Die GRÜNEN weisen in ihrem Antrag auf den Pflegekräftemangel in der Bundesrepublik und die entsprechende Arbeitsverdichtung in der Pflege hin. Sie fordern die zeitnahe Einführung verbindlicher Personalbemessungsinstrumente in der Alten- und Krankenpflege. Insgesamt fordern sie eine Neuausrichtung der Pflege- und Gesundheitsberufe mit dem Ziel einer Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegekräften auf Augenhöhe. Sie setzen sich für eine Anerkennung der Tarifbindung auch im Bereich der häuslichen Krankenpflege im SGB V ein. Kern einer Reform der Pflegeausbildung soll nach Vorstellung der GRÜNEN eine integrativ-gestufte Pflegeausbildung sein. Als Sofortmaßnahme fordern sie die bundesweite Kostenfreiheit der Pflegeausbildung, die Einführung einer Ausbildungsumlage und eine dauerhafte Lösung für die Umschulungen zur Altenpflegekraft.
Bewertung
Im Einzelnen bewertet die BAGFW die Positionen und Forderungen der GRÜNEN wie folgt:
Ad.1. Bundesweit verbindliche Personalbemessungsregelungen für den Krankenhausbereich und die ambulante und stationäre Pflege
Aufgrund der demographischen Entwicklung steigt die Anzahl pflegebedürftiger und multimorbider hochaltriger Menschen an. Sowohl der Bedarf an Grundpflege als auch an medizinischer Behandlungspflege hat sich in den letzten Jahren erhöht. Sterbende Menschen zuhause, in den stationären Pflegeeinrichtungen und im Krankenhaus brauchen eine gute palliative Versorgung, Betreuung und Begleitung, die zeit- und personalintensiv ist und Tag und Nacht zur Verfügung stehen muss. Trotz dieser gestiegenen quantitativen und qualitativen Anforderungen sind die Personalschlüssel in der Altenpflege seit den 1990er Jahren nahezu unverändert geblieben. Sie schwanken zwischen den einzelnen Bundesländern stark und diese historisch gewachsenen Bandbreiten der Personalrichtwerte haben sich in den letzten 20 Jahren fortgeschrieben, was zu deutlichen regionalen Unterschieden in den Personalschlüsseln führt. Zwar ist durch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der seit dem 1.1.2017 gilt, erstmals seit vielen Jahren Bewegung in die Personalausstattung gekommen. Die im Zuge der Überleitung von Pflegestufen in Pflegegrade erfolgte Anpassung der Personalschlüssel durch Mehrpersonalisierung ist jedoch nur ein Schritt in die richtige Richtung. Aus Sicht der BAGFW sind mindestens 30.000 zusätzliche Pflegekräfte erforderlich, damit allein der Mehrbedarf, der durch die Überleitung der Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (PEA) in das neue System entsteht, gedeckt werden kann. Durch die Umstellung auf Pflegegrade fällt in den vollstationären Einrichtungen ein durchschnittlicher Mehrbedarf von ca. 2,7 Vollzeitkräften auf 100 Bewohner/innen an. In diesen Mehrbedarf, der allein aufgrund der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs entsteht, sind jedoch die oben genannten Faktoren eines Mehrbedarfs an Personal aufgrund der gestiegenen Anforderungen z.B. der Behandlungspflege und palliativen Pflege noch nicht eingerechnet. Die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und der damit verbundenen neuen Leistungsinhalte sowie die Elemente der Anleitung, Motivation, Aktivierung und Edukation sowie der mit dem Paradigmenwechsel einhergehende und stärker als bisher herausgearbeitete partizipative Ansatz des individuellen Aushandelns des Pflegeprozesses erfordern künftig ebenfalls deutlich mehr Zeit- und Personalressourcen.
Dringend erforderlich ist somit die Einführung eines Personalbemessungssystems. Der Gesetzgeber hat die Entwicklung und Erprobung eines solchen Personalbemessungssystems mit der Einführung des § 113c im Rahmen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes vorgesehen. Diesen Schritt hat die BAGFW ausdrücklich begrüßt. Die Erprobung soll bis zum 30. Juni 2020 abgeschlossen sein. Das Verfahren läuft und die Zuschlagserteilung ist im März 2017 erfolgt, sodass der Zeitplan eingehalten werden kann. Zu kritisieren ist, dass der Gesetzgeber bisher keine Vorstellung entwickelt hat, welche Schritte nach der Erprobung der Instrumente erfolgen.
Von zentraler Bedeutung für die BAGFW ist, dass ein in der Erprobung bewährtes Personalbemessungssystem verbindlich umgesetzt und auf der Grundlage gesetzlicher Maßgaben bundesweit verbindlich eingeführt wird. Dabei können länderspezifische Besonderheiten durchaus Berücksichtigung finden. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Verpflichtung der Anerkennung des Bedarfs bei den Verhandlungen auf Landesebene. Das Personalbemessungssystem muss insgesamt Grundlage einer Finanzierung der Pflegevergütungen sein. Die BAGFW spricht sich dafür aus, die Fragen der Finanzierung mit der Konstituierung eines Beirats unter Moderation der federführenden Ministerien des BMG und BMFSFJ zu verknüpfen. Der Beirat soll auf der Grundlage der wissenschaftlichen Ergebnisse des § 113c-Projektes Empfehlungen zur Umsetzung und Finanzierung erarbeiten, die dann durch den Gesetzgeber im SGB XI zu verankern sind.
Die Entwicklung eines Personalbemessungssystems erfordert sicherlich den vorgesehenen Zeitraum bis 2020. Bis dahin muss aus Sicht der BAGFW jedoch zwingend jede Möglichkeit genutzt werden, um Personal in den Pflegeeinrichtungen aufzustocken. Bis neue Personalschlüssel ab 2020 in die Umsetzung gelangen, sind weitere Zwischenschritte zur Verbesserung der Personalsituation in der Altenpflege notwendig. Als Maßstab sollten hier die bundesweit höchsten Personalschlüssel als genereller Mindestmaßstab gelten.
Die GRÜNEN fordern in ihrem Antrag, dass Auszubildende künftig nicht mehr auf den Stellenschlüssel angerechnet werden sollen. Die Verbände der BAGFW setzen sich perspektivisch für eine Absenkung der Anrechnung von Auszubildenden auf den Stellenschlüssel ein. Die dadurch zusätzlich entstehenden Mehrkosten dürfen jedoch nicht zu Lasten der pflegebedürftigen Menschen in den Einrichtungen und Diensten gehen, sondern müssen aus dem Ausbildungsfonds refinanziert werden.
Zu den Entwicklungen der Personalbemessung im Krankenhausbereich nimmt die BAGFW nicht Stellung, da sie für diesen Bereich kein Mandat hat.
Ad 2. Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege
Die BAGFW teilt die Analyse der GRÜNEN, dass der Pflegeberuf im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen bei der Bewertung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsqualität vergleichsweise schlecht abschneidet. Angesichts des Wettbewerbs mit anderen Ausbildungsberufen und des bereits eingetretenen und sich in der Zukunft dramatisch verschlechternden Fachkräftemangels ist es dringend erforderlich, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und damit die Attraktivität des Arbeitsfelds zu erhöhen. So ist eine angemessene, tarifliche Bezahlung aller Beschäftigten in der Pflege sicherzustellen bzw. anzustreben und die
Gehälter in der Langzeitpflege sind an die Gehälter der Pflegekräfte im Krankenhaus anzugleichen. Wesentlich sind auch Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie z.B. bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten, aber auch arbeitsplatzinterne Maßnahmen wie z.B. die Verbesserung der Dienst- und Schichtpläne. Nach Angaben der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrts-pflege (BGW) besteht für die Beschäftigten in der Pflege ein erhöhtes Risiko physischer und psychischer Beeinträchtigungen. Muskel- und Skeletterkrankungen sowie psychische Belastungen wie Schlafstörungen, Depression bis hin zu Burn-out-Syndromen sind dabei die am häufigsten auftretenden Gesundheitsrisiken. Verbesserungen sind somit auch im Bereich der betrieblichen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention erforderlich, wie z.B. der Einsatz und die Akzeptanz von Hilfsmitteln zur körperlichen Entlastung, die Einhaltung von Ruhepausen oder Coachings zur Konfliktlösung.
Ein wesentlicher Faktor für die Arbeitszufriedenheit ist Anerkennung. Insbesondere den Mitarbeiter/innen in den Einrichtungen und Diensten der Altenpflege kommt nicht die gesellschaftliche Wertschätzung zu, die ihrem hohen Beitrag und ihrer Leistung für die Gesellschaft entspricht. Das Image dieses Tätigkeitsfelds zu steigern ist eine gesamtgesellschaftliche, nicht zuletzt auch kommunikative Aufgabe.
Von hoher Bedeutung ist die Reduzierung unnötiger Bürokratielasten. Hier hat das EinSTEP-Projekt zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation durch das „Strukturmodell“, das die Freie Wohlfahrtspflege stark unterstützt hat, gezeigt, wie durch ein effizientes Verfahren der datensparsamen Dokumentation, das zugleich den individuellen Pflegeplanungsprozess und den Aushandlungsprozess zwischen Pflegekraft und dem pflegebedürftigen Menschen über die zu erbringenden Leistungen stärkt, Bürokratieaufwand wirksam gesenkt werden kann. Diese Senkung des Aufwands darf jedoch von den Kostenträgern nicht zu Forderungen nach Personalabbau in Vergütungsverhandlungen genutzt werden, sondern muss gezielt zur Reduzierung von Arbeitsverdichtung eingesetzt werden. Die BAGFW hat daher eine entsprechende gesetzliche Klarstellung in § 113 Absatz 1 Satz 6 SGB XI nachdrücklich begrüßt.
Ad 3. Anerkennung der Tarifbindung für die häusliche Krankenpflege im SGB V
Die BAGFW setzt sich seit vielen Jahren für die Anerkennung der Tarifbindung im SGB XI und SGB V ein. Im SGB XI wurde dieses Ziel durch Einführung entsprechender Regelungen in § 84 und § 89 SGB XI bereits erreicht, indem die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden darf. Die BAGFW fordert seit langem eine vergleichbare Regelung für die häusliche Krankenpflege in § 132a SGB V. Auch sie unterstützt, wie die GRÜNEN, die Petition 55560 „Gesundheitsfachberufe – Angemessene Vergütung für Pflegekräfte vom 27.10.2014“.
Seit Jahren klafft eine erhebliche Differenz zwischen den von den Krankenkassen angebotenen Vergütungen und den Personalkosten, die die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege und andere Leistungserbringer der Häuslichen Krankenpflege aufgrund der tatsächlichen tariflichen Steigerungen refinanzieren müssen. Die Krankenkassen verweisen dabei immer wieder auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die Notwendigkeit der Anbindung der Vergütungsentwicklung an die Grundlohnsumme. So wurde beispielsweise die Orientierung an der Grundlohnsumme für den Bereich der Heilmittel im Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz jüngst ausgesetzt. Die Leistungsvergütung muss grundsätzlich angemessen sein. Das mit dem Grundsatz der Beitragsstabilität (§ 71 Absatz 1 SGB V) verbundene Ziel, Beitragssatzerhöhungen möglichst zu vermeiden, trägt die BAGFW grundsätzlich mit.
Wenn tarifliche Vergütungen in einem Sozialversicherungssystem anerkannt werden sollen, müssen sie auch nachgewiesen werden. Vor diesem Hintergrund haben die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege die mit dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen verbundene Neuregelung begrüßt, dass Tariflöhne oder entsprechende Arbeitsvergütungen nicht tarifgebundener Leistungserbringer nachzuweisen sind. Die Nachweispflicht stellt jedoch keinen Selbstzweck dar, sondern macht nur Sinn, wenn gleichzeitig bei Vergütungsverhandlungen anerkannt ist, dass die Zahlung von Tariflöhnen und Arbeitsentgelten stets als Kriterium wirtschaftlichen Handelns gilt. Dies ist im Gesetzestext expressis verbis zu verankern und § 132a Absatz 4 neu ist entsprechend zu ergänzen.
In § 132a Absatz 2 alt bzw. Absatz 4 SGB V neu ist unseres Erachtens des Weiteren dringend zu streichen, dass die Leistungen „preisgünstig“ zu erbringen sind. Die Formulierung „preisgünstig“ findet sich im SGB V nur in Bezug auf die Bereiche der Haushaltshilfe nach § 132 und in Bezug auf die Häusliche Krankenpflege nach § 132a. Die pflegerische Tätigkeit setzt ebenso wie die ärztliche Tätigkeit hohe Qualitätsstandards voraus, an welche die Berufsausübung gebunden ist. Das Wort „preisgünstig“ ist daher ersatzlos aus § 132a Absatz 4 Satz 5 zu streichen.
Lösungsvorschlag
Absatz 4 neu wird wie folgt gefasst:
„(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich <s>und preisgünstig</s> erbracht werden. Verträge dürfen nur mit Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Vergütung muss dem Leistungserbringer bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren. Die Bezahlung tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. Der Grundsatz der Beitragsstabilität ist zu beachten.…….“
Ad 4. Vertretung professionell Pflegender in gesetzlichen Gremien stärken
Die GRÜNEN monieren zu Recht, dass die Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht vertreten ist, obwohl sie von zentralen rechtlichen Vorschriften wie z.B. die häusliche Krankenpflege nach § 92 SGB V oder die Richtlinien zu den Modellvorhaben zur selbständigen Ausübung von Heilkunde in § 63 SGB V unmittelbar betroffen ist. Die Legitimation und Struktur des Gemeinsamen Bundesausschusses ist derzeit Gegenstand eines Gutachtens. Die Verbände der BAGFW fordern, dass die Pflege bei einer Strukturreform des G-BA künftig einen ihren Aufgaben und ihrer wichtigen Rolle im Gesundheitswesen entsprechenden Platz im strukturellen Gefüge und Entscheidungsprozedere des G-BA erhält.
Es ist aus Sicht der BAGFW nicht nötig, gesetzliche Änderungen an § 8a SGB XI, betreffend die Zusammensetzung der Landespflegeausschüsse herbeizuführen, denn nach § 8a Absatz 1 Satz 3 können die Länder schon heute bestimmen, welche Organisationen unter Berücksichtigung der Interessen aller an der Pflege im Land Beteiligten Mitglied der Landespflegeausschüsse sein können. Wir wiederholen an dieser Stelle unsere Position aus dem PSG III, dass der sektorenübergreifende Landespflegeausschuss nach § 8a Absatz 2 als Unterausschuss des Landespflegeausschusses auszugestalten ist. Aus Sicht der BAGFW müssen die Wohlfahrtsverbände als sozialräumliche Akteure sowohl in den sektorenübergreifenden Landespflegeausschuss nach § 8a Absatz 3 als auch in die regionalen Pflegeausschüsse nach § 8a Absatz 3 eingebunden werden, denn in diesen Gremien geht es um die sozialräumliche Koordinierung, Abstimmung und Weiterentwicklung der örtlichen pflegerischen Infrastruktur. Insgesamt unterstützt die BAGFW die Forderung der GRÜNEN, dass in allen Gremien, die sich auf Landesebene mit Gesundheitsfragen beschäftigen, wie z.B. die Landesgesundheitskonferenzen, Vertreter/innen der Pflege eingebunden sein müssen. Dies ist jedoch auf der Landesebene zu regeln.
Der Antrag der GRÜNEN führt in seinem begründenden Teil auch zur Rolle des Qualitätsausschusses aus, dass in der sozialen Pflegeversicherung im Unterschied zum SGB V die gemeinsame Selbstverwaltung nicht systematisch angelegt sei, sondern sich allenfalls gestückelt und von Fall zu Fall divers geregelt. Diese Kritik teilt die BAGFW. Sie hatte sich im Rahmen ihrer Stellungnahme zum PSG II für die Entwicklung neuer Strukturen der Selbstverwaltung analog zum Modell des im SGB V bestehenden G-BA, wenngleich auch in deutlich schlankerer Form, ausgesprochen und dazu auch einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet. So hat die BAGFW gefordert, Kriterien zu benennen, aus denen sich klar ableiten lässt, wer zu einer Vereinigung der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene berechtigt ist. Aus unserer Sicht gehören die Vertreter der Pflegeberufe nicht zu diesem Kreis, denn als Berufsverbände sind sie keine Vertreter/innen der Leistungserbringer. Aus Sicht der BAGFW soll der Qualitätsausschuss zudem permanent und nicht nur zum Zwecke der Konfliktlösung um eine Bank der unparteiischen Vertreter/innen ergänzt werden. Auf diese Weise könnten Patt-Situationen grundsätzlich vermieden werden, indem immer eine Mehrheitsentscheidung herbeigeführt werden kann. Der Vorsitzende des Gremiums soll, wie im G-BA des SGB V, gemeinsam durch die Bänke des G-BA bestimmt und nicht durch das BMG berufen werden. Wie im G-BA des SGB V sieht der Vorschlag der BAGFW eine dritte Bank vor, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger Menschen und von Menschen mit Behinderung, die ein Mitberatungs- und Antragsrecht erhalten sollen. Schließlich sollten die Beschlüsse und Entscheidungen des Qualitätsausschusses aus Sicht der BAGFW Richtlinien-Charakter erhalten, um die Rechtsverbindlichkeit der Entscheidungen auch für die Einrichtungen und Dienste der Pflegevereinigungen, die nicht Mitglied im Qualitätsausschuss sind, durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung eindeutig zu regeln. Ein solcher Ausschuss würde demnach Richtlinien zu den Maßstäben und Grundsätzen (MuG) zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität sowie zu den Ergebnissen von Qualitätsprüfungen einschließlich der Qualitätsberichterstattung erlassen. Auch die Expertenstandards wären Gegenstand seiner Richtlinienkompetenz.
Der Antrag der GRÜNEN greift auch das Thema Pflegekammern auf. Da die BAGFW kein berufsständischer Verband ist, äußert sie sich an dieser Stelle nicht dezidiert zu diesem Themenkomplex, zumal die Pflegekammern ohnedies in Länderkompetenz geregelt sind.
Ad 5. und 6. Pflegeausbildung
Die Verbände der BAGFW unterstützen das Gesetzesvorhaben zur Reform der Pflegeberufe. Aus Sicht der BAGFW ist eine Differenzierung der Ausbildung nach Versorgungsbereichen nicht mehr zeitgemäß, denn in den Krankenhäusern werden immer mehr pflegebedürftige und demenzkranke Menschen medizinisch versorgt und gepflegt, aber das medizinische und pflegerische Personal ist zu wenig auf die Anforderungen dieser spezifischen Personengruppe geschult. In der Altenpflege nimmt der Bedarf an medizinisch-pflegerischer Versorgung aufgrund der eingangs geschilderten Zunahme der Morbiditäten hochbetagter pflegebedürftiger Menschen immer mehr zu. Statt einer an Altersstufen und Tätigkeitsfeldern orientierter Ausbildung benötigen wir eine an Kompetenzen und Lebenssituationen ausgerichtete, modular aufgebaute Pflegeausbildung, die auch die hochschulische Ausbildung mit umfasst.
Die GRÜNEN setzen sich für Schulgeldfreiheit der Ausbildung und eine bundesweite Einführung der Ausbildungsumlage ein. Beides sieht der Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeberufe vor. Auch die BAGFW lehnt eine vollständige Akademisierung der Pflegefachberufe ab, sieht jedoch den Bedarf an akademisch ausgebildeten Pflegefachkräften, ebenso wie der Wissenschaftsrat, bei einer Quote von 10 bis 20 Prozent.
Ad 7. Dauerhafte Lösung zur Finanzierung von Umschulungen
Die Fristen für die Sonderregelung zur dreijährigen Vollfinanzierung von Altenpflegeumschulungen durch die Bundesagentur für Arbeit wurden in den letzten Jahren immer wieder verlängert, zuletzt durch das 2016 in Kraft getretene „Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektronischen Zigaretten und E-Shishas“ in § 131b Satz 1 SGB III. Dort wurde die Frist zur Förderung der Umschulungen bis zum 31. Dezember 2017 verlängert. Die Finanzierung der Altenpflegeumschulungen ist ein Erfolgsmodell. Jede Fristverlängerung führte zu einer erheblichen Steigerung der Zahl der Umschülerinnen und Umschüler. Solange die Altenpflegeausbildung als gesonderter Ausbildungszweig besteht, bedarf es aus Sicht der BAGFW einer weiteren Fristverlängerung der Altenpflegeumschulung. Gleichzeitig muss auch die Umschulung in den neuen Pflegeberuf der Pflegefachfrau bzw. des Pflegefachmanns gefördert werden. Zu diesem Zweck sollen die Jobcenter bei unverkürzten Umschulungen in den neuen Pflegeberuf nicht nur Förderleistungen zur beruflichen Weiterbildung während zwei Dritteln der Maßnahme, sondern vollfinanziert während des gesamten Umschulungszeitraums erbringen können. Umschulungen stellen aus Sicht der BAGFW weiterhin eine wesentliche Maßnahme zur Reduzierung des Fachkräftemangels in der Pflege dar. Daher sollen diese Fördermaßnahmen in Zukunft nicht befristet werden.
Ad 8. Gesundheitsberufegipfel
Die BAGFW begrüßt nachdrücklich, dass der Antrag der GRÜNEN die selbständige Ausübung von Heilkunde durch die Pflegeberufe unterstützt. Dies ist ein zentrales Anliegen der Verbände der BAGFW. Nicht nur die demographische Entwicklung fordert eine Zusammenarbeit der medizinischen und pflegerischen Berufe auf Augenhöhe. In anderen europäischen Ländern ist die Delegation und Substitution ärztlicher Tätigkeiten durch Angehörige von anderen Gesundheitsberufen längst stärker in die Praxis umgesetzt. Die BAGFW begrüßt nachdrücklich, dass der Gesetzentwurf zu einem Pflegeberufegesetz die pflegerischen Aufgaben als den Pflegekräften eigenständig vorbehaltene Tätigkeiten regelt. Die Übertragung von heilkundlichen Tätigkeiten auf Angehörige der Pflegeberufe,- verbunden mit einer entsprechenden Qualifikation – zur eigenständigen Ausübung von Heilkunde in einem eigenständigen Verantwortungsbereich führt aus Sicht der BAGFW zu einer besseren gesundheitlichen Versorgung. Die Ärzte können sich dann auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. So kann beispielsweise die Verordnung von Pflegehilfsmitteln oder Verbandsmittel sowie die Wundversorgung zu einem eigenständigen Aufgabenbereich der Pflegekräfte werden.
Eine bessere gesundheitliche Versorgung kann nur durch ein Zusammenwirken aller Gesundheitsberufe und durch eine Neuverteilung der Aufgaben zwischen den Berufen gelingen. Dabei muss der Pflege eine eigenständige Rolle jenseits von Delegation und Substitution zukommen. Dies gilt auch für andere Gesundheitsberufe, wie die Physiotherapeuten, Logopäden oder Ergotherapeuten. Die Kompetenzen, Vorbehaltsaufgaben und Anforderungsprofile der diversen Gesundheitsberufe außerhalb der ärztlichen Professionen sind aus Sicht der BAGFW allerdings sehr heterogen. Daher wird aus Sicht der BAGFW ein Gesundheitsberufegipfel sicher nicht mehr Wirkung entfalten kann als eine gemeinsame Plattform der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe. Die BAGFW ist skeptisch, ob eine Neuordnung der Gesundheitsberufe in einem „Allgemeinen Heilberufegesetz“ tatsächlich realisiert werden kann.
Ad 9. Bürgerversicherung
Leistungsverbesserungen und eine bessere Personalausstattung in der Pflege erfordern eine nachhaltige Sicherung der Finanzierungsbasis der Pflegeversicherung. Zur Verbreiterung der Einnahmebasis sollen aus Sicht der BAGFW weitere Einkommensarten auf der Grundlage der steuerlichen Einkommensarten in die Beitragsbemessung einfließen. Des Weiteren soll die Beitragsbemessungsgrenze perspektivisch bis auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung angehoben werden. Ebenso wie die GRÜNEN setzen sich die BAGFW-Verbände für eine jährliche, an Kriterien der Kostenentwicklung orientierte Dynamisierung der Leistungen ein, um einen Realwertverlust der Leistungen zu vermeiden. Nur auf diese Art und Weise ist gewährleistet, dass die Sozialhilfeabhängigkeit pflegebedürftiger Menschen nicht weiter zunimmt.