Allgemeine Bewertung
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und die Bundesarbeitsgemein- schaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßen das Monti-Kroes-Paket als wesentliche Erleichterung für die Finanzierung von DAWI vor Ort. Insbesondere das Instrument der Frei- stellungsentscheidung kann grundsätzlich die Grundlage dafür bieten, DAWI vor Ort auf einer rechtssicheren Basis und ohne unangemessenen bürokratischen Aufwand zu erbrin- gen. Das Bestreben der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, dieses Instrument noch praxisnäher auszugestalten wird daher ausdrücklich unterstützt. Nichts desto trotz verursacht das Zusammenspiel der verschiedenen Vorschriften des Beihil- ferechts in der tatsächlichen Umsetzung nach wie vor einen hohen bürokratischen Aufwand, der vor allem von kleinen und mittleren Diensten und Einrichtungen sowie von kleinen und mittleren Kommunen kaum geleistet werden kann. Zudem enthält das Paket eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die zu einer enormen Rechtsunsicherheit und, auch wegen des externen Beratungsbedarfs, zu erhöhten Kosten führen. Hinzukommen offene Fragen mit Blick auf das Zusammenspiel mit Vergabe- und Steuerrecht.
Konkrete Probleme bei der Eröffnung des Anwendungsbereichs des
Beihilferechts
Wesentliche Schwierigkeiten bereitet den Kommunen sowie den Diensten und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege die Auslegung des Unternehmensgegenstands und des Un- ternehmensbegriffs. Nur für den Fall, dass es sich beim Unternehmensgegenstand des Begünstigten um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, ist der Beihilfetatbestand erfüllt. Da- her ist es notwendig, wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche Dienstleistungen voneinander abzugrenzen. Da hierfür jedoch bislang keine Kriterien entwickelt wurden und Tätigkeiten, die in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht dem Wirtschaftrecht unterliegen, von der Europäischen Kommission nunmehr als wirtschaftlich eingestuft werden, herrscht bei Beihilfeempfängern und –gebern große Unsicherheit. Dies gilt etwa mit Blick auf Museen, Volkshochschulen, kommunale soziale Einrichtungen und auch Wohlfahrtsverbände, die als Unternehmen i.S.d. Artikel 107 Absatz 1 AEUV gelten könnten.
Der Klarstellung bedarf darüber hinaus der Begriff der Binnenmarktrelevanz. DAWI mit rein lokalem Charakter unterliegen nicht dem europäischen Wettbewerbsrecht. Daher sollten kla- re Kriterien aufgestellt werden, wann ein Binnenmarktbezug zu verneinen ist. Insbesondere bei sozialen Dienstleistungen ist häufig eine starke Einbettung in und Beschränkung auf lo- kale Strukturen gegeben. Kommunale Dienstleistungen sind aber binnenmarktirrelevant, wenn nur der örtliche Wirkungskreis betroffen ist und die Leistung ausschließlich für die orts- ansässigen Bürger erbracht wird. Auch hinsichtlich dieses Aspekts der Prüfung einer möglichen Wettbewerbsverfälschung ist der Prüfungsaufwand, beispielsweise bei der Ermitt- lung des Nachfragekreises und anderer potentieller Anbieter enorm und von Rechtsunsicherheit geprägt, da sich die Europäische Kommission auch hier eine Einzelfall- prüfung vorbehält und keine Abgrenzungskriterien im Hinblick auf die Binnenmarktrelevanz vorliegen.
Auch der Unternehmensbegriff selbst bedarf der Klarstellung. In diesem Zusammenhang ist, insbesondere bei verbundenen Unternehmen und im Tätigkeitsfeld der Freien Wohlfahrts- pflege entscheidend, auf welche Einheit bei der Beurteilung der Höhe der Beihilfe abgestellt wird. Hier sollte es auf die bilanzrechtliche Selbständigkeit der Einheit ankommen. Im Fall der Freien Wohlfahrtspflege ist Begünstigter dann in der Regel die konkrete Einrichtung und nicht eine übergeordnete Verbandsstruktur.
Konkrete Probleme bei der Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung „Alt- mark Trans“ und der Freistellungsentscheidung
Wir begrüßen den weiten Spielraum, der bei der Formulierung des Betrauungsakts besteht. Dies entspricht dem Subsidiaritätsprinzip und dem Konkretisierungsrecht der Kommunen. Gleichzeitig teilen wir das Anliegen der Kommission, dass unberechtigte Begünstigungen im EU-Binnenmarkt vermieden werden sollten. Jedoch bergen die Anforderungen, die die Kommission an die Formulierung des Betrauungsakts stellt, die Gefahr der Auslösung einer nationalen Steuerpflicht, wenn die unionsrechtlich konforme Ausgestaltung des Akts die Dar- stellung eines umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustauschs erforderlich macht. Eine solche Steuerpflicht würde die Erbringung der betroffenen Dienstleistungen deutlich teuerer machen und könnte Kommunen wie Dienstleistungserbringer zur Einschränkung ihrer Leistungen zwingen.
Des Weiteren ist die ex ante zu erfolgende Festlegung der Kostenparameter nur schwer leistbar. Aufgrund der Vielfalt der DAWI kann hier nur sehr aufwändig und kostenintensiv, insbesondere aufgrund der notwendigen kostenpflichtigen Hilfe von externen Wirtschaftsprü- fern, den Kontroll- und Berichtspflichten genügt werden. Als noch problematischer ist der
Umgang mit multifunktionalen Unternehmen, die verschiedene DAWI leisten, anzusehen. Es sollte zudem eine Klarstellung in die Freistellungsentscheidung mit aufgenommen werden, dass eine Bezifferung bzw. Beschreibung eines „sozialen Mehrwerts“ nicht erforderlich ist. Bereits die Festschreibung der Gemeinwohlverpflichtung ist mit einem großen Aufwand ver- bunden.
Die Prüfung des Vorliegens einer Überkompensation wirft eine Vielzahl von Fragen auf. So ist der genaue Umgang mit der Berücksichtigung von geldwerten Vorteilen, wie beispielswei- se einer Vermietung unterhalb des Marktwertes, genauso unklar wie die Einordnung des Gemeinnützigkeitsstatus im nationalen Steuerrecht. Steuervorteile, die aus dem Gemeinnüt- zigkeitsstatus resultieren, müssen unberücksichtigt bleiben, weil dieser Status auf der anderen Seite ebenso sehr wirtschaftliche Nachteile für die Einrichtungen nach sich zieht.
Das vierte Altmark-Trans-Kriterium schließlich bereitet insofern Probleme für die Zuwen- dungsempfänger und -geber, als dass der Vergleich mit Kosten, die ein durchschnittliches gut geführtes Unternehmen hätte, nicht oder nur mit exorbitantem Kostenaufwand vorzu- nehmen ist. Es besteht hierbei außerdem immer eine Rest-Rechtsunsicherheit. Hierdurch werden Kommunen oftmals in das öffentliche Auftragsrecht getrieben, welches für eine Viel- zahl von DAWI untauglich ist. In Deutschland wird der Wettbewerb bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen etwa durch das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis, das auch Aus- prägung des Subsidiaritätsprinzip ist, geregelt.
Folgende Anpassungen schlagen wir vor:
• Abgrenzung „wirtschaftlich“ / „nicht wirtschaftlich“ anhand der Indizien
- fehlende Gewinnerzielungsabsicht
- überwiegende Finanzierung aus öffentlichen Mitteln
- öffentlicher Auftrag geht über Marktkorrektur hinaus
• Unternehmensbegriff bestimmt sich nach bilanzrechtlicher Selbständigkeit
• Binnenmarktrelevanz: Abgrenzung „lokal“ / „nicht lokal“ anhand der Indizien
- Betroffenheit des örtlichen Wirkungskreises
- Erbringung für die ortsansässigen Bürger / Empfänger
• Bzgl. der Schwellenwerte der Freistellungsentscheidung
- Anpassung der Schwellenwerte an wirtschaftliche Entwicklung
- Schaffung einer Ausnahme für soziale Dienstleistungen vergleichbar mit sonstigen Ausnahmen in Art. 2 Abs. 1 lit. b) der Freistellungsentscheidung
• Schaffung erhöhter eigener De-minimis-Werte für DAWI (in Höhe von mindes- tens 500.000 €)
• Kollision von europäischem Beihilferecht und nationalem Steuerrecht:
- Keine Einbeziehung der aus dem Gemeinnützigkeitsstatus resultierenden steuerlichen Vorteile bei Berechnung der Überkompensation
- Weitere Flexibilisierung des Begriffs „Betrauungsakt“ zur Vermeidung der
Auslösung der Umsatzsteuerpflicht