Das 90. Jahr ihres Bestehens hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege unter das Motto „Tradition und Innovation“ gestellt. Sie bringt damit einerseits ihre tiefe Verwurzelung in der deutschen Sozialgeschichte zum Ausdruck und reklamiert andererseits Modernität für sich. Die Bundesarbeits- und Sozialministerin hat die Freie Wohlfahrtspflege im Laufe des Jahres einmal als den „Markenkern des deutschen Sozialstaates“ bezeichnet. Diese Einschätzung hat sich die Freie Wohlfahrtspflege über ihr Jahrzehnte langes Engagement in allen Feldern der sozialen Arbeit aber auch durch den anderen Aspekt des Mottos, nämlich durch ihre anhaltende Innovationsfähigkeit, erworben. Interessanterweise hat die anfänglich eher wohlfahrtskritisch geführte Diskussion über die Innovationskraft der gemeinnützigen Sozialwirtschaft und ihrer Verbände zu dem Ergebnis geführt, dass ganz im Gegenteil von dort in Vergangenheit und Gegenwart, erhebliche Innovationsleistungen ausgegangen sind.
Wir haben das Jubiläum der BAGFW fast auf den Tag genau im Dezember, im Rahmen eines Festaktes, gefeiert und zwar genau an dem Ort, wo vor 90 Jahren die damalige Liga der Wohlfahrtsverbände gegründet wurde.
Das politische Jahr begann am 09.01.2014 mit dem Ersten einer Vielzahl von politischen Gesprächen, die wir mit Vertretern der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen aber auch der Opposition im Deutschen Bundestag geführt haben. Das erste Gespräch fand mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Herrn Volker Kauder, statt. Bezeichnend für das ganze Jahr war das beachtliche Interesse zentraler politischer Akteure an einer fundierten Auseinandersetzung mit der BAGFW und ihren Repräsentanten. Ein Höhepunkt in diesem Gesprächsreigen bildete ein erneutes Gespräch mit der Bundeskanzlerin, in der die Themen „Qualität in der Kinderbetreuung“, „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, „Inklusion“ und „besonders benachteiligte Gruppen im Arbeitsmarkt“ besprochen wurden.
Das Beratungs- und Debatteninteresse der Politik ergab sich u. a. auch daraus, dass die Bundesregierung nach einem etwas zögerlichen Anfang in Folge der langen Koalitionsverhandlungen zu Beginn des Jahres, mit einem großen Arbeitstempo ihre Vorhaben abzuarbeiten begonnen hatte. Da es hier viele Projekte mit einem unmittelbaren Wohlfahrtsbezug gab, war es naheliegend, sich der Beratung durch die BAGFW zu versichern. Dies galt sowohl für die Pläne des BMFSFJ im Bereich der besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege. Aber auch für die neu aufgelegte Demografiestrategie mit ihren diversen Arbeitsgruppen.
Am 4. März kam es zu einem ersten Verbändegespräch mit der Hausleitung des BMFSFJ an dem sowohl Bundesministerin Schwesig, als auch Staatssekretär Dr. Kleindiek teilnahmen. Bei diesem Auftakt wurden nahezu alle Themen angesprochen, die die Freie Wohlfahrtspflege mit ihrem „Hausministerium“ verbinden. Dabei wurde in wesentlichen Punkten ein hohes Maß an Übereinstimmung festgestellt.
Mit den Parlamentarischen Staatssekretärinnen Elke Ferner und Caren Marks gab es im Laufe des Jahres vertiefende Gespräche im jeweiligen inhaltlichen Zuständigkeitsbereich. Selbstverständlich gab es auch auf der Arbeitsebene vielfältige konstruktive Kontakte mit dem Haus.
Im Bereich des BMAS ging es uns erneut vordringlich um die Verbesserung des Angebots für Langzeitarbeitslose, die nach wie vor trotz der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt zu den benachteiligten Gruppen gehören. Dazu haben wir in verschiedenen Konstellationen Gespräche mit der Bundesministerin, Frau Andrea Nahles, und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt. Hervorzuheben ist insbesondere ein gemeinsamer Workshop mit dem BMAS unter Teilnahme der Parlamentarischen Staatssekretärin Annette Kramme zu den Möglichkeiten und Chancen eines Passiv-Aktiv-Transfers zur Finanzierung von Leistungen für Langzeitarbeitslose.
Auch die Federführung für das geplante Bundesteilhabegesetz zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland liegt beim BMAS. Dieses umfängliche und ehrgeizige Vorhaben wurde in 2014 durch das Ministerium in einem aufwändigen Konsultationsprozess, auch unter Beteiligung der BAGFW, vorbereitet. Wir haben dazu umfängliche Parallelstrukturen in der BAGFW geschaffen, um eine optimale Begleitung dieses Prozesses zu gewährleisten. Von dessen Erfolg wird abhängen, ob es in Zukunft gelingt, Teilhabe für Menschen mit Behinderungen in Deutschland neu zu definieren.
Das gemeinsame Sozialmonitoring der BAGFW mit der Bundesregierung hat in 2014 eine Fortsetzung erfahren. Diese erfolgreiche Veranstaltungsreihe gibt es seit der Einführung der Hartz-IV-Gesetze. Im Dialog den verantwortlichen Ministerien werden dabei nicht-intendierte Folgen von Gesetzen und sonstigen rechtlichen Vorgaben im sozialen Bereich besprochen und nach Möglichkeit beseitigt.
Auch die Aktivitäten des Bundesgesundheitsministeriums wurden engmaschig begleitet. Hierbei ging es insbesondere um die Begleitung des Pflegestärkungsgesetzes als erster Stufe der Pflegereform. Im Zentrum stehen Verbesserungen sowohl für die zu Pflegenden als auch für die Situation der Pflegekräfte, deren z.T. unverhältnismäßig schlechte Vergütung nach wie vor ein zentrales Problem in der Pflege darstellt. Unsere Positionierung dazu haben wir in verschiedenen Gesprächen mit dem Bundesminister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dargelegt.
Schon seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, gibt es im Pflegebereich Bemühungen zum Abbau unnötiger Bürokratie. Im Berichtszeitraum haben sich nunmehr die Aktivitäten dergestalt verdichtet, dass es hier tatsächlich zu einem merklichen Abbau von Bürokratie, insbesondere im Hinblick auf den Dokumentationsaufwand, kommen könnte. Die entsprechenden Bemühungen wurden durch die ehemalige Ombudsfrau für den Bürokratieabbau im BMG, Frau Elisabeth Beikirch, aber auch durch den neuen Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, vorangetrieben. Als BAGFW und im Rahmen der Pflegeselbstverwaltung haben wir uns intensiv an diesem Prozess beteiligt. Für die Pflegeeinrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege hat die BAGFW vier bundesweite Informationsveranstaltungen organisiert und gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband und dem bpa drei Workshops ausgerichtet, die sich mit der praktischen Umsetzung des von Frau Beikirch entwickelten Modells beschäftigt haben. Die Vorarbeiten sind nun abgeschlossen. Für den Erfolg wird es darauf ankommen, in den nächsten beiden Jahren das neue Modell flächendeckend umzusetzen.
Mit Staatssekretär Laumann konnten wir im Juni in der Nähe von Münster einen Einrichtungsbesuch vereinbaren, bei dem wir uns einerseits intensiv über den Bürokratieabbau, andererseits aber auch über das nach wie vor ebenso zentrale Wingenfeld-Projekt zum Systemwechsel in der Pflegetransparenz austauschen konnten. Letzteres ist im zurückliegenden Jahr leider nur wenig weitergekommen, was einerseits sicherlich an den umfänglichen anderen Aufgaben im Pflegebereich, aber auch an dem nachhaltigen Widerstand des MDK und der Pflegekassen liegt. Wir hoffen, dass sich hier zum Ende des Jahres, durch die Verabredungen eines gemeinsamen Modellvorhabens, eine Wende zum Besseren ergeben hat.
Im Bereich des Bundesinnenministeriums liegt die Zuständigkeit für Migration und Flüchtlinge. Auch dieses Arbeitsfeld bildete einen Schwerpunkt der BAGFW-Arbeit im zurückliegenden Jahr. In Anbetracht der starken Zunahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Deutschland ist dies sicherlich nicht verwunderlich. Wir haben dazu auch mit dem Bundesinnenminister direkt das Gespräch gesucht. Unser Hauptanliegen ist es hier, die Lebensbedingungen der Flüchtlinge zu verbessern und eine Willkommenskultur zu schaffen, die von uns als Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration von Menschen mit Migrationshintergrund angesehen wird.
Auch die mögliche Gründung eines muslimischen Wohlfahrtsverbandes spielte in den Gesprächen eine Rolle, hat uns aber auch unabhängig davon beschäftigt. Gemeinsamer Konsens ist hier, dass die Gründung eines Wohlfahrtsverbandes eine zivilgesellschaftliche Angelegenheit der Selbsthilfe und -organisation darstellt und daher von den Muslimen in Deutschland ausgehen muss.
Wieder gemeinsam mit dem Deutschen Verein haben wir Anfang März einen Parlamentarischen Abend durchgeführt, an dem mehr als 300 Gäste teilgenommen haben. Auch hier zeigte sich das große Interesse an einem Austausch und Dialog mit der Freien Wohlfahrtspflege zu den anstehenden Themen der Legislaturperiode.
Hervorzuheben ist auch die deutliche Verbesserung des Austausches mit dem Bundeswirtschaftsministerium, der in der Vergangenheit, trotz der auch volkswirtschaftlich beträchtlichen Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege, so gut wie nicht stattgefunden hat. Dazu gab es sowohl ein Verbändegespräch mit dem Bundesminister als auch die Einbeziehung der BAGFW in den von Sigmar Gabriel eingerichteten Beirat für das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika (TTIP). Die Debatte um dieses Abkommen und ein gleichartiges mit Kanada hat in der deutsch- und europäischen Zivilgesellschaft für erhebliche Aufregung gesorgt. Hier besteht vor allem die Befürchtung, dass Grundlagen der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege aber auch Grundlagen der Gemeinnützigkeit durch die Abkommen möglicherweise gefährdet werden könnten. Es haben sich hierzu im Rahmen der Zivilgesellschaft verschiedene Allianzen gebildet und bestehende Gruppierungen mit dem Thema beschäftigt, so auch im Rahmen des Bündnisses für Gemeinnützigkeit, des Bündnisses für Gemeinwohl auf europäischer Ebene und der zivilgesellschaftlichen Vertreter in dem erwähnten Beirat des BMWi.
Auch auf dem Parlamentarischen Abend der BAGFW am 19.11.2014 in Brüssel, der eigentlich den weiteren sozialen Perspektiven der EU mit dem neu gewählten Parlament und der neuen Kommission dienen sollte, spielte das Thema TTIP mindestens eine zentrale Nebenrolle.
Intern hat sich die BAGFW zu Beginn des Jahres, im Rahmen einer Klausur der Mitgliederversammlung auf eine Sicherung der Arbeitsgrundlagen der BAGFW-Geschäftsstelle verständigt. Hierbei ging es nicht nur um eine leicht erneuerte inhaltliche Ausrichtung, die inzwischen zur Schaffung der Stelle eines Grundsatzreferenten geführt hat, sondern auch um die materielle Absicherung der Arbeit, die nunmehr bis 2018 gesichert ist. Für die Zusammenarbeit der Spitzenverbände in der BAGFW und natürlich auch für die Geschäftsstelle ist dies eine wichtige Grundlage der weiteren Arbeit.
Das erfolgreiche von der Regiestelle in der BAGFW begleitete Projekt „rückenwind“ für die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft, soll in der neuen Förderperiode des ESF durch ein „rückenwind II-Projekt“ ergänzt werden. Dessen Schwerpunkte sind neben der Personalentwicklung auch die Organisationsentwicklung von Unternehmen der Sozialwirtschaft. Dazu wurden im Laufe des Jahres entsprechende Vorgespräche mit dem BMAS geführt, die zu einem nahtlosen Anschluss an das alte Projekt führen soll. In dessen Rahmen wurden insgesamt 131 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 60 Mio. Euro erfolgreich abgewickelt.
Das seit 2003 bei der BAGFW angesiedelte Qualitätsmanagement-Projekt wird in der bisherigen Form nicht weitergeführt. Dies ist nicht zuletzt Ausdruck des Erfolges dieses Projektes, dem es gelungen ist, den Qualitätsgedanken nicht nur in der BAGFW zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen, sondern auch in den Spitzenverbänden fest zu verankern.
Die erhebliche Arbeitslast des Jahres schlägt sich auch in der Zahl von Stellungnahmen und Positionspapieren nieder, die mit 38 zeigt, mit welcher Intensität und mit welchem Arbeitsaufwand an den diversen Fragestellungen und Vorhaben gearbeitet wurde.
Dies gibt mir Anlass allen Menschen in den Spitzenverbänden und in der Geschäftsstelle der BAGFW für ihre sehr gute Arbeit und ihr hohes Engagement zu danken, ohne das die hohe Arbeitsdichte des letzten Jahres nicht zu bewältigen gewesen wäre.