Vorbemerkung:
Die Wohlfahrtsverbände sehen es als dringlich an, die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets bedarfsgerecht weiterzuentwickeln und bürokratische Hürden abzubauen, damit die Leistungen besser bei Kindern und Jugendlichen ankommen.
Es werden insbesondere folgende konkrete Ansatzpunkte gesehen:
· Bundesweiten Globalantrag einführen
Zur Verwaltungsvereinfachung und einfacheren Gewährleistung von Bildungs- und Teilhabeleistungen wäre es sehr sinnvoll, dass diese gleichzeitig mit der Beantragung von Arbeitslosengeld II (Alg II) bundeseinheitlich durch einen sogenannten Globalantrag dem Grunde nach beantragt werden. Bisher werden nur die Leistungen für den Schulbedarf ohne gesonderten Antrag gewährt. Von der Möglichkeit, Globalanträge oder ähnliche Ansätze zu verfolgen, machen manche Kommunen Gebrauch, andere nicht. Die Einführung eines Globalantrags trägt nach Erfahrung aus Kommunen, die entsprechende Regelungen bereits getroffen haben, deutlich dazu bei, den ungleichen Nutzungsgrad bei den einzelnen BuT-Leistungen abzubauen und Bildung und Teilhabe aller Kinder sicherzustellen. Auch junge Flüchtlinge könnten von dieser Regelung besonders profitieren, weil es für sie besonders schwierig ist, von dem in der Regel antragsabhängigen Ansprüchen, Kenntnis zu erhalten und diese geltend zu machen.
· Antragserfordernis auf persönlichen Schulbedarf bei Kinderzuschlag und Wohngeld (§ 9 Abs. 3 BKKG)
Die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf sollte auch für Leistungsberechtigte von Kinderzuschlag und Wohngeld ohne gesonderten Antrag erbracht werden. Es ist nicht sachgerecht, dass Bezieher/-innen von Kinderzuschlag und Wohngeld die Leistungen für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf – anders als bei den Leistungsberechtigten nach SGB II und XII – gesondert beantragen müssen.
· Die Höhe des Schulbedarfspaketes ist unzureichend und muss korrigiert werden
Die Höhe des Schulbedarfspaketes ist mit derzeit 100 Euro deutlich zu niedrig angesetzt, wie u. a. eine aktuelle Studie des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Evangelischen Kirche im Auftrag der niedersächsischen Diakonie und der hannoverschen Landeskirche zeigt. Pro Schuljahr fielen im Durchschnitt Kosten in Höhe von mindestens 150 Euro an. Je nach Jahrgangsstufe schwanken die durchschnittlichen Schulbedarfskosten pro Schuljahr stark. Am höchsten sind die Kosten im Einschulungsjahr, weil dann z. B. Ranzen, Hefte und Schreibsachen erstmals angeschafft werden müssen. Dafür fallen den Berechnungen zufolge 300 Euro an. Wechselt das Kind nach der fünften Klasse an eine weiterführende Schule, wird es mit rund 350 Euro sogar noch etwas teurer. (siehe <link https: www.landeskirche-hannovers.de evlka-de presse-und-medien nachrichten>www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/presse-und-medien/nachrichten/2016/01/2016_01_25_2)
· Flüchtlingskinder nicht von der Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf ausschließen
Die Regelungen über den Pauschbetrag für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf sind stichtagsbezogen. Nach herrschender Auffassung ist hier keine Ausnahme vorgesehen. Flüchtlingskinder mit Anspruch auf SGB II-Leistungen, die nach diesen Stichtagen erstmals in Schulklassen integriert werden, können somit nicht den Pauschbetrag erhalten. Es wird angeregt, die Regelung in § 28 Absatz 3 SGB II mit einer Öffnungsklausel entsprechend § 34 Absatz 3 SGB XII zu versehen.
· Gesetzliche Verankerung der Fahrkosten zu den Teilhabeleistungen
Die Erstattung der Fahrkosten zur Inanspruchnahme der Leistungen zur Bildung und Teilhabe sollte gesetzlich geregelt werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits in seinem Urteil vom 23. Juli 2014 klargemacht, dass Bildungs- und Teilhabeangebote für die Bedürftigen auch tatsächlich ohne weitere Kosten erreichbar sein müssen. Die Norm des § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II berücksichtigt auch weitere mit dem Bildungspaket zusammenhängende tatsächliche Aufwendungen. Sie ist als Ermessensvorschrift ausgestaltet und zielt vorrangig auf die Finanzierung der nötigen Ausrüstung ab. Die Vorschrift ist jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, wonach auch ein Anspruch auf Fahrkosten zu derartigen Angeboten besteht.
· Die Teilhabeleistungen sind der Höhe nach an sich zu niedrig bemessen und müssen deshalb angepasst werden. Sie sollten nicht in einem abschließenden Katalog geregelt werden.
Die Leistungsart Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben geht mit 10 Euro monatlich völlig an der Realität vorbei und entfaltet entsprechend begrenzt Wirkung. So haben nach dem Zweiten Zwischenbericht zur Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe vom Juli 2015 nur 12 % der in die Längsschnittbefragung PASS einbezogenen Kinder und Jugendlichen unter 18 im Jahr 2013 ihren Anspruch auf diese Leistung realisiert. Die jährliche Bereitstellung von bis zu 120 Euro ist nicht ausreichend, wenn ein Kind z. B. in mehr als einem Verein Mitglied ist, oder Sportbekleidung und Ausrüstungsgegenstände finanziert werden müssen. Von Ferienfreizeiten werden Kinder tageweise abgemeldet, wenn kostenpflichtige Ausflüge stattfinden, individuelle Freizeitaktivitäten, wie ein Schwimmbadbesuch mit der Familie, werden nicht abgedeckt. Die Problematik entsteht dadurch, dass der 10-Euro-Pauschale für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben keine Bedarfsermittlung zugrunde liegt. Tatsächlich lassen sich diese Bedarfe auch schwer pauschalieren, sodass immer auch Einzelfallentscheidungen möglich sein sollten, um tatsächliche Kosten zu decken. Hierfür sollte dann nachgewiesen werden, dass ansonsten keine Teilnahme möglich ist, etwa, wenn neben dem Vereinsbeitrag die Ausrüstung anfällt.
· Ausweitung der Schüler-Lernförderung (Nachhilfe)
Ein Anspruch auf Lernförderung besteht derzeit nur, sofern absehbar ist, dass das wesentliche Lernziel (in der Regel die Versetzung) nach Bestätigung der Schule erreicht werden kann. In der Praxis führt das mancherorts zu der paradoxen Situation, dass Lernförderung nur im 2. Halbjahr gewährt wird. Sowohl eine frühzeitige Lernförderung sowie eine Nachhilfe mit dem Ziel der Notenverbesserung oder zum Erreichen eines bestimmten Schulabschlusses für eine bessere Schulartempfehlung scheiden damit aus. Ebenfalls nicht möglich ist eine Förderung in solchen Fällen, in denen eine Versetzung unrealistisch erscheint. Nach Ansicht der BAGFW darf der Zugang zu Nachhilfeunterricht nicht an die Bedingung einer Versetzungsgefährdung gebunden sein. Die Voraussetzungen für eine außerschulische Förderung durch Nachhilfe müssen vielmehr deutlich gelockert werden, damit o. g. Lernziele mit der Nachhilfe unterstützt werden können. Gerade bei Schülern mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Schichten ist eine weitergehende Bildungsunterstützung unabdingbar.
· Streichung des Eigenanteils von einem Euro je Schultag bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung
Die Wohlfahrtsverbände fordern den Eigenanteil von einem Euro je Schultag bei der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung zu streichen (§ 5a Nr. 3 ALG II-V i.V.m.
§§ 6, 9 RBEG) Bei der Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung wird derzeit ein Eigenanteil von einem Euro je Schultag berücksichtigt. In der Praxis entsteht ein sehr hoher Verwaltungsaufwand zur Abrechnung des Eigenanteils. Die damit verbundenen Verwaltungskosten zur Geltendmachung und Einziehung stehen in keinem mehr sinnvoll zu begründenden Verhältnis zu dem geringen Betrag.
Best Practice Beispiele aus den Regionen, hier das Modellprojekt des Lübecker Bildungsfonds:
Gemeinsam mit dem Jobcenter konnte die Hansestadt Lübeck eine unkomplizierte Struktur aufbauen, um Kindern und Jugendlichen unbürokratisch Unterstützung anzubieten. Einen einfachen, einseitigen Antrag auf Unterstützung stellen die Eltern in der Schule oder der Kita ihrer Kinder. Schulleitung bzw. Kita-Leitung entscheiden über den Antrag.
Das gelingt dadurch, dass jede Kita / jede Schule über ein Budget verfügt, dies als Vorschuss eingesetzt wird und die benötigte Leistung vorfinanziert. Leistungen, die aus dem BuT refinanziert werden können, rechnet die Stadt mit dem Jobcenter und dem Bereich Soziale Sicherung ab.
Dort, wo das BuT nicht greift, zahlt der Bildungsfonds die benötigten Gelder. So können z. B. auch ein Musikinstrument oder Kosten für die Sportausstattung abgerechnet werden.
Seit 2008 tragen Kommune, Land, Wirtschaftsunternehmen sowie ein Lübecker Stiftungsverbund gemeinsam den Lübecker Bildungsfonds. Im Jahr 2013 wurden insgesamt rund 3,7 Millionen Euro in den Fonds eingezahlt.
Unterstützung beantragen können Familien, die Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe beziehen, ein ermäßigtes Betreuungsentgelt in Kitas bezahlen, Wohngeld erhalten, oder ihren Kindern wichtige Bildungsangebote finanziell nicht ermöglichen können.