeeinrichtungen, welche die Kunde/innen auf der Grundlage des Gutachtens bezüglich des Leistungsangebots beraten, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Daher sollte den maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen auf Bundesebene sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen bei den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 SGB XI Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.
Änderungsbedarf
(3) (…) Der Medizinischen Dienst Bund konkretisiert im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und unter Beteiligung der maßgeblichen Organisationen für die Wahrung der Interessen der Selbsthilfe, der pflegebedürftigen und behinderten Menschen sowie der pflegenden Angehörigen, sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die Anforderungen an eine transparente Darstellungsweise und verständliche Erläuterung des Gutachtens“..
§ 18 Absatz 5a Satz 4: Kriterien Module 7 und 8 der Begutachtungsrichtlinien
Nach dem Gesetzentwurf ist der Spitzenverband Bund der Pflegekassen im Unterschied zum Referentenentwurf bei der Konkretisierung der Kriterien in den Begutachtungs-Richtlinien zu den Beeinträchtigungen in Modul 7 und 8 (außerhäusliche Aktivitäten, Haushaltsführung) nicht mehr nur zu beteiligen, sondern sogar ins Benehmen zu setzen. Die Konkretisierung der Begutachtungs-Richtlinien stellt eine rein pflegefachliche Aufgabe dar, sodass die Beteiligung des Spitzenverbands Bund der Pflegekassen nicht angemessen ist.
Änderungsbedarf
Die Neuregelung ist zu streichen.
§ 18 Absatz 7 Satz 1
Die Klarstellung, dass Pflegefachkräfte und Ärzt/innen in Zusammenarbeit mit anderen geeigneten Fachkräften die Begutachtung durchführen können, ist sachgerecht und wird von den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt.
§ 114a Absatz 6: Bericht
Die Medizinischen Dienste sollen dem MD Bund künftig nicht nur im Abstand von drei, sondern von zwei Jahren über ihre Erfahrungen mit der Anwendung der Beratungs- und Prüfvorschriften, Ergebnisse der Qualitätsprüfungen und Erkenntnisse zur Entwicklung der Pflegequalität und Qualitätssicherung berichten. Seit 2007 werden alle Pflegeeinrichtungen jährlich geprüft und die Ergebnisse der Qualitätsprüfung nach § 115 Abs. 1a SGB XI sowie zu den künftig halbjährlich erhobenen Qualitätsindikatoren in der vollstationären Pflege im Internet veröffentlicht. Mit der Richtlinie nach § 53a Satz 1 Nr. 4 – alt bzw. § 53d Absatz 3 Nr. 4 neu zur Qualitätssicherung der Qualitätsprüfungen werden darüber hinaus jährlich Berichte der Medizinischen Dienste zur Umsetzung und zur Qualitätssicherung der Qualitätsprüfungen veröffentlicht. Mit den Veröffentlichungen nach § 115 Abs. 1a SGB XI sowie der Veröffentlichung der Berichte gemäß des Richtlinie zur Qualitätssicherung der Qualitätsprüfungen nach § 53a SGB XI alt bzw. § 53d neu liegen zu allen in § 114a Abs. 6 genannten Themen wesentlich aktuellere Veröffentlichungen vor, als dies ein alle zwei Jahre erscheinender Bericht leisten kann. Der Bericht nach § 114a Abs. 6 hat durch diese neuen Entwicklungen somit für die Zukunft seinen Nutzen verloren.
Änderungsbedarf
Der Absatz 6 in § 114a ist ersatzlos zu streichen.
§ 114a Absatz 7: Richtlinien über die Durchführung der Qualitätsprüfung
Nach § 114a Absatz 7 Satz 1 neu beschließen nun der Medizinische Dienst Bund im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen zur verfahrensrechtlichen Konkretisierung Richtlinien über die Durchführung der Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114 sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Bereich. Auch hier ist es unserer Ansicht nach zu kurz gegriffen, wenn es zu einem Rollentausch zwischen MD Bund und dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen kommt. Aus Sicht der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege gehört die Verabschiedung von Richtlinien über die Durchführung der Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114 in den Kompetenzbereich des Qualitätsausschusses Pflege und ist dort zu verankern. Sollte dieser Vorschlag im Gesetzgebungsprozess keine Berücksichtigung finden, ist der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, wie noch im Referentenentwurf vorgesehen, an den Richtlinien nur zu beteiligen, jedoch nicht ins Benehmen zu setzen. Des Weiteren weisen wir darauf hin, dass aus dem Gesetzentwurf nicht klar hervorgeht, ob der Prüfdienst des Verbands der privaten Krankenversicherung e.V. gleichfalls ins Benehmen zu setzen oder nur zu beteiligen ist.
Änderungsbedarf
(7) Der Medizinischer Dienst Bund Qualitätsausschuss Pflege beschließt im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. zur verfahrensrechtlichen Konkretisierung Richtlinien über die Durchführung der Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114 sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Bereich. In den Richtlinien sind die Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität nach § 113 zu berücksichtigen. Die Richtlinien für den stationären Bereich sind bis zum 31. Oktober 2017, die Richtlinien für den ambulanten Bereich bis zum 31. Oktober 2018 zu beschließen. Sie treten jeweils gleichzeitig mit der entsprechenden Qualitätsdarstellungsvereinbarung nach § 115 Absatz 1a in Kraft. Die maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen wirken nach Maßgabe von § 118 mit. Der Medizinische Dienst Bund hat die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene, den Verband der privaten Krankenversicherung e. V. sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene zu beteiligen. Ihnen ist unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Richtlinien sind in regelmäßigen Abständen an den medizinisch-pflegefachlichen Fortschritt anzupassen. Sie sind durch das Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu genehmigen. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben. Die Richtlinien über die Durchführung der Qualitätsprüfung sind für die Medizinischen Dienste und den Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. verbindlich.
Analog dazu ist § 53d Absatz 3 Ziffer 4 ersatzlos zu streichen.
§ 114c: Richtlinien zur Verlängerung des Prüfrhythmus
In § 114c Absatz 1 neu geht die Regelungskompetenz für die Richtlinien zur Verlängerung des Prüfrhythmus in vollstationären Einrichtungen bei guter Qualität vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen auf den MD Bund über. Die Berichtspflicht über die Erfahrungen der Pflegekassen mit der ersten Erhebung und Übermittlung von indikatorenbezogenen Daten zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen nach § 114b Absatz 1, den neuen Qualitätsprüfungen in der vollstationären Pflege einschließlich der Evaluation der in den Qualitätsdarstellungsvereinbarungen festgelegten Bewertungssystematik für die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen verbleiben dagegen beim Spitzenverband Bund der Pflegekassen. Wir halten beides nicht für sachgerecht. Diese Kompetenzen, insbesondere die zur Evaluation der in den Qualitätsdarstellungsvereinbarungen festgelegten Bewertungssystematik für die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen, gehören unserer Auffassung nach in den Aufgabenbereich des Qualitätsausschusses Pflege. Sollte dieser Vorschlag im Gesetzgebungsprozess keine Berücksichtigung finden, ist der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, wie noch im Referentenentwurf vorgesehen, an den Richtlinien nur zu beteiligen, jedoch nicht ins Benehmen zu setzen. Des Weiteren weisen wir darauf hin, dass aus dem Gesetzentwurf nicht klar hervorgeht, ob der Prüfdienst des Verbands der privaten Krankenversicherung e.V. gleichfalls ins Benehmen zu setzen oder nur zu beteiligen ist.
Analog dazu ist § 53d Absatz 3 Ziffer 5 ersatzlos zu streichen.
Änderungsbedarf
(1) Abweichend von § 114 Absatz 2 kann eine Prüfung in einer zugelassenen vollstationären Pflegeeinrichtung ab dem 1. Januar 2021 regelmäßig im Abstand von höchstens zwei Jahren stattfinden, wenn durch die jeweilige Einrichtung ein hohes Qualitätsniveau sichergestellt ist. Der Medizinische Dienst Bund Qualitätsausschuss Pflege legt im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und des Prüfdienstes des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. bis zum 30. September 2019 in Richtlinien Kriterien zur Feststellung eines hohen Qualitätsniveaus sowie Kriterien für die Veranlassung unangemeldeter Prüfungen nach § 114a Absatz 1 Satz 3 fest. Bei der Erstellung der Richtlinien sind die Empfehlungen heranzuziehen, die in dem Abschlussbericht des wissenschaftlichen Verfahrens zur Entwicklung der Instrumente und Verfahren für Qualitätsprüfungen nach den §§ 114 bis 114b und die Qualitätsdarstellung nach § 115 Absatz 1a in der stationären Pflege „Darstellung der Konzeption für das neue Prüfverfahren und die Qualitätsdarstellung“ in der vom Qualitätsausschuss Pflege am 17. September 2018 abgenommenen Fassung zum indikatorengestützten Verfahren dargelegt wurden. Die Feststellung, ob ein hohes Qualitätsniveau durch eine Einrichtung sichergestellt ist, soll von den Landesverbänden der Pflegekassen auf der Grundlage der durch die Datenauswertungsstelle nach § 113 Absatz 1b Satz 3 übermittelten Daten und der Ergebnisse der nach § 114 durchgeführten Qualitätsprüfungen erfolgen. Die auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen wirken nach Maßgabe von § 118 an der Erstellung und Änderung der Richtlinien mit. Der Medizinische Dienst Bund hat die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene, den Verband der privaten Krankenversicherung e. V., die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene zu beteiligen. Ihnen ist unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Kriterien nach Satz 2 sind auf der Basis der empirischen Erkenntnisse der Datenauswertungsstelle nach § 113 Absatz 1b zur Messung und Bewertung der Qualität der Pflege in den Einrichtungen sowie des allgemein anerkannten Standes der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse regelmäßig, erstmals nach zwei Jahren, zu überprüfen.
(…)
(3) Der Qualitätsausschuss Pflege Spitzenverband Bund der Pflegekassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit zum 30. September 2020, zum 31. März 2021 und danach jährlich über die Erfahrungen der Pflegekassen mit
1. der Erhebung und Übermittlung von indikatorenbezogenen Daten zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen nach § 114b Absatz 1 und
2. Qualitätsprüfungen, die ab dem 1. November 2019 nach § 114 in vollstationären Pflegeeinrichtungen durchgeführt werden.
Für die Berichterstattung zum 31. März 2021 beauftragt der Qualitätsausschuss Pflege Spitzenverband Bund der Pflegekassen eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung oder einen unabhängigen Sachverständigen mit der Evaluation der in den Qualitätsdarstellungsvereinbarungen festgelegten Bewertungssystematik für die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen.
C. Änderungsanträge
Änderungsantrag 4: Förderung der Weiterbildung von Kinder- und Jugendärzten (§ 75a Absatz 9 SGB V)
Nach Angaben des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (bvkj) werden in den nächsten 5 Jahren 25 Prozent der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland in den Ruhestand gehen. Schon jetzt besteht in vielen Regionen eine spürbare Unterversorgung mit Kinderärzten, sowohl im ländlichen, aber auch im städtischen Bereich. Auch im klinischen Bereich kommt es zur Unterversorgung, die eine wesentliche Ursache in der unzureichenden Finanzierung hat, welche zur Schließung von Kinderkliniken und Kinderstationen führt. Aus Sicht der Freien Wohlfahrtspflege besteht im Bereich der Pädiatrie somit dringender Handlungsbedarf. Der Änderungsantrag sieht nun vor, dass künftig mindestens 250 der insgesamt 2000 Weiterbildungsstellen für die Kinder- und Jugendärzte vorzusehen sind. Nach dem Evaluationsbericht über die Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGBV aus dem Jahr 2016 wurden bereits 216 Kinder- und Jugendärzte gefördert und gegenwärtig etwas mehr als 250. Da weiterhin ein akuter Mangel besteht, ist die im Änderungsantrag genannte Zahl von 250 Weiterbildungsstellen noch nicht ausreichend; sie sollte auf 400 Stellen, wie sie die Bedarfsplanung für die Kinder- und Jugendärzte vorsieht, erhöht werden.
Änderungsantrag 12: Vereinfachung Kassenwechsel (§§ 175, 304 SGB V)
Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege begrüßen die Erleichterungen, die im Änderungsantrag für den Fall des Kassenwechsels für die Versicherten vorgesehen sind. Die Änderungen setzen auch die aktuelle Rechtsprechung um. Bisher müssen wechselwillige Mitglieder ihrer bisherigen Krankenkasse kündigen, einen Aufnahmeantrag bei der neuen Krankenkasse stellen, die schriftliche Kündigungsbestätigung ihrer alten Krankenkasse abwarten und diese an die neue Kasse übersenden. Bis die Kündigungsbestätigung vorliegt, ist der Kassenwechsel schwebend unwirksam, was für die Versicherten in Einzelfällen durchaus problematisch sein konnte. Die vorgesehenen Änderungen werden daher aus Versichertensicht als positiv bewertet.
Änderungsantrag 18: Erhöhung der Mitgliederzahl des Beirates beim Sozialmedizinischen -dienst der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 283a Absatz 2 SGB V)
Wir begrüßen die Erweiterung des Beirats von sechs auf neun Verbände der maßgeblichen Organisationen für die Vertretung der Rechte von pflegebedürftigen Menschen und Patientinnen und Patienten nachdrücklich, weil dadurch das gesamte Spektrum der Interessen im Beirat weiterhin abgebildet wird.
D. Ergänzender Änderungsbedarf
Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen vereinfachen
Bei Anzeichen eines möglichen Rehabilitationsbedarfs sollten in Zukunft auch Pflegefachkräfte, therapeutische Fachberufe und klinisch arbeitende Sozialarbeiter mit Einverständnis der betroffenen Person einen Rehabilitationsbedarf ermitteln können und die Ergebnisse dem Rehabilitationsträger mitteilen. Dies gilt als Antragstellung. Der Reha-Träger kann den Bedarf weiterermitteln und entscheidet über den Antrag.
Berlin, 08.10.2019
Bundesarbeitsgemeinschaft
der Freien Wohlfahrtspflege e. V.
Dr. Gerhard Timm
Geschäftsführer
Kontakt:
Dr. Elisabeth Fix (elisabeth.fix(at)caritas.de);
Erika Stempfle (erika.stempfle(at)diakonie.de);
Verena Holtz (gesundheit(at)paritaet.org)