Gemeinsame Erklärung der BAGFW und der Frauenhauskoordinierung zum 4. Fachworkshop

Sowohl die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAG FW) als auch Frauenhauskoordinierung (FHK) begrüßen die Initiative der Bundesregierung, konkrete Schritte für einen einheitlichen Rechtsrahmen für Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer Gewalt zu gehen.

Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer Gewalt verlässlich und nachhaltig sicherstellen

Sowohl die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAG FW)[1] als auch Frauenhauskoordinierung (FHK)[2] begrüßen die Initiative der Bundesregierung, konkrete Schritte für einen einheitlichen Rechtsrahmen für Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer Gewalt zu gehen.

 

Es ist alles gesagt, die Fakten liegen seit langem auf dem Tisch.

Seit 1976 gibt es in Deutschland Frauenhäuser und seitdem ist die Frauenhaus-Finanzierung ein Dauerthema auf kommunaler, Landes- und Bundesebene. 2008 und 2012 fanden Anhörungen vor dem Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend statt. Von Seiten der Wohlfahrtsverbände und der verschiedensten Interessenvertretungen für Frauen (z.B. Frauenhauskoordinierung e.V., Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser, Deutscher Frauenrat) werden die Probleme in regelmäßigen Abständen immer wieder diskutiert und problematisiert. Große und kleine Anfragen wurden von Fraktionen des Bundestags formuliert. Von der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz (GFMK) wurde bzw. wird das Thema jährlich aufgegriffen mit der Forderung an die Bundesregierung, Schritte in die Wege zu leiten (hier sind insbesondere die Ergebnisse in der Sondersitzung Ende Juni 2020 als Signal in die richtige Richtung zu werten). Auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV) hat sich 2010 intensiv mit der Finanzierungsproblematik auseinandergesetzt. Ergebnis war ein Diskussionspapier zur Finanzierung von Frauenhäusern, in dem verschiedene Lösungsansätze beschrieben wurden. Nach 10 Jahren hat der DV in diesem Jahr zu einem Expert*innengespräch eingeladen.

 

Mit dem „Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder 2012“ wurde eine deutliche Bestandsaufnahme vorgelegt. Die z.T. ernüchternden Ergebnisse wurden durchaus von den Ländern aufgegriffen und in erste Verbesserungen für das unterfinanzierte Hilfesystem umgesetzt. Auch der Bund ist aktiv: nach einem holprigen Start wurden Modellprojekte mit unterschiedlichen Ansätzen und Voraussetzungen in fünf Bundesländern umgesetzt, um auf Lücken im Hilfesystem zu reagieren und bestehende Bedarfe zu decken. Die Veröffentlichung der zusammengefassten Ergebnisse und Erkenntnisse sowie die Bewertung und Diskussion mit den Verbänden stehen noch aus. Und in der Tat wurden vom BMFSFJ in diesem Jahr innovative und investive Projekte vor allem für die Fachpraxis gestartet. Das begrüßen wir sehr, wenn auch die Kommunikation mit den Wohlfahrtsverbänden und den Bundesvernetzungsstellen zu den Förderprogrammen verbesserungsbedürftig ist.

 

Dass das BMFSFJ durchaus Regelungsbedarf für die Finanzierung von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen sieht, zeigt ein durch das Ministerium beauftragtes und bereits vor drei Jahren fertig gestelltes Gutachten durch Prof. Dr. Rixen, Universität Bayreuth. Bedauerlich sehen FHK und BAG FW die späte Veröffentlichung, dadurch ist wertvolle Zeit verstrichen und eine gründliche Befassung erschwert. Offen ist, ob das BMFSFJ den darin enthaltenen Vorschlägen folgen will.

 

Nach wie vor sind in Deutschland Schutz und Beratung bei häuslicher und sexualisierter Gewalt für Frauen und deren Kinder weder flächendeckend noch auskömmlich gewährleistet. Ein wesentlicher Grund dafür sind die vielerorts bestehenden Finanzierungsmängel beim Hilfe- und Unterstützungssystem. Aufgrund der großen Unterschiede in den rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen in den Bundesländern - und teilweise sogar innerhalb eines Bundeslandes - ist der Zugang zu Schutz und Beratung für viele gewaltbetroffene Frauen deutlich erschwert. Vor dem Hintergrund anhaltend hoher Fallzahlen[3] von häuslicher und sexualisierter Gewalt ist dies nicht mehr hinnehmbar.


Die Corona-Pandemie hat die prekäre Struktur, Ausstattung und Absicherung des Frauengewaltschutzes in Deutschland besonders deutlich gezeigt: die dringend zu verbessernde personelle und räumliche Ausstattung von Frauenhäusern für die Arbeit mit Frauen und Kindern, der Abbau von Aufnahmehindernissen im Bereich der Finanzierung des Aufenthalts, die Verbesserung der Bekanntheit und von Zugangsmöglichkeiten zu Beratung und Frauenhäusern.

 

Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ ist Deutschland in der Pflicht verlässliche Strukturen zu schaffen und auszubauen, die allen Betroffenen von geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland Schutz und Unterstützung bieten, und bisherige Ausschlüsse abzubauen.

 

 

 

 

 

Erste Bewertung des Gutachtens „Gesetzestechnische Umsetzung eines Sozialleistungsanspruchs auf Unterstützung für von Gewalt betroffene Personen, insbesondere für Frauen und ihre Kinder“ erstellt im Auftrag des BMFSFJ von Prof. Rixen, Universität Bayreuth – Stand: 14.07.2017

 

  1. Verortung der Regelung im SGB XII

BAG FW und FHK setzen sich seit langem für einen Rechtsanspruch[4] ein und begrüßen den Vorschlag für einen eigenen Rechtsanspruch. Ein Rechtsanspruch schafft die notwendige Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder brauchen durchsetzbare Rechte, die bedarfsgerechten Schutz und Hilfe gewährleisten. Die vorgesehene Verortung im SGB XII sieht FHK jedoch kritisch.

 

2017 wurde von FHK ein Diskussionspapier „Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt“ mit einer Regelung für einen Rechtsanspruch verortet im SGB XII veröffentlicht. Ergebnis eines intensiven dialogischen Prozesses 2018 mit der Fachpraxis und Vertreter*innen der Landesebene ist, weiterhin am Rechtsanspruch festzuhalten, jedoch von einer Verortung im SGB XII abzusehen. Gründe sind einerseits, dass davon auszugehen ist, dass Leistungsausschlüsse innerhalb des SGB XII nicht behoben werden können. Dies betrifft vor allem Frauen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus sowie die nach wie vor nicht geklärte Situation von nichtdeutschen EU-Bürger*innen. Auch wenn im Gutachten die durchaus positiv zu bewertende erforderliche Klarstellung für das AsylbLG vorgeschlagen wird und ebenfalls geprüft werden müsse, ob das Aufenthaltsrecht angepasst werden müsse, sehen BAG FW und FHK die entsprechend wichtigen Änderungen als politisch schwer durchsetzbar. Studierende und Auszubildende wären ebenfalls nicht umfasst. Andererseits wurde befürchtet, dass der Zugang durch aufwändige Antragsverfahren und Nachweispflichten für den erforderlichen niedrigschwelligen Schutz nicht gegeben ist. Zusammenfassend setzen sich BAG FW und FHK nunmehr dafür ein, eine Lösung für einen Rechtsanspruch außerhalb des SGB XII zu suchen.

 

  1. Leistungsberechtigte (§ XY)

Dass der Kreis der Leistungsberechtigten sehr weit gefasst ist, entspricht den Forderungen sowohl von FHK als auch von BAGFW nach einem Rechtanspruch unabhängig von Einkommen und Vermögen, Herkunftsort sowie Aufenthaltsstatus, gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Auch die Gewährleistung von Schutz und Unterstützung für mitbetroffene Kinder als eigene Leistung entspricht dem Regelungsansatz von FHK. Das heißt, Leistungsberechtigte sind grundsätzlich alle Menschen unabhängig von Geschlecht und Alter, die von geschlechtsbezogener Gewalt, sexueller Gewalt oder Gewalt in engen sozialen Beziehungen betroffen sind, sowie deren Kinder.

 

Dass alle Formen physischer, psychischer oder sexualisierter sowie ökonomischer Gewalt innerhalb oder außerhalb von Beziehungen im sozialen Nahraum als Gewalt gesehen werden, entspricht den Anforderungen der Istanbul-Konvention und entspricht der konzeptuellen Arbeit der Fachpraxis.

 

In diesem Zusammenhang möchten wir auf die Definition „geschlechtsspezifische Gewalt“ hinweisen. Vor allem für FHK ist es wichtig, dass zum Ausdruck gebracht wird, dass häusliche Gewalt als geschlechtsspezifische Gewalt eine Menschenrechtsverletzung darstellt und Frauen diskriminiert. Ursachen von geschlechtsspezifischer Gewalt liegen im ungleichen Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern begründet.

 

  1. Unterstützende Infrastruktur (§ YZ)

Das Gutachten führt den aus Sicht von BAG FW und FHK nicht passenden Begriff „Zufluchtsstätte“ ein. Dieser entspricht nicht der fachlichen Terminologie. BAG FW und FHK schlägt alternativ den Begriff „Schutzeinrichtung“ vor.

 

Frauenhäuser sehen sich nicht als stationäre Einrichtungen. Die betroffenen Frauen gestalten ihren Alltag selber, führen ein eigenständiges Leben im Frauenhaus und stellen ihren Lebensunterhalt sicher. Wichtig ist eine Klarstellung, dass Frauenhäuser keine stationären Einrichtungen sind.

 

  1. Gegenstand der Leistungen: Zugang zu „Zufluchtsstätten“ und Beratungsstellen (§ YZ Abs. 1 und 2)

Die Formulierung, dass Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen auch dem Schutz vor aktueller oder drohender Gewalt dienen, wird dem Anspruch des Hilfesystems und dem Bedarf gewaltbetroffener Personen nicht gerecht. Fachberatungsstellen sind selbst keine Schutzeinrichtungen, geben aber Hilfestellung bei der Kontaktaufnahme zu Schutzeinrichtungen. Der Schutz vor aktueller oder drohender Gewalt ist dagegen die Kernaufgabe von Schutzeinrichtungen wie Frauenhäusern. Zu formulieren ist hier des Weiteren, dass neben der originären Schutzgewährung auch weitere Merkmale erfüllt sein müssen (Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1.-4.) sowie welche Aufgaben bedient werden (Satz 2 Ziff. 1.-8.). Dabei ist besonders auf die Gewichtung in der Aufzählung zu achten. Die ausdrückliche Erwähnung der Hilfestellung bei gewünschter Kontaktaufnahme mit dem Partner*in einer Beziehung gibt diesem Aspekt einen zu hohen Stellenwert, diese Leistung sollte unter Satz 4.4 subsumiert werden. Die primär zu gewährenden Leistungen sind entweder vollumfassend aufzuzählen oder mit Oberbegriffen zu kategorisieren. Hier hat FHK mit Qualitätsempfehlungen 2014[5] bereits einen umfassenden Leistungskatalog vorgelegt.

 

Die Sicherstellung Unterstützungsleistungen ist immer abhängig von einer guten Vorhaltesituation der Schutzeinrichtungen und einer Ausstattung für Öffentlichkeitsarbeit, Präventionsarbeit und Qualifizierung der Mitarbeitenden. Hier besteht Klärungsbedarf.

 

  1. Unbedingtheit des Anspruchs – Spielraum für nachträgliche Kostenbeteiligung (§ YZ Abs. 4)

Dass der Schutz und die Beratung nicht von einem finanziellen Beitrag der gewaltbetroffenen Personen oder einer Kostenzusage abhängig sein sollen, entspricht der Forderung von FHK und BAGFW. Der Zugang muss unabhängig von Einkommen und Vermögen erfolgen können.

Eine nachträgliche Kostenbeteiligung wird grundsätzlich abgelehnt, denn nicht die betroffene Person verursacht die Gewalt. Schutz und Beratung sind staatliche Aufgaben und im Rahmen der Daseinsfürsorge zu gewährleisten.

 

  1. Finanzieller Rückgriff bei der gewalttätigen Person (§ XYZ)

Auch wenn es positiv zu bewerten ist, den/die Verursacher*in vor der betroffenen Person vorrangig finanziell in Anspruch zu nehmen, ist die Umsetzung aus Sicht von BAGFW und FHK völlig unrealistisch. Die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und stellt eine Schutzpflicht des Staates dar. Ein Rückgriff auf die gewaltverursachende Person bedeutet u.U. eine erneute Gefährdung der gewaltbetroffenen Personen. Es kann Auswirkungen auf das Familienbudget haben, z.B. bei Rückkehr zum/r Verursacher*in oder durch die Kürzung der Leistungsfähigkeit bei Unterhaltsverpflichtungen sowie einen erheblichen Aufwand der Geltendmachung für Behörden.

                                                              

  1. Leistungserbringungsrecht

 

Rechtsbeziehungen – Vergütung der Leistungen

Das Leistungserbringungsrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und den freien Trägern. Es regelt, in welcher Weise die Leistungsträger die Arbeit der freien Träger finanzieren und welche Bedingungen freie Träger erfüllen müssen, um Sozialleistungen erbringen und dafür Finanzierung verlangen zu dürfen. Ziel muss eine Vollfinanzierung im sog. sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis sein. Dieses Konstrukt wird grundsätzlich von FHK und BAG FW begrüßt und sollte für die Frauenhäuser bezogen auf die Finanzierung dem treffenden Grundsatz folgen „So pauschal wie möglich, so einzelfallbezogen wie nötig.“ Für die Fachberatungsstellen ist eine pauschale Förderung für der gesamten Personal- und Sachkosten erforderlich. Bezogen auf die Finanzierung muss grundsätzlich sichergestellt werden, dass auch die indirekten Leistungen vor allem die Kosten für die Prävention und Vorhaltekosten voll finanziert werden.

 

Die im Gutachten vorgeschlagene Regelung sieht vor, dass die Anwendung des § 80 oder
§ 81 SGB XII ausgeschlossen werden kann. Das sehen BAGFW und FHK sehr kritisch. Denn vor allem der Abschluss von Landesrahmenvereinbarungen ermöglicht einen einheitlichen Rahmen für die Leistungserbringung und setzt einer mangelnden Homogenität des Frauengewaltschutzes etwas entgegen. Die Möglichkeit zur Anrufung der Schiedsstelle stellt ein Konfliktlösungsinstrument dar, durch das der Gang zu den Gerichten vermieden werden kann.

 

Niedrigschwelliges Verfahren (§ YZ Abs. 6)

Grundsätzlich positiv wird im Gutachten das Ziel der Antragstellung auf Leistungen ohne Kontakt zwischen Leistungsberechtigten und Leistungserbringer, die als Zwischenglied fungieren, eingeschätzt. Vereinbarungen nach § 75 SGB XII regeln das Verfahren nach dem Vertrauensprinzip. Die Einbindung weiterer Leistungsträger nach SGB VIII und AsylbLG, um ein vernetztes Arbeiten zu ermöglichen, wird begrüßt.

 

Um ein niedrigschwelliges Verfahren zu gewährleisten knüpft FHK als Grundlage an das Vertrauensprinzip analog SGB V an. Von FHK wurde ein mehrstufiges Verfahren vorgesehen, bei dem nach der Aufnahme in einer Clearingphase pauschaliert Leistungen erbracht werden.

 

  1. Gesetzgebungskompetenz – Verfassungs- und finanzrechtliche Aspekte

Die Befugnis zur Regelung eines Rechtsanspruchs auf Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Personen und deren Kinder kann der Bund aus seiner Zuständigkeit für die öffentliche Fürsorge (Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 Grundgesetz) herleiten. Die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung, um bundesweit gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen (Artikel 72 Absatz 2 Grundgesetz) ist aus Sicht von BAG FW und die FHK offenkundig gegeben. Spätestens seit im Juni 2012 die Wohlfahrtsverbände ein Rechtsgutachten[6] zur Frage der Zuständigkeit für die Sicherung des Schutzes von Frauen vor Gewalt vorgelegt haben, steht der Bund in der Pflicht, den effektiven Schutz von gewaltbetroffenen Frauen und deren Kindern sicherzustellen. Bereits seit dem Gutachten forderten BAG FW und FHK die Bundespolitik wiederholt auf, dass sie von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen. Die grundrechtliche Schutzpflicht für Leben, körperliche Unversehrtheit sowie die Menschenwürdegarantie verpflichten den Staat, für einen effektiven Schutz von Gewalt bedrohten und betroffenen Frauen und deren Kindern einzutreten. Es gehört zu den Besonderheiten gerade dieser Hilfeleistungen, dass die Betroffenen auch räumlich Abstand von ihren Peiniger*n bekommen und dazu Schutzeinrichtungen in anderen Gemeinden oder gar Bundesländern in Anspruch nehmen können. Einheitliche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Hilfeleistung sind über die Gemeinde- und Landesgrenzen hinweg aber nur möglich, wenn diese bundeseinheitlich geregelt sind. Dies gilt auch für den Aufbau der benötigten Schutzeinrichtungen: ein bundesweites Hilfenetzwerk bedarf einer entsprechenden Rechtsgrundlage, die unabhängig von regionalen Prioritäten Beachtung und Umsetzung verlangt.

 

Soweit das Rechtsgutachten betont, dass es eine Art „Rahmenregelung“ geben müsse, „die nicht mehr normiert, als erforderlich ist“, darf dies nicht dazu führen, dass es im Ergebnis doch bei dem bisherigen „Flickenteppich“ bleibt. BAG FW und FHK messen dem Aspekt, den Ländern Gestaltungsspielraum einzuräumen, zwar Bedeutung zu, betonen aber ausdrücklich, dass die bundesweit gleichwertige Durchsetzung von Grundrechten mit qualitativen Leistungen das Maß sein muss. Die Verwirklichung des Rechtsanspruchs für alle Betroffenen setzt voraus, dass es eine flächendeckende bedarfsgerechte Infrastruktur von Hilfeangeboten gibt. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Betroffene unabhängig von ihrem Wohnort die ihnen rechtlich zugesicherten Hilfen dort vorfinden, wo sie sie benötigen.

 


 

[1] In der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAG FW) arbeiten die sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zusammen. Ihr gemeinsames Ziel ist die Sicherung und Weiterentwicklung der sozialen Arbeit durch gemeinschaftliche Initiativen und sozialpolitische Aktivitäten.

[2] Der Verein Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) setzt sich für die Verbesserung der Lebenssituation von gewaltbetroffenen Frauen und deren Kinder ein, unterstützt und vernetzt die Frauenhäuser sowie die Hilfe- und Unterstützungseinrichtungen in der Interventionskette bei Gewalt gegen Frauen mit Materialien, Arbeitshilfen, Fachveranstaltungen. Mitglieder sind Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (AWO), Deutscher Caritasverband e.V. (DCV), Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V. (Der Paritätische), Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband e.V. und der Sozialdienst katholischer Frauen - Gesamtverein e.V. (SkF) sowie Frauenhäuser freier Träger.

[3] Das zeigen Zahlen der Kriminalstatistischen Auswertung zu Partnerschaftsgewalt des Bundeskriminalamtes. Für das Jahr 2018 meldete das Amt 140.755 Opfer von Partnerschaftsgewalt. Die Opfer wurden verletzt, bedroht, gestalkt, genötigt, eingesperrt und in 324 Fällen sogar getötet oder ermordet. In 81 Prozent der Fälle waren die Opfer Frauen. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich wesentlich höher.

[4] Erwartungen der BAGFW an die Bundespolitik in der 19. Legislaturperiode,
 „Der Rechtsanspruch auf Leistungen zu Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Personen und deren Kinder - Eine Argumentationshilfe, Frauenhauskoordinierung. 2014.,
 „Diskussionspapier von Frauenhauskoordinierung: Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt". 2017.

[5] Qualitätsempfehlungen FHK 2014 unter: https://www.frauenhauskoordinierung.de/fileadmin/redakteure/PDF/FHK_Qualitaetsempfehlungen_fuer_Frauenhaeuser_und_Fachberatungsstellen_2014_web.pdf (abgerufen 31.08.2020)

[6] „Der Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder“ Rechtsgutachten von Prof. Dr. Margarete Schuler-Harm und Prof. Dr. Joachim Wieland vorgelegt am 4. Juni 2012.