Beitrag der BAGFW (Reg.-Nr.: 9737622425-76) und der AG SBV zum Konsultationspapier Finanzielle Eingliederung – Ein Konto für Jedermann

Die in der BAGFW zusammenarbeitenden Wohlfahrtsverbände sind seit Jahren in der Beratung von überschuldeten Personen tätig.

Die in der BAGFW zusammenarbeitenden Wohlfahrtsverbände sind seit Jahren in der Beratung von überschuldeten Personen tätig. Nach der letzten Statistik von 2004 unterhalten die Verbände bundesweit 669 Beratungsstellen mit ca. 1700 Mitarbeitenden.

 

Gemeinsam mit der Dachorganisation der Verbraucherzentralen (vzbv) und der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG-SB) haben sich die Wohlfahrtsverbände seit Anfang der 90er Jahre zur Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) zusammengeschlossen mit dem Ziel,

 

-       die fachliche Arbeit der Schuldnerberatung durch planmäßige Information, Beratung und Abstimmung zwischen den Mitgliedern zu fördern

-       verbandsübergreifende Belange der Schuldnerberatung auf Bundesebene durch Zusammenarbeit in zentralen Angelegenheiten mit Bund, Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, weiteren Institutionen der öffentlichen Verwaltung und sonstigen Verbänden und Einrichtungen zu unterstützen

-       an Gesetzgebungsverfahren durch Anregungen und Stellungnahmen mitzuwirken

-       die internationale Zusammenarbeit durch Kooperation mit internationalen Organisationen und Gremien zu fördern

-       Aus-, Fort- und Weiterbildung auf Bundesebene zu unterstützen

-       mit Wissenschaft und Forschung zusammenzuwirken sowie

-       Fachtagungen auf Bundesebene durchzuführen

 

In der AG SBV arbeiten mit Gaststatus der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag mit.

Link: <link http: www.agsbv.de>www.agsbv.de

 

Auf der Grundlage einer Stellungnahme der AG SBV zum Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlungen des Zentralen Kreditausschusses zum Konto für Jedermann vom 3. September 2008 (Anlage) nimmt die BAGFW zu dem Konsultationspapier wie folgt Stellung:

 

Frage 1:        Teilen Sie das globale Ziel der Kommission, dass jeder EU-Bürger bzw. EU-Gebietsansässiger ab einem bestimmten Datum Zugang zu einem regulären Bankkonto haben sollte? Wie könnten die Hauptherausforderungen zur Erreichung dieses Ziels aussehen?

 

Das Ziel des Zugangs zu einem regulären Bankkonto wird von uns unterstützt. Durch die Einführung eines „Rechtes auf ein Girokonto“ würde ein einklagbarer Rechtsanspruch entstehen. Der Kunde hätte die Möglichkeit, eine unabhängige Instanz einzuschalten, deren Entscheidungen verbindlich wären und von ihm rechtlich durchgesetzt werden könnten. Für eine gesetzliche Regelung spricht, dass die Bankenwirtschaft von sich aus wenig Ansporn gezeigt hat, ihre eigene, in der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) ausgesprochene Selbstverpflichtung verbindlich umzusetzen. Den betroffenen Kunden werden die notwendigen Informationen vorenthalten, die diese für die Formulierung einer Beschwerde benötigen. Die Entscheidungen der Beschwerdestellen sind für die Bankenseite  nicht verbindlich, was zur Folge hat, dass einige Institute die kundenfreundlichen Beschwerdeentscheidungen einfach ignorieren.

 

Es genügt nicht, einen Rechtsanspruch auf ein Guthabenkonto zu schaffen, sondern das Konto für Jedermann muss ohne Diskriminierung zu den üblichen Bedingungen und üblichen Kontoführungsentgelten bereitgestellt werden.

 

Soweit Kreditinstitute heute Guthabenkonten zur Verfügung stellen, schränken diese nicht selten die Möglichkeiten des Kontoinhabers im Vergleich zu sonstigen Konten ein. So wird die Einrichtung von Daueraufträgen oder die Teilnahme am Lastschriftverkehr abgelehnt. Teilweise werden in speziellen Situationen Überweisungen im Rahmen des verfügbaren Guthabens abgelehnt und der Kontoinhaber auf eine Auszahlung und kostenintensive Barüberweisung verwiesen. Ein Konto mit derart eingeschränkten Möglichkeiten kann die angestrebte und erforderliche Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht gewährleisten und ist abzulehnen.

 

Frage 2:        Stimmen Sie der Darstellung der Ursachen und der Folgen der finanziellen Ausgrenzung zu? Bringen Sie bitte weitere Informationen bei, falls vorhanden.

 

Ursachen von finanzieller Ausgrenzung sind Armut und Überschuldung. Diese schränken gesellschaftliche Teilhabe ein. Finanzielle Teilhabe ist heute ein wesentlicher Bestandteil gesellschaftlicher Teilhabe. Unabdingbare Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist deshalb der Zugang zu einem Bankkonto.

 

 

Somit liegt das Zugangshemmnis nicht - wie in 4.2. des Konsultationspapiers beschrieben - in dem Misstrauen gegenüber Bankinstitutionen, sondern in dem verweigerten Zugang zu einem Bankkonto. Hinzu kommt, dass die fehlende Transparenz und die Komplexität der Finanzprodukte in unserer heutigen Gesellschaft die Bürgerinnen und Bürger oftmals überfordert, dies zeigt auch die gegenwärtige Finanzkrise.

 

Die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Gesamtheit der Bevölkerung sind enorm. Finanzielle Ausgrenzung wirkt sich auf alle Bereiche des Lebens aus. Aus den Erfahrungsberichten der Praxis geht hervor, dass das Fehlen eines Girokontos vielfach dauernde Arbeitslosigkeit nach sich zieht. Für die Zahlungen von Arbeitslosengeld II und später dann Grundsicherung im Alter muss die Allgemeinheit einstehen. Dass die fehlende Bereitschaft zur Führung von Girokonten auch Existenzgründer betrifft, die versuchen durch Eigeninitiative ihrer Arbeitslosigkeit zu entgehen, verschärft dieses Problem. Insgesamt wird durch die beschriebene Situation die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unmöglich.

 

Vor mehr als 13 Jahren hat der Zentrale Kreditausschuss - nicht zuletzt vor dem Hintergrund entsprechender Gesetzgebungsinitiativen - seine Mitgliedsverbände dazu aufgerufen, „Girokonten für jedermann“, d.h. Konten, die auf Guthabenbasis ohne Überziehungskredit geführt werden, auf Anfrage zu eröffnen. Die Kreditinstitute erklärten in der Empfehlung ihre Bereitschaft, für jede Bürgerin und jeden Bürger in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch ein Girokonto zu führen, und zwar unabhängig von Art und Höhe ihrer Einkünfte.

 

Hintergrund war das Bekanntwerden einer Vielzahl von Fällen, in denen es zu Problemen bei der Eröffnung bzw. Kündigung von Girokonten gekommen war. Seitdem ist die Situation für die (potenziellen) Kontoinhaber jedoch in weiten Teilen unbefriedigend geblieben. Noch immer wird die Führung von Guthabenkonten systematisch erschwert oder verweigert. Dies sind keine Einzelfälle. Nach wie vor werden bestehende Guthabenkonten, insbesondere bei Eingang von Kontenpfändungen oder nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, in dem das kontoführende Kreditinstitut nicht Insolvenzgläubiger ist, gekündigt.

 

Eine große Zahl von betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern leidet unverändert an den vielfältigen Folgen des Ausschlusses vom bargeldlosen Zahlungsverkehr, die seit dem Jahre 2000 in nunmehr bereits vier Stellungnahmen der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) in den wichtigsten Auswirkungen beschrieben wurden:

 

-       Arbeitgeber verlangen von Arbeitnehmer/innen den Nachweis einer Kontoverbindung, da Lohn oder Gehalt nur bargeldlos gezahlt werden.

-       Vermieter verlangen vom Mieter die Erteilung einer Einzugsermächtigung für dessen Konto, um die pünktliche Zahlung der Miete zu gewährleisten.

-       Ähnliche Vorgehensweisen sind auch für andere Dienstleister typisch (Telekommunikationsanbieter, Versicherer). Der Bundesgerichtshof erachtet entsprechende Vertragsklauseln mit dem Hinweis darauf, dass ein Girokonto heute selbstverständlich geworden ist, als zulässig.

 

 

-       Vielfach können günstige Tarife nicht wahrgenommen werden, da deren Abschluss mit der Verpflichtung zur Erteilung einer Einzugsermächtigung verbunden ist. Dies betrifft insbesondere die Energieversorgung, aber auch den Abschluss von Telekommunikationsverträgen.

-       Bareinzahlungen und Baranweisungen sind mit überdurchschnittlich hohen Gebühren (-abschlägen) für den kontolosen Schuldner verknüpft, da allein für monatlich wiederkehrende Zahlungsvorgänge, wie Mietzahlung, Zahlung der Energie- und Heizkosten, die Zahlung von Versicherungsbeiträgen usw., Mehrkosten von 40,-- bis 80,-- Euro pro Monat entstehen.

-       Den Empfängern/innen von Arbeitslosengeld (ALG I und II) ohne eigene Kontoverbindung zieht der Leistungsträger die Gebühr für Überweisungen dann gleich im Vorwege von der gesetzlich normierten Leistung ab, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie ohne eigenes Verschulden kontenlos sind. Bei Bezug von ALG II erhalten die Betroffenen wegen der Kontolosigkeit daher weniger als das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum.

-       In einigen Bundesländern, unter anderem Hessen und Nordrhein-Westfalen, ist die Anmeldung eines Kfz nur gegen die Erteilung einer Einzugsermächtigung für die Kfz-Steuer möglich. Das heißt: ohne Konto kein Auto.

 

Erfahrungsberichte von Schuldnerberater/innen und Verbraucherschützer/innen aus dem gesamten Bundesgebiet belegen, dass trotz jahrelanger Bemühungen eine flächendeckende Versorgung der gesamten Bevölkerung mit einem Girokonto auf Guthabenbasis noch immer nicht gewährleistet ist. Nach wie vor werden Personen, deren Kontoführung aufgrund von Pfändungsmaßnahmen für die Kreditinstitute belastend geworden ist, von einer Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr zur Regelung ihrer Alltagsgeschäfte ausgeschlossen.

 

Festzuhalten bleibt, dass trotz der unwidersprochenen Notwendigkeit, im heutigen Leben am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen zu können, Bürger und Bürgerinnen mit niedrigem Einkommen oder gar Schulden auch 13 Jahre nach Formulierung der ZKA-Empfehlung vollständig auf das Wohlwollen der Kreditinstitute angewiesen sind, wenn sie ein Konto auf Guthabenbasis erhalten wollen.

 

Erfahrenen Schuldnerberatern/innen drängt sich der Eindruck auf, dass gerade diejenigen Bürger und Bürgerinnen, die lediglich Arbeitslosengeld II oder andere Sozialleistungen beziehen, als Kunden nicht gerne gesehen und so weit als möglich abgewiesen werden. Ebenso haben sie den Eindruck, dass einzelne Kreditinstitute seit Jahren ganz bewusst gegen die ZKA-Empfehlung verstoßen, darauf vertrauend, dass sich die Betroffenen nicht wehren. Neben der direkten Kündigung oder Verweigerung von Guthabenkonten wird dieses Ziel häufig durch Kostendruck erreicht oder durch eine derart weitgehende Einschränkung der Leistungen, dass nicht einmal mehr Überweisungen von dem Guthabenkonto getätigt werden können und daher wiederum auf die teuren Barüberweisungen zurückgegriffen werden muss.

 

 

Festzuhalten bleibt, dass trotz der unwidersprochenen Notwendigkeit, im heutigen Leben am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen zu können, Bürger und Bürgerinnen mit niedrigem Einkommen oder gar Schulden weiterhin auf das Wohlwollen der Kreditinstitute angewiesen sind, wenn sie ein Konto auf Guthabenbasis erhalten wollen. Die Einschätzung in Ziffer 4.3. des Konsultationspapiers wird geteilt.

 

Frage 3:        Denken Sie, dass es möglich ist, das legitime Ziel eines Finanzdienstleisters, und zwar das Streben nach Profit, mit einer eventuellen sozialen Verpflichtung gegenüber ausgegrenzten Gruppen zu verbinden? Sollten sich Finanzdienstleister stärker sozial in der Gesellschaft engagieren, insbesondere wenn es um die Bekämpfung der finanziellen Ausgrenzung geht?

 

Nach Bekunden der Banken ist die Führung von Guthabenkonten trotz fehlendem Ausfallrisiko und mangelnder Verzinsung der Einlagen wirtschaftlich nicht interessant. Unabhängig davon, ob dies zutrifft oder die Ablehnung von Guthabenkonten in der jeweiligen Geschäftspolitik liegt, die auf eine andere Kundschaft abzielt, ist es eine allein betriebswirtschaftliche Entscheidung, die Einrichtung und Führung von Guthabenkonten zu vermeiden. Aus gesellschaftspolitischen und lebenspraktischen Erwägungen ist es aber unabdingbar, allen den Zugang zu einem Girokonto zu ermöglichen. Erforderlich ist eine verantwortliche Kreditwirtschaft, die transparent und verständlich ihre Finanzprodukte erstellt und mit diesen fair umgeht.

 

Es kann nicht akzeptiert werden, dass einzelne Banken oder Bankfilialen versuchen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, indem sie weniger lukrative Kunden auf die übrigen Kreditinstitute verweisen. Jahrelange Erfahrungen der Schuldnerberater/innen zeigen, dass Guthabenkonten erst dann eröffnet bzw. Kündigungen zurückgenommen werden, wenn eine Beratungsstelle sich einschaltet und notfalls mit einem Ombudsverfahren droht. Dass dies erklärte Geschäftspolitik sei, bestätigen vertrauliche Mitteilungen von Bankenmitarbeitern.

 

Die möglichen finanziellen Nachteile verteilten sich gerechter, wenn die Voraussetzungen zur Einrichtung und Führung von Guthabenkonten für alle Kreditinstitute in gleicher Weise verpflichtend wären.

 

Frage 4:        Werden Ihrer Erfahrung nach freiwillige Verhaltenskodizes in den Fällen, in denen sie vorhanden sind, gut angewandt?

 

Nein, siehe zu den Details Antwort zu Frage 1

 

Bereits im Jahr 2000 stellte die Bundesregierung in ihrem Bericht zum „Girokonto für Jedermann“ (BT-Drucksache 14/3611 vom 19. 6. 2000) fest, dass mit der Einrichtung von Guthabenkonten trotz einiger Fortschritte immer noch Probleme bestünden und eine Initiative zu ergreifen sei, „um die Kreditinstitute dauerhaft und in jedem Einzelfall konsequent zur Einhaltung der ZKA-Empfehlung zu bewegen“.

 

 

Im Jahr 2006 muss sie schließlich feststellen,

 

„dass sich die Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses aus dem Jahr 1995 in der Praxis nicht in dem gewünschten Umfang bewährt hat“

und dass

 

„trotz der aktuell unbefriedigenden Datenlage Parameter (…) existieren, die zumindest dafür sprechen, dass das Problemfeld der Bürgerinnen und Bürger, die unverschuldet kein Girokonto haben, im Berichtszeitraum nicht signifikant abgenommen und sich damit nicht auf für Handlungsoptionen redundante Einzelfälle zurückentwickelt hat. (...) Das Problem besteht damit ungeschmälert weiter.“

 

Die von der AG SBV eingeholten Erfahrungsberichte zeigen, dass sich an der dargestellten Sachlage für die betroffenen Bürger und Bürgerinnen nichts geändert hat. Dies verwundert nicht, da nach wie vor keine fühlbaren Anstrengungen unternommen wurden, die zahlreichen Anregungen der Bundesregierung sowie des Deutschen Bundestages in seinen einschlägigen Entschließungen, insbesondere aus den letzten Jahren, in die Praxis umzusetzen.

 

So hat der Deutsche Bundestag z.B. in seiner Entschließung vom 31. 01. 2002 (BT-Drucksache 14/5216) die Einrichtung von Beschwerdestellen angeregt. Diese Anregung wurde von der Kreditwirtschaft auch aufgegriffen. Die Einrichtung solcher Stellen nutzt jedoch wenig, wenn die Betroffenen von ihrer Existenz nichts erfahren.

 

Um diese Situation zu verbessern, forderte der Bundestag mit seiner Beschlussempfehlung vom 30. 06. 2004 die Bundesregierung (BT-Drucksache 15/3274) auf,

1. (…)

 

2. sich dafür einzusetzen, dass die Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft dahin gehend ergänzt wird, dass die Kündigung von Girokonten und die Ablehnung eines beantragten Girokontos schriftlich begründet und auf die Möglichkeit der kostenlosen Inanspruchnahme einer Schlichtungsstelle deutlich hingewiesen wird;

 

3. darauf hinzuwirken, dass die Schlichtungsstellen sämtliche Beschwerden von Kunden über die Ablehnung oder Kündigung von Girokonten entgegennehmen. Unabhängige Personen sollen diese zeitnah prüfen. Die Schlichtersprüche sollen in geeigneter Form veröffentlicht werden.

 

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) hat im Rahmen einer Stichprobe bei Schuldner- und Verbraucherberatungsstellen in 2005 überprüft, ob die Kreditwirtschaft die Beschlussempfehlung des Bundestages aufgegriffen hat. Die Ergebnisse machten deutlich, dass die Umsetzung der „ZKA-Empfehlung“ nach wie vor unbefriedigend blieb und es sich dabei keineswegs nur um Einzelfälle handelte. Diese Situation besteht auch heute noch – rund 4 Jahre nach der Entschließung - weiter fort.

 

 

Frage 5:        Sollten alle Dienstleister verpflichtet werden, allen Bürgern in der EU reguläre Bankkonten anzubieten?

 

Ja, siehe im Übrigen Antwort zu Frage 1.

 

Eine gesetzliche Regelung sollte aber Ausnahmen für Fälle der Unzumutbarkeit ermöglichen.

 

Frage 6:        Sollten diese Bankkonten auf einer kommerziellen Basis oder auf einer Basis ohne Erwerbscharakter angeboten werden, d.h. kostenlos sein? Falls Sie letztere Option bevorzugen, würden Sie dann die Kosten tragen?

 

Die Empfehlung des ZKA sieht vor, dass alle Kreditinstitute, die Girokonten für alle Bevölkerungsgruppen führen, für jede/n Bürgerin/Bürger in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch ein Girokonto bereit halten. Der Kunde erhält dadurch die Möglichkeit zur Entgegennahme von Gutschriften, zu Barein- und -auszahlungen und zur Teilnahme am Überweisungsverkehr. Überziehungen braucht das Kreditinstitut nicht zuzulassen. Jedem Institut ist es freigestellt, darüber hinausgehende Bankdienstleistungen anzubieten.

 

Die Bereitschaft zur Kontoführung ist grundsätzlich gegeben, unabhängig von Art und Höhe der Einkünfte, z. B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe. Eintragungen bei der Schufa, die auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Kunden hindeuten, sind allein kein Grund, die Führung eines Girokontos zu verweigern.

 

Das Kreditinstitut ist nicht verpflichtet, ein Girokonto für den Antragsteller zu führen, wenn dies unzumutbar ist.

 

Die auf offensichtliche Fälle der Unzumutbarkeit zu begrenzenden Ablehnungsgründe sollten auf solche Gründe begrenzt werden, die sich objektiv – und damit im Zweifelsfall gerichtlich ohne größeren Aufwand – feststellen lassen:

 

-       der Missbrauch der Leistungen des Kreditinstituts durch den Kunden (Unzumutbarkeitsgrund Nummer 1 der ZKA-Empfehlung),

-       die grobe Belästigung von Mitarbeitern des Kreditinstituts durch den Kunden beziehungsweise deren Gefährdung durch ihn (Unzumutbarkeitsgrund Nummer 3 der ZKA-Empfehlung)

-       die zwölfmonatige umsatzlose Kontoführung (Auszug aus Unzumutbarkeitsgrund Nummer 4 der ZKA-Empfehlung).

 

Aus den Ausführungen lässt sich schließen, dass es primär darauf ankommt, einen diskriminierungsfreien Zugang und eine diskriminierungsfreie Führung eines Girokontos zu ermöglichen. Ergänzend ist festzuschreiben, dass auch die üblichen Konditionen anerkannt und (nur) die üblichen Entgelte gezahlt werden müssen, die für alle Kunden des jeweiligen Finanzdienstleistungsinstituts zur Kontoführung gelten.

 

 

Frage 7:        Könnte die Rolle der alternativen kommerziellen Anbieter und der Finanzdienstleister ohne Erwerbscharakter bei der Bekämpfung der finanziellen Ausgrenzung verstärkt werden? Was könnte getan werden, dass noch mehr derartige Dienstleister reguläre Bankkonten zur Verfügung stellen?

 

Wir sehen keine Lösung in der Schaffung eines "Zweiten Marktes", der diejenigen mit Dienstleistungen versorgt, die vom "Ersten, regulären Markt" - da für die Anbieter unrentabel - ausgegrenzt werden. Es muss auch befürchtet werden, dass ein Zurück in den "Ersten Markt" nicht mehr ermöglicht wird. Es muss daher klares sozialpolitisches Ziel sein, dass allen Bürger/innen der diskriminierungsfreie Zugang zum "Ersten Markt" eröffnet wird bzw. bleibt.

 

Frage 8:        Sollten die Regulierungsbehörden gehalten sein, die Auswirkungen der Rechtsvorschriften auf die von der finanziellen Ausgrenzung bedrohten Gruppen mit zu berücksichtigen?

 

Dies setzt die Schaffung von Rechtsvorschriften - hier eines Rechts auf ein Girokonto - voraus.

 

Frage 9:        Wie können sich die öffentlichen Behörden am wirksamsten an der Bekämpfung der finanziellen Ausgrenzung beteiligen? Indem sie z.B. das Bewusstsein für das Problem schärfen, die Wirksamkeit der bereits umgesetzten politischen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die finanzielle Eingliederung bewerten, Marktinitiativen fördern und unterstützen, zur Erbringung von Finanzdienstleistungen beitragen, für das Problem sensibilisieren, in Fällen der Ausgrenzung intervenieren (z.B. mittels Steuerinitiativen, Subventionen oder öffentliche Strafen) oder neue Rechtsvorschriften einführen?

 

Die in der Fragestellung gemachten Vorschläge sind durchaus hilfreich, um dem Ziel, allen EU-Bürgern zu einem bestimmten Datum einen angemessenen Zugang zu einem Bankkonto auf Guthabenbasis zu garantieren, näher zu kommen.

 

Die Erfahrungen der Schuldnerberater/innen zeigen jedoch, dass die Bankenwirtschaft seit der Verabschiedung der ZKA-Empfehlung im Jahr 1995 bis heute weder bereit noch in der Lage war, die eigene Empfehlung flächendeckend umzusetzen. Alle Versuche der Einflussnahme durch beteiligte Behörden, Parteien und betroffene Organisationen haben dies bis heute nicht nachhaltig geändert. Daher kann hier nur eine gesetzliche Lösung helfen. Kreditinstitute, die sich dann gesetzeswidrig verhalten, sollten mit einer empfindlichen Geldbuße belegt werden können.

 

Es sei abschließend darauf hingewiesen, dass Bildung in diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung ist. Insbesondere junge Menschen müssen geschult werden, kompetent mit Finanzdienstleistungen umzugehen.

 

 

 

Frage 10:      Sollte das Thema der finanziellen Eingliederung auf EU-Ebene behandelt werden? Wie könnten die Zuständigkeiten und die Kompetenzen zwischen der nationalen und der EU-Ebene aufgeteilt werden? Wie könnte/sollte die Rolle der Kommission aussehen?

 

Eine Regelung auf EU Ebene ist sinnvoll, zumal es sich gezeigt hat, dass freiwillige Instrumente häufig nicht greifen. Die EU könnte die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen, um den Zugang zu einem Girokonto zu ermöglichen. Dabei könnte ein schrittweises Vorgehen angebracht sein: Mitteilung mit Aufforderung an Mitgliedstaaten zur Selbstverpflichtung oder zur Schaffung gesetzlicher Regelungen, Verabschiedung europaweiter legislativer Maßnahmen.

 

Im Bereich der sozialen Eingliederung wird das Instrument der Offenen Methode der Koordinierung genutzt, um gemeinschaftliche Zielsetzungen zu verwirklichen. Es könnte darüber nachgedacht werden, ob der Prozess, wie er etwa für den Zugang zu qualitativ hochwertigen Sozialdienstleistungen vorgesehen ist, auch auf Finanzdienstleistungen anwendbar ist. Sinnvoll einsetzbar wäre die OMK zum Beispiel zur Verbesserung der Transparenz von Finanzdienstleistungen.

 

Frage 11:      Was könnte die Kommission tun, um mögliche Schwierigkeiten bei der grenzübergreifenden Eröffnung regulärer Bankkonten zu beheben?

 

Die Kommission weist in ihrer Einleitung zum Konsultationspapier darauf hin, dass eine Großzahl von Bürgern finanziell ausgegrenzt sei und Schwierigkeiten beim Zugang oder der Nutzung eines einfachen Bankkontos auf dem etablierten Markt haben. Für diese ausgegrenzten Bürger ist die grenzüberschreitende Möglichkeit, ein Girokonto zu eröffnen, nicht das vorrangige Problem. Hier geht es vielmehr darum, auf lokaler und regionaler Ebene über ein Konto verfügen zu können, um die für die gesellschaftliche Teilhabe erforderlichen Dienstleistungen, etwa im Hinblick auf Arbeit, Wohnen, Energieversorgung, Kommunikation, Unterhalt, tätigen zu können.

 

Dennoch könnte die Kommission die Möglichkeiten der Artikel 95 oder 153 EGV nutzen, um geeignete Regelungen zu schaffen.

 

Frage 12:      Sollte der Begriff der finanziellen Eingliederung auch andere Finanzdienstleistungen als die Bereitstellung von Bankkonten umfassen?

 

In Zukunft werden Geschäfte im elektronischen Geschäftsverkehr weiter an Bedeutung gewinnen. Es muss daher gewährleistet werden, dass allen Verbraucher/innen eine Teilnahme am elektronischen Geschäftsverkehr durch einen Zugang zur Telekommunikation und Internet ermöglicht wird bzw. bleibt.