Stellungnahme der BAGFW zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Pflegende Angehörige unterstützen – Nicht nur in der Corona-Krise“ (Drs. 19/18957)

Die BAGFW unterstützt Zielsetzung und Anliegen des Antrags der GRÜNEN, pfle-gende Angehörige nicht nur während der Corona-Krise, sondern nachhaltig besser zu unterstützen, denn pflegende Angehörige sind nach wie vor der größte Pflege-dienst der Nation.

Die BAGFW unterstützt Zielsetzung und Anliegen des Antrags der GRÜNEN, pflegende Angehörige nicht nur während der Corona-Krise, sondern nachhaltig besser zu unterstützen, denn pflegende Angehörige sind nach wie vor der größte Pflegedienst der Nation. Nach wie vor tragen vor allem Frauen die Verantwortung für die Pflege und reduzieren dazu ihre Erwerbstätigkeit. Vergleichbar hohe Belastungen tragen Menschen, die Angehörige mit einer Beeinträchtigung zuhause betreuen. Es ist sehr zu begrüßen, dass der Antrag der GRÜNEN auch die Lebenssituation dieser Gruppe gezielt in den Blick nimmt.

 

Die BAGFW nimmt wie folgt zu den Maßnahmen Stellung:

 

Ad 1. Verbesserung des Infektionsschutzes

 

Die Ausstattung pflegender Angehöriger mit entsprechendem Schutzmaterial wie geeigneten Masken, Schutzkleidung, Schutzmaterial und Desinfektionsmitteln war vor allem zu Beginn der Pandemie ein großes Problem, da auf dem Markt nicht genügend Material zur Verfügung stand. Geblieben ist auch in den Sommermonaten die Problematik, dass das Preisniveau der Pflegehilfsmittel höher ist als vor der Pandemie. Die BAGFW setzt sich daher dafür ein, die Regelung des § 4 Covid-19 Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung, wonach Versicherte monatlich 60 statt 40 Euro für Pflegehilfsmittel erhalten, über den 30. September hinaus um ein halbes Jahr zu verlängern und insoweit von der Verordnungsermächtigung des § 152 SGB XI Gebrauch zu machen.

 

Für die Testungen bedarf es dringend einer gezielten nationalen Teststrategie. Besonders in den Fokus zu nehmen sind Kontaktpersonen von Risikogruppen, zu welchen insbesondere ältere und pflegebedürftige Menschen sowie Menschen mit Behinderung zählen. Die BAGFW weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Gesundheitsämter Testungen in Pflegeeinrichtungen nach wie vor in unzureichendem Maße anordnen, wobei das Anordnungsgeschehen von Kreis zu Kreis sehr unterschiedlich ist. Es ist nicht hinzunehmen, dass pflegebedürftige Menschen, ihre Angehörigen oder Einrichtungen auf Testkosten im Umfang von 150 Euro pro Test sitzen bleiben.

 

Zudem weisen wir darauf hin, dass Testungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe in keiner Weise in den Vergütungen als Mehraufwendungen geltend gemacht werden können. Menschen mit Behinderungen sind jedoch eine ebenso vulnerable Risikogruppe wie pflegebedürftige Menschen, daher ist hier eine verbindliche gesetzliche Grundlage für die Berücksichtigungsfähigkeit dieser Mehraufwendungen zu schaffen. (s. auch Kommentierung zu Ziffer 11).

 

Ad 2. und 13. Unterstützung der Kommunen zum Aufbau einer Notfall-Hotline und eines Digitalregisters für Notbetreuungsstrukturen/ Beteiligungsprozess zur Schaffung quartiersnaher Unterstützungsangebote

 

Die BAGFW unterstützt den Ansatz der GRÜNEN, digitale Plattformen zu schaffen, über welche Informationen zu Notbetreuungsangeboten zur Verfügung gestellt werden können. Generell setzt sich die BAGFW für den Auf- und Ausbau von digitalen Informationsportalen zu verfügbaren Pflegeangeboten ein. Da die Pflegeangebote überwiegend von freigemeinnützigen und privaten Anbietern getragen werden, müssen diese allerdings zwingend in den Aufbau solcher Strukturen eingebunden werden. In ihrem Antrag zu Ziffer 13 fordern die GRÜNEN auch zu Recht die Beteiligung der Wohlfahrtsverbände sowie des ÖGD an einem Diskurs zur Schaffung quartiersnaher Angebote für Menschen mit Unterstützungsbedarfen, um in besonders herausfordernden Gesundheitslagen Teilhabe, Betreuung und Pflege sicherzustellen.

 

Ad 3. Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige nach § 56 IfSG

 

Gegenwärtig steigen die Infektionszahlen wieder an. Die Pflegeeinrichtungen sind jedoch anders als im März 2020 durch das Vorhandensein von Schutzausrüstung besser auf diese Situation vorbereitet. Sollten Tagespflegeeinrichtungen, die insbesondere erwerbstätige pflegende Angehörige entlasten, behördlicherseits jedoch pandemiebedingt wieder geschlossen werden, sollte die Schließung dieser Einrichtungen jedoch auch bei den Entschädigungsansprüchen auf Lohnersatzleistung von § 56 Absatz 1a i.V. mit Absatz 2 umfasst werden. Der GRÜNEN-Antrag, der erst jetzt zur Anhörung kommt, datiert schon von Anfang Mai und die Regierungsfraktionen haben bereits den Vorstoß der GRÜNEN, die Begrenzung der Lohnersatzleistung auf 6 Wochen auf 10 Wochen bzw. im Falle der Betreuung von Kindern auf 20 Wochen zu verlängern, aufgenommen.

 

Ad 4. Pflegeunterstützungsgeld auf 20 Tage verlängern

 

Auch dieser Vorstoß der GRÜNEN, das Pflegeunterstützungsgeld von 10 auf pandemiebedingt 20 Tage zu verlängern, ist bereits Gesetzeslage geworden. Die BAGFW-Verbände begrüßen, dass der Gesetzgeber im RefE des GPVG die Nichtanrechenbarkeit der zusätzlichen 10 Tage auf die regulären 10 Tage normieren will.

Ad 5 und 6. Weiterentwicklung des Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetzes

Die BAGFW setzt sich wie die GRÜNEN schon seit langem für eine Aufhebung des Nebeneinanders von Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz ein. Dieser Schritt ist noch in dieser Legislaturperiode in Angriff zu nehmen. Solange die Gesetze nebeneinander existieren, sind sie zumindest zu harmonisieren. So ist es nicht hinnehmbar, dass ein Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit erst für MitarbeiterIinnen in Betrieben ab 25 Beschäftigten gilt, der Anspruch auf Pflegezeit jedoch in Betrieben ab 15 Beschäftigten. Zudem sollte die Regelung des § 16 Absatz 4 bis 6 FamilienPZG sowie des § 9 Absätze 5 bis 7 PflegeZG, die eine Flexibilisierung der Kombination von Pflegezeit und Familienpflegezeit vorsieht, ohne dass die beiden Freistellungen unmittelbar aneinander anschließen müssen, zumindest pandemiebedingt verlängert und pandemieunabhängig entfristet werden. Auch Menschen im PG 1 und ihre Angehörigen sollten einen Anspruch auf Pflegezeit und Familienpflegezeit erhalten. Zudem sollte die Sterbekarenzzeit von 3 Monaten nicht auf die max. 24monatige Inanspruchsmöglichkeit angerechnet werden.

 

Die Verbände der BAGFW unterstützen die Forderung der GRÜNEN nach Einführung einer Lohnersatzleistung in Höhe des Elterngelds und finanziert aus Steuermitteln, wie sie derzeit vom Unabhängigen Beirat zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, in dem auch die BAGFW vertreten ist, vorgeschlagen wurde. Anspruchsberechtigt nach einem solchen Modell wären dann automatisch nicht nur unselbständig Erwerbstätige, sondern, wie von den GRÜNEN vorgeschlagen, auch Selbständige. Des Weiteren wird nachdrücklich unterstützt, dass nicht nur Verwandte, sondern alle Zugehörigen, die pflegebedürftige Menschen unterstützen, wie Freund/innen oder Nachbar/innen, diese Leistung in Anspruch nehmen können sollten. Ebenso sollten sich zwei Personen die Pflegezeit untereinander aufteilen können, wie von den GRÜNEN gefordert.

 

Ad 7. Rechtsanspruch auf Homeoffice und mobiles Arbeiten für pflegende Angehörige

Gerade in den Zeiten der Pandemie ist es wichtig, Arbeitnehmer/innen eine Flexibilisierung ihrer Arbeitszeiten zu erleichtern, um somit die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf besser zu ermöglichen. Arbeitgeber sollten freiwillig alle tariflichen Möglichkeiten dazu prüfen.

 

Ad 8. Pflegehillfsmittelpauschale pandemiebedingt verdoppeln

s. Kommentierung zu Punkt 1.

 

Ad 9. und 10. Flexibilisierung von Verhinderungs- und Kurzzeitpflege sowie Entlastungsbetrag

 

Die BAGFW setzt sich seit Jahren dafür ein, Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zusammen mit dem Entlastungsbetrag nach § 45b zu einem Entlastungsbudget zusammenzufassen, das dann ganz flexibel und passgenau auf die individuelle Bedarfslage im Kalenderjahr eingesetzt werden kann. Sollte sich der Gesetzgeber nicht für dieses Modell entscheiden, ist zumindest die volle Flexibilität für die Inanspruchnahme von Verhinderungs- und Kurzzeitpflege für die Dauer von bis zu acht Wochen zu gewährleisten, wie es der Vorschlag der GRÜNEN vorsieht. Die BAGFW setzt sich für eine Verlängerung der flexiblen Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 150 Absatz 5b SGB XI ein. Gerade in der Pandemie ist es wichtig, den Entlastungsbetrag nicht nur für professionelle Unterstützung oder ehrenamtliche Unterstützungsangebote einsetzen zu können, sondern unbürokratisch auch für die Inanspruchnahme von Zugehörigen oder Nachbarn. Aus Sicht der BAGFW sollte diese Möglichkeit auch nach der Pandemie fortbestehen.

 

Ad 11. Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung

Die Verbände der BAGFW begrüßen nachdrücklich, dass die GRÜNEN mit dem vorliegenden Antrag nicht nur die pflegebedürftigen Menschen i.S. des SGB XI in den Blick nehmen, sondern ausdrücklich auch die Situation von Menschen mit Beeinträchtigungen, die Eingliederungshilfe beziehen. Der Forderung zu Ziffer 3 nach Lohnfortzahlung bei fehlenden Betreuungsmöglichkeiten von Kindern mit Behinderung wurde durch die zwischenzeitliche Gesetzeslage bereits Rechnung getragen.

Bezüglich der Inanspruchnahme von Schutzmaterial und Testungen verweisen wir auf unsere Kommentierung zu Ziffer 1.

 

Ad 12. Leistungen der Haushaltshilfe/Familienpflege von § 150 SGB XI umfassen

 

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege haben sich von Anfang an besonders dafür eingesetzt, dass auch die Mindereinnahmen und Mehraufwendungen der Leistungserbringer von Haushaltshilfe und Familienpflege nach § 132 unter den Schutzschirm des § 150 SGB XI fallen. Gerade die Familienpflegedienste haben zu Beginn der Pandemie dafür Sorge getragen, dass Menschen in sehr prekären Gesundheits- und Lebenssituationen mit Haushaltshilfe und Familienpflege versorgt werden konnten.