Berlin, 14. Oktober 2016. Das sich derzeit im Gesetzgebungsprozess befindliche Pflegestärkungsgesetz III setzt den neuen Pflegebedürfigkeitsbegriff in den Regelungen der Hilfe zur Pflege um und soll die Rolle der Kommunen in der Pflege stärken. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) begrüßt dies grundsätzlich, weist jedoch auf entscheidende Schwächen hin.
Grundsätzlich begrüßen die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, dass das Gesetz den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff auch in der Hilfe zur Pflege einführt. Doch werden Regelungen geplant, die Betroffene sogar schlechter stellen könnten als bisher. Die BAGFW hebt daher hervor:
So erhalten Menschen im Pflegegrad 1 und Menschen, die einen geringen Hilfebedarf haben, jedoch nicht den Pflegegrad 1 erreichen, künftig keine Leistungen der Hilfe zur Pflege mehr. Damit würden erstmals Menschen durch die Maschen des an sich lückenlos zu schließenden untersten Auffangnetzes der Sozialhilfe fallen. Bei der Überleitung der Einstufungen nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff darf es keine Unterschiede zwischen Versicherten und nicht-versicherten Personen geben. Nichtversicherte dürfen hinsichtlich des Pflegegrads nicht schlechter gestellt werden als Versicherte. Des weiteren müssen nichtversicherte Sozialhilfeempfänger Anspruch auf die gleichen Aktivierungs- und Betreuungsleistungen haben. Aktuell sind sie auch hier schlechter gestellt.
Trotz bestehender Schnittstellen müssen Leistungen der Eingliederungshilfe weiterhin gleichwertig zu Leistungen der Pflegeversicherung gewährt werden. Der derzeit vorgesehene Vorrang der Pflegeversicherung kann dazu führen, dass Menschen, die zugleich Eingliederungshilfe benötigen, Betreuungsleistungen zur sozialen Teilhabe vorenthalten werden mit Verweis darauf, dass die vorrangige Pflegeversicherung diese Leistungen durch die pflegerische Betreuung bereits abgedeckt habe.
Ebenso schwierig könnte es für pflegebedürftige Menschen mit Eingliederungshilfebedarf werden, die in ambulanten Wohngemeinschaften leben werden, sofern diese in Verantwortung ihres Anbieters von Eingliederungshilfeleistungen betrieben werden. Für sie sollen zukünftig nur noch die Kostensätze aus der Pflegekasse zur Verfügung stehen, die sie in einer stationären Wohneinrichtung der Behindertenhilfe erhalten würden. Dies kann die Existenz vieler dieser kleinen dezentralen häuslichen Wohnformen gefährden.
BAGFW-Geschäftsführer Dr. Gerhard Timm betont: „Die BAGFW arbeitet seit Jahren intensiv an der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Menschen mit. Zu Leistungsverschlechterungen im Bereich der Hilfe zur Pflege darf es nicht kommen. Im Übrigen begrüßen wir, dass die Rolle der Kommunen im Rahmen dieses Gesetzes gestärkt werden soll. Wir sehen die Aufgaben der Kommunen allerdings sehr viel komplexer und nicht nur in der Beratungsarbeit, die sie sich von den Pflegekassen übertragen lassen können. Kommunen sollten nicht nur Leistungen steuern, sondern wohnortnahe Versorgung aktiv gestalten. Dazu gehört entsprechende Quartiersplanung und bspw. auch die Einbindung von Ehrenamtlichen.“