Vorbemerkung
Grundsätzlich ist die BAGFW der Ansicht, dass es im Sinne einer weitgehenden inklusiven Förderung keine Sondermaßnahmen im Bereich Arbeitsmarktintegration für Flüchtlinge geben soll und dass diese so weit wie möglich mit den vorhandenen Regelinstrumenten frühzeitig gefördert werden sollen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Flüchtlinge – in erster Linie durch ein qualitativ und quantitativ ausreichendes Angebot an Sprach- und Integrationskursen - darauf vorbereitet werden, an den Regelangeboten der Arbeitsförderung teilzunehmen und die Regelinstrumente bedarfsgerecht weiterentwickelt und flexibilisiert werden.
Während des Asylverfahrens können sich auch Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz anbieten.
Soweit die Zielgruppe der Flüchtlinge auch zur genuinen Zielgruppe der Arbeitsgelegenheiten (AGH) aus dem SGB II gehört (mehrfache Vermittlungshemmnisse unabhängig von noch nicht vorhandenen Sprachkenntnissen), kann auch eine Förderung über AGH nach SGB II erfolgen.
Nach der gültigen Gesetzeslage ist der Aufenthaltsstatus von Flüchtlingen ausschlaggebend dafür, ob Flüchtlingen eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erlaubt ist und welche Sprach- und Arbeitsmarktförderung für sie in Betracht kommt.
Asylbewerber/innen
Grundsätzlich gilt für Flüchtlinge für die ersten drei Monate des Aufenthalts ein Beschäftigungsverbot auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Für Asylsuchende, die aus sog. sicheren Herkunftsstaaten kommen, gilt einhergehend mit der Verpflichtung, sich für die gesamte Dauer des Asylverfahrens in einer Aufnahmeeinrichtung aufzuhalten, ein generelles Beschäftigungsverbot.
Nach Ansicht der BAGFW muss die Zielsetzung eine zügige Heranführung der Asylbewerber/innen an den Arbeitsmarkt sein. Die Arbeitsverbote für Asylsuchende verhindern, dass die Betroffenen ihre Qualifikationen nutzen (De-Qualifizierung) und/oder neue erwerben können. Asylsuchende sollten unabhängig von ihrer Unterbringung spätestens nach 3 Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Zumindest solange die Asylverfahren in der Praxis nicht in einem angemessenen Zeitraum von wenigen Monaten durchgeführt werden, müssen Asylsuchende nach einer je nach Fördermaßnahme vorzusehenden Frist auch Zugang zu den Maßnahmen der Arbeitsförderung haben.
Nach der aktuellen Gesetzeslage ist es vorgesehen, dass Asylbewerber/-innen während der Phase ihrer Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) tätig werden: „In Aufnahmeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen sollen Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden. (…) Im Übrigen sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, sofern die zu leistende Arbeit sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde. Es besteht eine Pflicht, die zur Verfügung gestellte Arbeitsgelegenheit wahrzunehmen.“ AGH nach dem AsylbLG unterliegen mithin anderen Voraussetzungen als AGH nach dem SGB II.
Die BAGFW begrüßt grundsätzlich die Möglichkeit der Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese Arbeitsgelegenheiten können eine gute Möglichkeit bieten, den häufig monotonen Alltag in der Erstaufnahmeeinrichtung erträglicher zu gestalten und für die Gemeinschaft sinnvolle Aufgaben zu verrichten. Sich zu engagieren, das eigene Umfeld etwas mitzugestalten, eine Art von Arbeitsroutine zu haben , sinnvolle Arbeiten zu erledigen und eventuell Kontakt zur einheimischen Bevölkerung zu bekommen, kann eine wichtige psychosoziale Unterstützung für Flüchtlinge darstellen. Die Möglichkeit, mit der dafür gezahlten Aufwandsentschädigung die eigenen finanziellen Mittel etwas aufzubessern, ist für viele Flüchtlinge ebenso willkommen, solange das Beschäftigungsverbot besteht.
Die Pflicht zur Wahrnehmung der Arbeitsgelegenheit lehnt die BAGFW jedoch ab. Vielmehr soll den geflüchteten Menschen mit den Arbeitsgelegenheiten eine Betätigung auf freiwilliger Basis angeboten werden. Die Überprüfung der Integrationsbereitschaft mit dem Instrument der Arbeitsgelegenheiten (§ 5 AsylbLG) würde eine Wiederholung der Fehlanwendung der AGH bedeuten, wie sie bei der Einführung des Instruments im SGB II stattgefunden hat. Damals wurde das Instrument zur Überprüfung der Arbeitswilligkeit von SGB II-Empfängern benutzt. Die gemäß Asylbewerberleistungsgesetz bestehende Verpflichtung, eine bereitgestellte Arbeitsgelegenheit anzunehmen und mit einer unbegründeten Ablehnung einhergehende Sanktionierung der Leistung müssen abgeschafft werden.
Bei der zeitlichen Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheiten sollte darauf geachtet werden, dass diese im Einklang mit anderen Belangen (etwa der Kindererziehung bzw. Möglichkeiten der Kinderbetreuung) und den Interessen der Teilnehmenden stehen, insbesondere aber auch die Teilnahme an Integrations-Sprachkursen möglich ist.
Anerkannte Flüchtlinge (Asylberechtigte)
Für Asylberechtigte stehen die Angebote aus dem Rechtskreis des SGB II offen. Die Herausforderung besteht darin, den Flüchtlingen den theoretischen Anspruch auf die Leistungen auch praktisch zugänglich zu machen.
Hierzu sind Informations- und Beratungsangebote notwendig, um die vorrangigen Angebote der Arbeitsförderung in Anspruch nehmen zu können. In der Praxis der Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände zeigt sich, dass für viele Neuzugewanderte zunächst der Aufbau einer Existenz bzw. die Unterstützung von Verwandten in den Herkunftsländern im Vordergrund steht. Dennoch ist es wichtig, auf die Bedeutung von formalen Qualifikationen in Deutschland hinzuweisen und insbesondere für jüngere Menschen zunächst Angebote der Aus- und Weiterbildung (verknüpft mit langfristigen und besseren Verdienstmöglichkeiten) vorzuhalten.
Vorrang zu Arbeitsgelegenheiten sollten stets reguläre Beschäftigungsverhältnisse, Angebote der Aus- und Weiterbildung (bzw. der Anerkennung vorhandener Qualifikationen) sowie andere vorrangige Eingliederungsleistungen haben.
Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II sollen für geflüchtete Menschen genauso wie für andere Leistungsberechtigte als nachrangige Förderleistung bereitgestellt werden, soweit für sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung noch nicht in Frage kommt und sie zu ihrer Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt vor allem Tagesstrukturierung, soziale Teilhabe und sinnvolle Beschäftigung brauchen.
Als Besonderheit für die Zielgruppe der geflüchteten Menschen sollte der Übergang in eine AGH so gestaltet werden, dass zunächst ein Kompetenzfeststellungsverfahren und ausführliche Beratung erfolgen. Hierbei sollte die Möglichkeit bestehen, Kompetenzen auch anders als durch zertifizierte Dokumente nachzuweisen.
Die Jobcenter sollten möglichst keine gesonderten Arbeitsgelegenheiten schaffen, in denen sich ausschließlich Flüchtlinge betätigen, alleine schon um drohenden Diskriminierungen entgegenzuwirken. Diejenigen Flüchtlinge, die weit entfernt vom Arbeitsmarkt sind, können mit anderen Arbeitssuchenden gemeinsam an einer Arbeitsgelegenheit teilnehmen, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Bei der Ausgestaltung der Arbeitsgelegenheit sind eine sinnvolle Betätigung und die nötige Begleitung und Förderung (z. B. Sprachförderung, sozialpädagogische Begleitung und Qualifizierung) sicherzustellen.
Jüngere Menschen (unter 25 Jahre) ohne abgeschlossene Ausbildung sollten vorrangig in Ausbildung vermittelt werden bzw. mit den Maßnahmen der Ausbildungsförderung auf dem Weg zu einem Berufsabschluss unterstützt werden.
Darüber hinaus ist es dringend erforderlich, die Arbeitsgelegenheiten im SGB II weiterzuentwickeln. Die BAGFW hat hierzu bereits Vorschläge erarbeitet.[1]
Wohlfahrtspflege als Partner: Die Einrichtungen und Dienste der Freien Wohlfahrtspflege sehen sich als wichtigen Akteur sowohl bei der allgemeinen Integration als auch bei der arbeitsmarktlichen Integration von Flüchtlingen. Mit ihren Aufnahmeeinrichtungen, Beratungsstellen und Integrationsprojekten ist sie von Beginn des Eingliederungsprozesses nah an den Geflüchteten. Sie ist auch eine erfahrene Akteurin bei der Förderung von Menschen auf dem Weg ins Arbeitsleben. Sie hat jahrelange Erfahrung mit Arbeitsgelegenheiten und Arbeitsverhältnissen nach dem SGB II sowie begleitender und unterstützender Angebote nach dem SGB III.
Darüber hinaus bieten die Dienste und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Feldern für Flüchtlinge, so dass sie auch nach entsprechender Vorbereitung der Personen als Arbeitgeberin auftreten kann.
[1] Positionierung der BAGFW zum Konzept der Bundesarbeitsministerin „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern. Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit“ vom 05.12.2014