Anlässlich der Verabschiedung der Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zur Stärkung der Mindestsicherung am 09. Oktober 2020 betont die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) die Notwendigkeit eines rechtsverbindlichen Rahmens für die Mitgliedstaaten. Nur wenn jeder Mitgliedstaat verpflichtet wird, ein angemessenes, befähigendes und zugängliches Mindestsicherungssystem zu schaffen, kann Armut und soziale Ausgrenzung in der Europäischen Union wirksam bekämpft werden.
Die BAGFW begrüßt, dass sich die deutsche Ratspräsidentschaft für angemessene, befähigende und zugängliche Mindestsicherungssysteme einsetzt. Mit den politischen Schlussfolgerungen fehlt es aber an Rechtsverbindlichkeit, um diesen Grundsätzen eine einklagbare Wirkung zu verleihen. Die EU kann über einen rechtsverbindlichen Rahmen europäische Mindeststandards für nationale Mindestsicherungssysteme festlegen, ohne diese zu harmonisieren. Regelungen, die über die Mindeststandards hinausgehen, bleiben den Mitgliedstaaten möglich.
Starke Mindestsicherungssysteme können Chancengleichheit, Teilhabe, Zukunftsperspektiven und ein Leben in Würde ermöglichen. Menschen werden vor verfestigter Armut und sozialer Ausgrenzung geschützt und sozialer Zusammenhalt wird gefördert.
Insbesondere die anhaltende COVID-19-Pandemie zeigt, wie wichtig die Systeme der sozialen Sicherheit sind, um wirtschaftliche und soziale Krisen, die Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen treffen, abzufedern. Grundsätzlich muss das Existenzminimum gesichert werden. Doch schon vor der Pandemie verfügten die allermeisten EU-Mitgliedstaaten über keinen ausreichenden Mindestsicherungsschutz. Lediglich wenige Mitgliedstaaten kommen einer angemessenen Mindestsicherung nahe.
Die EU könnte über einen rechtsverbindlichen Rahmen für nationale Mindestsicherungssysteme die Unterschiedlichkeit der Sozialsysteme in den Mitgliedsstaaten anerkennen, ohne diese zu harmonisieren.
Die BAGFW befürwortet gemeinsame Standards und Schwellenwerte auf europäischer Ebene, an die jeder Mitgliedstaat gebunden ist, um Armut und soziale Ausgrenzung wirksam zu bekämpfen und ersucht
- die EU-Mitgliedstaaten, die Notwendigkeit der Schaffung einer rechtsverbindlichen Rahmenrichtlinie für nationale Mindestsicherungssysteme anzuerkennen,
- die EU-Ratspräsidentschaften Portugals und Sloweniens, das Ziel der Schaffung einer EU-Rahmenrichtlinie weiter zu verfolgen,
- die Europäische Kommission, einen Richtlinienvorschlag für nationale Mindestsicherungssysteme in naher Zukunft vorzuschlagen,
- die europäische Zivilgesellschaft, sich an der gegenwärtigen und zukünftigen Diskussion zu einer Rahmenrichtlinie zu beteiligen und sich für deren Schaffung einzusetzen.