Jahresbericht 2020 der Arbeitsgruppe Verwertungsgesellschaften
Aufgabenstellung und Arbeitsweise der AG „Verwertungsgesellschaften“
Die Arbeits- bzw. Verhandlungsgruppe „Verwertungsgesellschaften“ verhandelt die BAGFW-Gesamtverträge mit Verwertungsgesellschaften. Dies schließt die Prüfung der zugrundeliegenden (urheber-)rechtlichen Lizenzsachverhalte und deren praktische Relevanz für Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege ein.
In Deutschland gibt es derzeit 13 Verwertungsgesellschaften (VG). Von Relevanz für die BAGFW waren bislang vor allem die GEMA, VG Media, GVL, und die VG Wort.
Die Verhandlungsgruppe nutzt für ihre Arbeit i.d.R. Telefonkonferenzen, gelegentlich Arbeitstreffen, in denen der Handlungsbedarf erörtert wird, Sachlagen rechtlich analysiert, Vertragsentwürfe bearbeitet werden. Die Verhandlungen mit Verwertungsgesellschaften werden gemeinsam als Gruppe geführt.
GEMA beruft sich auf den Beschluss des Berliner Kammergerichtes vom Juli 2020
Bereits im Jahresbericht 2019 wurde das Urteil des Landgerichts Berlin vom 01.10.2019 zur Vergütungspflicht von Senioreneinrichtungen erläutert, welches von der VG Media ins Feld geführt wurde. Senioreneinrichtungen sind, so dieses Urteil, für die Weitersendung der Programmsignale im Zusammenhang mit dem Vorhalten einer TV-Anschlussmöglichkeit in den Wohnungen der Bewohner lizenz- und vergütungspflichtig. Dieses Urteil erfuhr in wesentlichen Punkten eine Bestätigung durch die nächste Instanz, den Beschluss des Kammergerichtes Berlin vom 10.06.2020
Diese beiden Entscheidungen waren der Anlass für Schreiben der GEMA bundesweit an viele Mitgliedseinrichtungen der BAGFW und deren Einrichtungsträger. In diesen Schreiben vom Oktober und November 2020 forderte die GEMA dazu auf, gebührenpflichtige Musiknutzungen in Aufenthaltsräumen der Einrichtung und den TV- und Radioempfang durch Weiterleitung direkt in die einzelnen Zimmer über den bekannten Fragebogen der GEMA anzumelden und einen Einzelvertrag zu schließen. Die verbändeübergreifende Arbeitsgruppe der BAGFW ist demgegenüber zu folgender Bewertung gelangt, die die BAGFW in einem Rundschreiben vom 18.12.2020 an alle Verbände veröffentlicht hat:
Die beiden genannten Entscheidungen sind für die klassischen stationären und teilstationären Einrichtungen der Alten- bzw. Behindertenhilfe (sowie vergleichbaren Einrichtungen) der der BAGFW angeschlossenen Verbände nicht einschlägig und damit im Ergebnis nicht übertragbar. Gegenstand des Urteils und dem nachfolgenden Beschluss des Kammergerichts waren Nutzungen in einer Seniorenresidenz in Berlin. Hierzu hat das Kammergericht – nach dem entsprechenden Vortrag des Einrichtungsbetreibers – festgestellt, dass es sich „primär um Mietwohnverhältnisse in einem Mehrparteienwohnhaus“ handelt, bei denen sich die Mieterinnen und Mieter pflegerische Leistungen dazukaufen können. Es fehle nach Ansicht des Gerichts bei den nur mit der Beklagten über Mietverträge verbundenen Bewohnern an einer verbindenden Gemeinsamkeit. In einer Seniorenresidenz, in der primär Mietwohnverhältnisse mit Bewohner/innen abgeschlossen werden, sind diese frei darin, sich weitere Leistungen hinzuzukaufen, bei wem auch immer. In den klassischen Einrichtungen der Altenhilfe hingegen, in denen Bewohner/innen oft in Zimmern oder kleinen Wohneinheiten leben, die häufig zu Wohngruppen zusammengefasst sind, werden Verträge nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) abgeschlossen. In diesen Verträgen wird die Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen und zugleich die Zurverfügungstellung der Unterkunft und Verpflegung vereinbart. Hier steht der Unterkunftsanteil nicht im Vordergrund. Die Arbeitsgruppe der BAGFW ist ferner der Ansicht, dass zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern der Einrichtungen der Altenhilfe aufgrund der räumlichen Nähe, der gemeinschaftlichen Essenseinnahme von Mahlzeiten, und gemeinschaftlichen Aktivitäten im Rahmen der sozialen Betreuung von einer verbindenden Gemeinsamkeit auszugehen ist.
Gerade im Blick auf die einzelfallbezogene Rechtsprechung bestehen zwischen der hier betroffenen Seniorenresidenz und einem klassischen Altenpflegeheim so erhebliche Unterschiede, dass der Kammergerichtsbeschluss nach Ansicht der BAGFW nicht auf die Konstellationen der gemeinnützigen Altenhilfeeinrichtungen übertragbar ist. Die BAGFW hält deshalb an ihrer in der Präambel des geltenden Gesamtvertrags und der aktualisierten Arbeitshilfe (S. 36-40, Stand 1.1.2018) dargelegten Auffassung unverändert fest.
Weiteres rechtliches Vorgehen – Vorbereitung eines möglichen Musterverfahrens
Die GEMA hatte gegenüber der BAGFW in Gesprächen deutlich gemacht, dass sie rechtliche Schritte gegen Einrichtungen einleiten wird, wenn diese der aus Sicht der GEMA bestehenden Vergütungspflicht nicht nachkommen. Dies ist der BAGFW jedoch bisher nur in Einzelfällen bekannt geworden. Ob es zu einem Klageverfahren kam, ist bisher nicht bekannt. Aktuell hat nun ein Träger von Einrichtungen der Altenhilfe in Hessen die Zahlung der erhöhten und durch die Ansprüche der von der GEMA vertretenen Zentralstelle für die Wiedergabe von Fernsehsendungen (ZWF) erweiterten Vergütung schriftlich gegenüber der GEMA abgelehnt. Darauf erhielt der Träger eine erneute Zahlungsaufforderung einer von der GEMA beauftragten Rechtsanwaltskanzlei mit dem Hinweis, dass man den Vergütungsanspruch bei weiterer Verweigerung auch gerichtlich durchsetzen werde. Der Träger hat zwischenzeitlich seinerseits eine Kanzlei mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Es handelt sich dabei um die renommierte Kanzlei Hengeler Mueller, die nach Prüfung des konkreten Sachverhaltes ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass sich für die Einrichtungen dieses Trägers mangels Öffentlichkeit eine Vergütungspflicht mit guten Argumenten verneinen lässt. Der Fortgang des Verfahrens ist derzeit offen.
In dem BAGFW- Rundschreiben (Dezember 2018) hatte die BAGFW berichtet, dass eine endgültige Klärung der zwischen den Verwertungsgesellschaften und der BAGFW streitigen Frage zum Bestehen von Öffentlichkeit i.S.d. Urheberrechts in den stationären und teilstationären Einrichtungen der Wohlfahrtspflege wahrscheinlich nur durch ein Musterverfahren zu erreichen sei. Möglicherweise bietet der Fall des hessischen Trägers nun die Gelegenheit zur Durchführung eines solchen Musterverfahrens zur Klärung der Frage der Vergütungspflicht von Musikwiedergaben in Aufenthaltsräumen und der Weiterleitung entsprechender Signale an Anschlussdosen in Wohneinheiten in den angesprochenen klassischen Einrichtungen der Altenhilfe. Dies setzt allerdings voraus, dass sich weitere Einrichtungen dem Rechtsstreit anschließen und die GEMA der Durchführung eines Musterverfahrens zustimmt.
Beteiligung am Musterverfahren: Der nicht unerhebliche finanzielle und personelle Aufwand, den das Führen eines Prozesses üblicherweise verursacht, würde sich vor dem aktuellen Hintergrund für beteiligte Einrichtungsträger reduzieren, da die vom Träger beauftragte Kanzlei das Verfahren gebündelt führen wird. Für eine etwaige erste Instanz ist der finanzielle Aufwand zum jetzigen Zeitpunkt deutlich reduziert, da eine Anschubfinanzierung bereits durch einige Verbände zugesagt wurde.
Die Einrichtungsträger werden ermutigt, sich diesem Verfahren als weitere Mustereinrichtung anzuschließen und damit hinsichtlich der Frage einer Vergütungspflicht ihrer Einrichtung(en) Rechtssicherheit zu erlangen.