2006 erhielt die Kommission von Parlament und Rat den Auftrag, den EU-Haushalt einer gründlichen Prüfung zu unterziehen und zu prüfen, inwieweit der Haushalt den neuen Herausforderungen gerecht wird.
Es wurde eine breit angelegte Konsultation eingeleitet, die zu einer offenen
Diskussion über die EU-Finanzen führen soll.
Die BAGFW nutzt die Gelegenheit der Konsultation, um ihre Einschätzung in die Debatte einzubringen. Wir beschränken uns dabei auf die Fragen, die sich mit den politischen Herausforderungen auseinandersetzen.
Ausrichtung der Prioritäten
Die BAGFW begrüßt den Fortschritt, der in den letzten Jahren bei der Veränderung der Prioritäten, insbesondere in Richtung von Wettbewerbsfähigkeit und Kohäsion, erzielt wurde. Das Grundanliegen, für Nachhaltigkeit zu sorgen, ist richtig. Dieser Weg sollte fortgesetzt werden.
Die weitere Ausrichtung sollte dabei verstärkt den neuen Programmzyklus der Lissabon-Strategie berücksichtigen und die dort genannten vorrangigen Bereiche, insbesondere die soziale Dimension im Blick haben.
Der Schwerpunkt der Ausgabenpolitik liegt bei den Zielen Wachstum und Beschäftigung. Aus Sicht der BAGFW muss zusätzlich darauf geachtet werden, dass dabei Maßnahmen einer aktiven Integrationspolitik nicht zu kurz kommen. Zwar werden verstärkte Anstrengungen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung für unerlässlich gehalten. Es muss aber bezweifelt werden, ob die dafür vorgesehenen Maßnahmen ausreichen, um vor allem arbeitsmarktferne Personen zu integrieren. Der Flexicurity-Ansatz hat diesen Personenkreis konzeptionell nicht im Blick.
Es müssen also ausreichend flexible Instrumente zur Verfügung stehen, um reagieren zu können. Etwa wenn festgestellt wird, dass die Schwerpunkte Wachstum, Beschäftigung, Kompetenzvermittlung, Chancengleichheit und angemessener Sozialschutz unzureichend ausgestattet sind, um dem Eingliederungsbedarf besonderer Personengruppen gerecht zu werden.
Es kommt deshalb darauf an, die europäischen Grundwerte wie Solidarität und Gerechtigkeit in den Maßnahmen und Politikbereichen, die für die Zukunft Europas von Bedeutung sind, sichtbar werden zu lassen.
Herausforderungen
Die BAGFW stimmt den beschriebenen Herausforderungen im Wesentlichen zu und weist vor allem auf folgende Aspekte hin:
- Die Umwandlung in eine Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft erfordert verstärkte Anstrengungen, um insbesondere junge Menschen ohne bzw. ohne ausreichend qualifizierten schulischen oder beruflichen Abschluss zu integrieren und ihnen Qualifizierungschancen zu eröffnen.
- Der demographische Wandel erfordert auch ein Nachdenken darüber, wie neues zivilgesellschaftliches Engagement gefördert werden kann. Über die beschriebenen strukturellen Strategien hinaus, müssen neue generationenübergreifende und –verbindende Lebensformen entwickelt werden. Hier könnte die Gemeinschaft wichtige Impulse geben.
- Solidarität sowohl gegenüber dem Einzelnen als auch gegenüber Regionen ist ein wichtiges Element des sozialen Europas. Diese ist zu verstärken. Dabei ist auf besonders ausgegrenzte Gruppen zu achten.
- Die Rolle und Bedeutung von zivilgesellschaftlichen Organisationen für den europäischen Einigungsprozess, aber auch für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt muss mehr als bisher genutzt werden.
Ein wichtiger Aspekt wird es deshalb sein, das Europäische Sozialmodell und seine Lösungsansätze sichtbar zu machen. Zum Einen kann damit deutlich gemacht werden, welchen Beitrag Europa leistet, um den Herausforderungen zu begegnen. Zum Anderen bietet es die Chance, das Verständnis bei den Bürgern zu stärken. Dies muss sich auch in den entsprechenden Haushaltsmitteln niederschlagen.
EU-Eigenmittel
Die Debatten und die Auseinandersetzungen über die Finanzierung der EU und der intransparente Aushandlungsprozess führen bei vielen Bürgern zu Verdruss. Eine Reform des EU-Haushalts sollte deshalb zum Ziel haben, den Bürgern zu verdeutlichen, was die EU leistet, welche Ziele verfolgt werden, wofür das Geld ausgegeben wird und welchen Betrag dies erfordert. Kosten und Mehrwert sollten verdeutlicht werden. Die vom Rat bereits 1999 aufgestellten Grundsätze wonach das Eigenmittelsystem der EU „gerecht, transparent, kostenwirksam, einfach und auf Kriterien gestützt sein (...), die der Beitragskapazität der einzelnen Staaten bestmöglich Rechnung tragen“ soll, können nur unterstrichen werden. Es gilt, strukturell vorhandene Widersprüche zu überwinden und ein konsistentes, nachvollziehbares System zu entwickeln.
Es ist allerdings fraglich, ob dabei ein steuerbasiertes System von Nutzen ist und auf
Akzeptanz bei den Bürgern stoßen könnte.