Am 17.12.2019 organisierte die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), die Fachveranstaltung „Rahmenbedingungen zur Stärkung der Sozialwirtschaft in der Europäischen Union“ in Berlin.
Unter den rund 35 Teilnehmer*innen befanden sich u.a. Vertreter*innen der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Social Startup Szene (vertreten durch SEND und Social Impact), des BMFSFJ und der EU-Kommission. Moderiert wurde die Fachveranstaltung von Herrn Dr. Christopher Bangert, Leiter des Referats Sozialwirtschaft beim Deutschen Caritasverband.
Das Grußwort wurde von Herrn Prof. Dr. Matthias von Schwanenflügel, Abteilungsleiter Demographischer Wandel, Ältere Menschen und Wohlfahrtspflege im BMFSFJ, gehalten. Er machte deutlich, dass sich die Sozialwirtschaft in Deutschland einer Vielzahl von Herausforderungen stellen müsse, da ein großer Veränderungsdruck herrsche. Themen wie die Digitalisierung und der wachsende Fachkräftemangel würden hier im Vordergrund stehen.
Die Freie Wohlfahrtspflege stelle einen wichtigen Pfeiler des deutschen Sozialstaates dar, auch im Hinblick auf ihre historische Bedeutung. Aber auch die wachsende Social Startup Szene mit ihren vielfältigen Formen, wird aus Sicht des BMFSFJ ausdrücklich als Chance für die Sozialwirtschaft gesehen. Gerade deshalb sollte laut Prof. Dr. von Schwanenflügel eine Zusammenarbeit zwischen der Freien Wohlfahrtspflege und den Social Startups stattfinden, um sich gegenseitig zu bereichern. Hier müsse man unterschiedliche Sichtweisen diskutieren und Gemeinsamkeiten herausarbeiten. Das BAGFW-Thesenpapier zur gemeinnützigen Sozialwirtschaft könne eine Grundlage darstellen sich der Zusammenarbeit zu nähern.
Im Anschluss stellte Frau Maria Loheide, Vertreterin der BAGFW-Mitgliederversammlung und Vorständin für Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, das BAGFW-Thesenpapier zur gemeinnützigen Sozialwirtschaft in Europa vor. Europäische Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft müssten so gestaltet werden, dass sie den gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung tragen würden. Hier seien verschiedene Aspekte des rechtlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Rahmens wichtig, um eine nachhaltige Stärkung der Sozialwirtschaft zu gewährleisten. Beispielsweise müsse bei dem rechtlichen Rahmen darauf geachtet werden, dass das Subsidiaritätsprinzip eingehalten und eine Stärkung des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses erreicht werde. In der finanziellen Förderung müsse man außerdem Bürokratie abbauen und weitere Verwaltungserleichterungen einführen. Eine zentrale BAGFW-Forderung sei außerdem die Anhebung der Schwellenwerte im EU-Beihilferecht. Hier lautet die Forderung die DAWI-Schwellenwerte auf 800.000 € pro Steuerjahr anzuheben. Momentan schreibt die EU einen Schwellenwert von 500.000 € in drei Steuerjahren vor. Frau Loheide wies darauf hin, dass dem wachsenden EU-Skeptizismus nur durch eine starke soziale Dimension Europas entgegengewirkt werden kann. Dies heiße auch, dass der Europäische Sozialfonds (ESF) ausgebaut werden müsse, denn er trage maßgeblich zur Überwindung sozialer Ungleichheiten bei.
In der weiteren Diskussion meldeten sich SEND und Social Impact zu Wort und plädierten für eine weitreichendere Definition der Sozialwirtschaft. Oft würden soziale Unternehmen sozialwirtschaftlich agieren, so Herr Norbert Kunz, Geschäftsführer von Social Impact, obwohl sie nicht gemeinnützig seien. Es brauche eine Begriffserweiterung und eine neue Kategorie der „gemeinwohlorientierten Dienstleistungserbringung“ in Deutschland, so Frau Katrin Elsemann, Geschäftsführerin von SEND.
Mit Blick in die Europäische Union sei die Sozialwirtschaft noch viel diverser und nicht in allen EU-Mitgliedstaaten gäbe es laut Herrn Kunz eine gemeinnützige Sozialwirtschaft. Der Dialog mit den anderen EU-Mitgliedstaaten müsse daher intensiviert werden, insbesondere da das deutsche System in Europa kaum bekannt sei.
Frau Dr. Ulla Engelmann, Referatsleiterin für Technologien, Cluster und Sozialwirtschaft in der Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission, stellte die sozialwirtschaftlichen Initiativen der neuen EU-Kommission vor. Unter anderem finanziere die EU-Kommission den European Social Economy Summit, der im November 2020 in Mannheim stattfinde und zu dem eine Vielzahl an Akteuren eingebunden würden. Dies beinhalte u.a. verschiedene Generaldirektionen der EU-Kommission, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Europäischen Ausschuss der Regionen, verschiedene nationale Regierungen und eine Vielzahl an Akteuren der Sozialwirtschaft aus der gesamten EU. Herr Jürgen Münch von der Stadt Mannheim stellte den Summit anschließend ausführlich vor. Das Programm sowie weitere Informationen stehen inzwischen unter www.EUSES2020.eu zu Verfügung.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) wurde auf der Veranstaltung durch Prof. Dr. Bernd Schlüter vertreten. Insbesondere würde man sich im EWSA mit Themen des rechtlichen und des finanziellen Rahmens der Sozialwirtschaft befassen. Die Sozialwirtschaft müsse als Teil der Wirtschaft anerkannt werden und in diesem Sinne auch stärker gefördert werden.
Die vierstündige Fachveranstaltung war durch einen interessanten Austausch der verschiedenen Akteure geprägt. Es wurde abschließend festgehalten, dass dieser Austausch fortgesetzt und intensiviert werden sollte.